Cover Verlag Herder

Jesus im Koran, vom Erlöser zum Prophet

Im Koran erhält Jesus einen außerordentlichen Platz. Jedoch wird Jesus zu einem der biblischen Propheten und steht indirekt als Zeuge für den Koran. Ein höchst lesenswertes Buch eines katholischen und muslimischen Theologen:

jesus ist wie Adam von Gott direkt geschaffen, er wird auch Wort Gottes genannt. Das Abendmahl wird den Christen empfohlen. Das in einem Umfeld großer Zerstrittenheit unter den Christen und dann noch einmal mit den Juden. In „Der andere Prophet, Jesus im Koran“ sehen die Autoren Mouhanad Khorchide Klaus v. Stosch bei Mohammed zuerst das Anliegen, die monotheistischen Bekenntnisse gegen den in Mekka praktizierten Polytheismus zu einen. Sie situieren den Koran in einem Umfeld christlicher Zerstrittenheit nach dem Konzil von Chalcedon auf der arabischen Halbinsel. Mohammed hat die Zerstrittenheit, auch die zwischen Christen und Juden, als Schwächung seiner Mission erkannt, nämlich der Vielgötterei ein Ende zu bereiten. In seiner Zeit in Mekka hatte er wohl die Hoffnung, diejenigen zu einen, die den einen Gott verehren. Erst in Medina formt sich die muslimische Gemeinde heraus und distanziert sich von denen, die sich ihr nicht anschließen.

Die Zerrissenheit unter den Christen

Während die von Byzanz abhängige Orthodoxie sowie die römische Kirche das Konzil als Antwort auf die Frage, wie die Menschheit Jesu in Personeinheit mit dem Sohn Gottes gedacht werden kann, „unvermischt und ungetrennt“ lautet die Formel, rezipiert, kommt der syrische Strang der Christenheit bis heute in dieser Frage nicht zu einem Konsens mit den beiden anderen großen Glaubensfamilien. Die ersten 90 Seiten des Buches stellen die Theologiegeschichte der verschiedenen Lösungsversuche dar und gehen dann aber zu einem neuen Denkmodell über, nämlich die Einheit von „zwei Naturen“ so zu denken,  eben der göttlichen und der menschlichen, die in der Person Jesu geeint sind, sondern sie wählen das Modell der Beziehung. Es wird die besondere Beziehung des geschichtlichen Jesus zum Vater als Ausgangspunkt gewählt. Diese Möglichkeit, Einheit und Verschiedenheit neu zu denken, unterschlägt allerdings ein großes Erbe, nämlich den Personbegriff, der erst aus der Frage heraus entwickelt wurde, wie die Einheit der beiden Naturen gedacht werden kann, wenn Jesus eine menschliche Seele, haben muss. Bis dahin war im griechischen Denken die Seele identisch mit dem Ich, so dass diese den Körper verlassen kann, um als Geistseele zu ihrem Ursprung zurückzukehren. Die Seele ist nicht Person, sondern die Person hat eine Seele, so wie der menschgewordene Sohn eine menschliche Seele hat.  Jesus erscheint ja den Jüngern nicht als Geist, sondern leibhaft mit seinen Wunden.
Während das erste Drittel allein der Darstellung der christlichen Konzepte, die Einheit in Jesus zu denken, gewidmet ist, werden im zweiten Drittel drei Suren ausgelegt, die sich auf Jesus beziehen.

Aussagen über Jesus im Koran

In der Auslegung des Korans folgen die Autoren nicht der jetzigen Anordnung der Suren, sondern ihrer Zuordnung zu drei Phasen in Mekka und dann weiteren Phasen in Medina. Da Mohammed wahrscheinlich erst in Medina mit christlichen Gruppen näher in Berührung gekommen ist, gibt es auch in späterer Zeit meist nur eine bejahende Sicht der Person und der Botschaft Jesu. Es sind die Suren 19 über Maria, die Sure 4 über Amram, der als Vater Marias eingeführt wird und Sure 5 über den Tisch, die die Christen auffordert, an der Eucharistie festzuhalten. Die 80 Seiten der Auslegung der drei Suren könne für sich gelesen werden, sie vermitteln die Aussagen des Korans über Jesus. Einige Punkte seien erwähnt:

Der Koran differenziert gegenüber Christen

Die Polemik gegen die Christen, die dem Koran insgesamt unterstellt wird, richtet sich bei genauerer Lektüre gegen einzelne Gruppierungen, nicht gegen die Christen insgesamt. Auch findet sich im Koran kein Beleg für die muslimische Predigt, Jesus sei nicht am Kreuz gestorben. Es wird darauf hingewiesen, dass der Koran vom Tod Jesu ausgeht S. 147ff. Der Koran gehe insgesamt vom Tod Jesu und der erst dann erfolgenden Rettung durch Gott aus. Der Vers 157 in Sure 4, der als Beweis für die Verschonung Jesu gilt, ist als polemische Auseinandersetzung mit den Juden zu sehen und daher gegen die muslimische Tradition zu interpretieren, s.S. 153. Jesus wird vom Koran in seiner Sendung gegenüber den Juden verteidigt. Die positive Einstellung gegenüber dem Christentum wird auch an der späten, vielleicht sogar letzten Sure des Korans, der Nummer 5,113, S. 159ff  deutlich, in der die Christen ermutigt werden, das eucharistische Mahl zu feiern.
Jesus wird als besonderes Geschöpf Gottes gesehen, er ist wie Adam von Gott direkt geschaffen, Jesus wird wie bei den Christen als "Wort Gottes" bezeichnet
Der Bundesgedanke, dass Gott mit den Gläubigen in eine abgesicherte Beziehung eintritt, wird aufgenommen.

Mohammed als Gesandter Gottes

Wenn der Koran die Legitimität Mohammeds als Gesandten Gottes ausweist, beruft er sich auf die biblischen Propheten und auf Jesus. Er steht mit diesen in einer Linie und teilt auch ihr Schicksal, nämlich abgelehnt zu werden.
Eine Legitimation des Propheten wird auch daran festgemacht, dass er in einer Vision nach Jerusalem versetzt wurde, also in direkter Nachfolge der biblischen Botschaft steht. Diese im dritten Abschnitt des Buches entwickelte Konzeption der Prophetie ebnet die Bedeutung Jesu ein. Er ist einer der Propheten. Auch wird deutlich gezeigt, dass er nicht der Erlöser ist, vielmehr Erlösung über jede Epoche hinweg erfolgt. Der Koran geht auch auf den Prozess und die Hinrichtung Jesu nicht ein, „er mache um das Kreuz einen Bogen“ S. 265
Ab der Seite 227 werden die Folgerungen aus den vorausgehenden, eher exegetischen Untersuchungen formuliert. Der entscheidende Unterschied zwischen Islam und Christus sehen die Autoren in der Rolle Jesu im Christentum und des Korans im Islam. Den Christen begegnet Gott in Jesus, den Muslimen in der Verlesung des Korans, mit der sie direkt von Gott angesprochen werden. Die Legitimation dieser Ansprache, dass sie wirklich von Gott kommt, liegt in der Schönheit der Sprache. Die Beziehung Allahs zu jedem Menschen, sein Interesse für jeden mündet in die Gesamtsicht der Barmherzigkeit Gottes. Die Drohungen, die in den späten Suren immer mehr zunehmen, werden als Reaktion Gottes auf die Ablehnung seiner Zuwendung interpretiert. Das ist eine der möglichen Zugehensweise auf diese Suren des Korans, die in den letzten Jahren ihre Sprengkraft gezeigt haben. Die Autoren wählen diesen Zugang, weil sie im Koran das Wort Gottes sehen, das sie in der Gesamtperspektive der Barmherzigkeit interpretieren. Ganz anders Hamed Abdel Samad, er interpretiert den Koran  auf dem Hintergrund der Biographie des Propheten und sieht in den Gewaltaufrufen die Reaktion auf das misslungene Werben um zuerst die Juden und dann auch die Christen.

Das als Überblick über die Inhalte des sorgfältig erarbeiteten Buches, das neue Perspektiven für den Dialog mit dem Islam eröffnet. Es gehört in die Hand jedes Theologen, jeder Theologin, ob in der christlichen oder der muslimischen Lehre ausgebildet. Die Muslime können besonders dankbar sein, weil ihre Religion nicht plakativ, sondern in sorgfältiger Auslegung des Korans dargestellt wird. Dem Buch sind viele auflagen gewünscht und dafür ein Sachregister. Die vielen Aspekte, die die Autoren thematisieren, können über das Inhaltverzeichnis kaum gefunden werden.

 

Allerdings verlangt das Buch eine Reflexion, was es eigentlich heißt, wenn Jesus im Koran eine tragende Rolle spielt. Es ist auch zu fragen, ob der Koran und mit ihm die muslimische Theologie nicht ein anderes Verhältnis zur Bibel der Juden wie der Christen gewinnen muss, wenn diese im Koran als Wort Gottes gesehen werden. Dazu folgt ein weiterer Beitrag.

Links
Der Koran spart das Kreuz aus und hat damit keine Barriere gegen religiös motivierte Gewalt
Koran und Gewalt - der Beweis
Hoffnung für den Islam 

Weitere Beiträge zum Islam


Kategorie: Religion
Schlagworte: #Islam

Kommentare (0)

Keine Kommentare gefunden!

Neuen Kommentar schreiben

Zum Seitenanfang