In Weilburg an der Lahn, an der Straße stadtauswärts nach Frankfurt, ist auf der rechten Seite in Höhe der Bushaltestelle "Landtor" und oberhalb der Mauern des 1581 angelegten "Alten Friedhofes" ein weißes Gebäude zu sehen, eine Rotunde mit einem Kreuz auf der Dachspitze. Es überdacht wie ein Baldachin eine große Kreuzigungsgruppe aus Sandstein, mit Maria und Johannes neben dem Kreuz Jesu, und wird "Kalvarienberg" genannt. Unterhalb davon, von der Straße aus nicht zu sehen, steht 31 Meter entfernt eine kleine, gedrungene Kapelle: die Grabeskirche. Dieses älteste Bauensemble Weilburgs ist der 1505 fertiggestellte, getreue Nachbau der Passionsstätten in Jerusalem, der auf Kaiser Konstantin zurückgeht. Er hatte über die Hinrichtungsstätte und das Grab Jesu eine große Auferstehungskirche bauen lassen.
Grabeskirche – Magnet für Tausende Pilger
Dieser Bau löste einen immer größer werdenden Pilgerstrom aus Europa nach Jerusalem aus, der während des ganzen Mittelalters anhielt. Es wird von Pilgergruppen berichtet, die bis zu siebentausend Teilnehmer hatten und von Bischöfen geleitet wurden. Diese Jerusalemsehnsucht hatte einen bestimmten Grund: In der irdischen Stadt Jerusalem sah man die Verkörperung des himmlischen Jerusalems nach dem Motto "wie im Himmel, so auf Erden". Auf diese Identifikation des irdischen mit dem himmlischen Jerusalem wies sogar eine Inschrift auf einer Kreuzigungsgruppe in der Grabeskirche hin. Auch die mittelalterlichen gotischen Kirchen verstehen sich als Abbild des himmlischen Jerusalems, ein Beispiel ist der Limburger Dom. Die Sehnsucht nach dem himmlischen Jerusalem fand ihren Niederschlag im Wunsch nach der Nähe zu den Stätten von Jesu Passion und Auferstehung. Sie drückte sich in zwei Formen aus: in den Wallfahrten nach Jerusalem wie auch in zahlreichen Nachbauten der Jerusalemer Grabeskirche in Europa und Deutschland.
Nachbau der Jerusalemer Grabeskirche
Von diesen ist die Weilburger Heilig Grab Kapelle, ein getreuer Nachbau der originalen Grabkapelle, vollständig erhalten, als einzige neben der vergleichbaren, etwa zur selben Zeit entstandenen Anlage in Görlitz. Den Bau der Weilburger Passionsgedenkstätte veranlasst hatte aufgrund eines Gelübdes Graf Ludwig I. von Nassau-Weilburg. Die Idee dazu gab ihm 1499 sein Mitregent und Onkel Graf Johann Ludwig von Nassau-Saarbrücken, der in den Jahren 1495/96 eine Wallfahrt nach Jerusalem zu den Heiligen Stätten unternommen hatte und deren Nachbau schon in Trier, aus dem er kam, initiiert hatte. Architektonische Details im Innenraum stellen biblische Bezüge her, so die sieben Bögen, die an die sieben Gaben des Heiligen Geistes und die sieben Sakramente erinnern, sowie die sie tragenden zwölf Säulen als Verweis auf die zwölf Apostel. Auch das Dach des Kalvarienbergs wird von zwölf Säulen getragen. An der Wand hängt ein Stein mit der Abbildung von Jesu Marterwerkzeugen, der Wappen Christi genannt wird. Zu diesen Passionsgedenkstätten führten damals während der Fasten- und Osterzeit Prozessionen und Wallfahrten, die aber mit der Reformation endeten. Im Lauf der Zeit verfiel die Anlage. Seit Mitte des 20. Jahrhunderts dient sie der evangelischen Kirche von Weilburg wieder zu Gottesdiensten. Sie werden unter der Bezeichnung HGK im Gemeindeblatt angekündigt.
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