Foto: Bistum Mainz

Karl Lehmann - der treue und kluge Verwalter

Ein unermüdlicher Arbeiter im Weinberg des Herrn ist durch das Tor des Todes gegangen, um Gott in seiner Herrlichkeit nahe zu sein, dem Gott, dem er unermüdlich, mit vielen durchgearbeiteten Nächten, mit Klugheit und Wohlwollen für die Menschen gedient hat.

Eine selbstverständliche Karriere

Über viele Jahrhunderte wurden die Bischofsstühle aus einem kleinen Personenkreis heraus besetzt. Der Adel hatte es erreicht, dass seine Söhne, vor allem die Nachgeborenen, wenn sie schon nicht die Herrschaft erbten, so doch als Bischöfe und Äbte zu dem gehobenen Stand gehörten. Viele von ihnen haben im Sinne der Kirche gewirkt, doch viele versperrten begabteren Mitgliedern des Klerus den Weg an die Spitze. Das hat sich radikal geändert.

 

Sowohl Kardinal Lehmann wie seine Vorgänger, Kardinal Höffner und Kardinal Döpfner, kamen als Vorsitzende der Bischofskonferenz aus einfachen Verhältnissen. Ebenso Josef Ratzinger. Noch mehr als beim Militär ist die Ausbildung der Priester so angelegt, dass es keine Privilegien gibt. In den Priesterseminaren gibt es für alle die gleich großen Zimmer, das gleiche Essen, die gleiche Disziplin. Zugleich werden Begabungen früh erkannt und gefördert.

Ein Mensch mit vielen Talenten

Karl Lehmann brachte viele Begabungen mit. Mit einer tausend Seiten umfassenden Doktorarbeit hat er über den Philosophen Martin Heidegger promoviert - in Rom, an der von Jesuiten geleiteten päpstlichen Universität Gregoriana. Seine für die Kirche vielleicht noch wichtigere Begabung war die des Vermittlers. Er erarbeitete, noch als Theologieprofessor, auf katholischer Seite die Konsens-Dokumente, die Papst Johannes Paul bei seinem ersten Besuch in Deutschland 1980 angestoßen hatte. Sein evangelischer Partner war Prof. Pannenberg. Diese Begabung für Leitungsaufgaben führte ihn 1983 auf den Bischofsstuhl von Mainz. Er wurde schon 1985 stellvertretender Vorsitzender der Bischofskonferenz und erhielt das Vertrauen seiner Kollegen, als Kardinal Höffner 1987 wegen einer unheilbaren Erkrankung die Aufgabe abgeben musste.
Sein Amt übte er in fast vollständiger Lautlosigkeit aus. Während andere Bischöfe wegen ihres Leitungsstils die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zogen, war ihr Vorsitzender nur in der Sache präsent. Damit erreichte er, dass nicht seine Person zum Thema der Medien wurde, sondern die Themen der Kirche. Fast 21 Jahre hat er diesen Dienst versehen, so dass den Katholiken immer weniger bewusst war, welchen unermüdlichen Diener sie an ihrer Spitze hatten. Aber sie wussten, was sie an ihm hatten. Wer den Andrang erlebte, als er 2001 von Rom zurück als Kardinal im Mainzer Dom Gottesdienst feierte, der spürte die Dankbarkeit der Vielen, die ihm die Erhebung in das Wahlgremium voll und ganz gönnten.

Viele haben ihm viel zu verdanken

Obwohl er nicht als Amtsträger auftrat, sondern für jeden direkt als Gesprächspartner erreichbar war, hatte er ein Am mit viel Macht, sowohl durch Personalentscheidungen wie als Vorsitzender des Finanzgremiums einer sehr reichen Kirche. Wie er es geschafft hat, dass die mit Reichtum notwendig einhergehenden Skandale weitgehend unterblieben, müssen die Historiker herausfinden. Im Vergleich zur jetzigen Gesamtlage kirchlicher Finanzen war die Epoche Lehmann eine an Skandalen arme. Durch seinen unaufgeregten Leitungsstil wurde ihm viel Vertrauen entgegengebracht. Vielen hat er eine Perspektive eröffnet, vielen hat er geholfen, viele konfliktreife Situationen entschärft. Sein Wohlwollen und Unterstützung hat der Autor als Vertreter der katholischen Kirche beim ZDF mehrfach erfahren.

Der Niedergang des Katholizismu

Wenn einmal die zwanzigjährige Epoche Lehmann historisch beurteilt werden kann, dann war es wohl eine Epoche des Abstiegs. Alle Zahlen gingen während seiner Zeit des Wirkens zurück, die der Gottesdienstbesucher, der Taufen, des Priesternachwuchses, der Mitgliederzahlen der Verbände. Den Schlüssel, das das Tor zu neuem Zuspruch zum christlichen Entwurf des Lebens eröffnet, hat er wohl nicht  gefunden. Aber er hat ständig danach gesucht und mit den Strömungen der Gegenwart gerungen. Es scheint so, dass auch die neue Generation der Bischöfe diese Tür auch noch nicht gefunden hat, durch die die deutsche Kirche den Weg in die Zukunft findet. Er konnte den Zusammenhalt der Kirche in Deutschland bewahren. Das nicht zuletzt deshalb, weil er sich durch den ständigen Niedergang nicht zu Äußerungen der Unzufriedenheit, zu Anklagen, zu Kritik an denen verleiten ließ, die nicht traditionell, sondern gegenwartsorientiert Katholiken sein wollten. Wer sich für die Kirche engagierte, konnte mit seiner Unterstützung rechnen. Dass die mangelnde Einigkeit, das Gegeneinander in der Bischofskonferenz, nicht nach außen das Bild der Kirche in Deutschland bestimmte, ist seiner Ruhe, seinem starken Naturell zu verdanken. Sein Rücken hatte schwere Lasten zu tragen, bei ihm stand trotzdem immer ein Lächeln im Gesicht.

Jesus hat das Bild des Verwalters gewählt, dem der Gutsherr während seiner Abwesenheit die Leitung übertragen hat, für die Knechte und Mägde zu sorgen, mit den ihm anvertrauten Gütern, also der Theologie, der Liturgie, den Gläubigen, den Besitztümern und Geldern sorgfältig umzugehen. Einen solchen klugen Verwalter erwartet ein himmlischer Lohn. Wie seinen Kardinalshut gönnen ihm die Katholiken diesen Lohn. 


Kategorie: Kirche

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