<emphasize>Worin liegen die Optionen?</emphasize>
(explizit.net) Erstmals griff Präsident Obama gegen den zweimonatigen Ansturm der Islamisten im Irak aus. Spätabends zum 8. August sagte er, um Amerikaner zu sichern und Genozid an Christen zu stoppen, eine limitierte Luftangriffs- und Hilfsaktion an. Anderntags ergänzte er, Hilfssendungen für zehntausende Christen liefen und Luftangriffe beträfen ganz Irak für Monate. Andersgläubige Minoritäten flohen im Norden auf die Höhen am Sinjarberg vor der Gewalt von Sunnijihadis: „Konvertiere, flieh oder stirb.“ Viele retteten sich nach Kurdistan. Iraks neuer Präsident Fuad Marsum gab den Regierungsauftrag an Haidar Jawwad al-Abadi als Premier am 11. August. Drei Tage darauf trat Nuri Kamal al-Maliki ab – Iraks neue Chance gegen Gnadenlose. Am 14. August meinte Barack H. Obama: die Hilfe wirke, ein US-Trupp war vor Ort, die Blockade am Sinjarberg sei gebrochen und eine Großaktion unnötig. Freitag, den 15. August, begann Berlin Hilfsflüge in den Irak. Am Wochenende wies Obama Luftangriffe gegen Jihadis am Mosuldamm an, so dass ihn Kurden befreien können. Indessen erörterten in Kairo Israelis und Palästinenser, ob die Waffenruhe fortdaure, die ein Raketenbeschuss durchbrach. Worin liegen die Optionen?
Amerika
In Washington ist die Debatte um eine schleichende Verwicklung im Irak entbrannt. Vor der „Mission Creep“ sorgen sich Politiker, sind die Amerikaner doch zumeist kriegsmüde und im November folgen Midterm-Wahlen. Formell darf der Präsident 60 Tage Truppen nach Ermessen einsetzen. Dann sollte es eine Autorisierung durch den Kongress geben. Der gab am 28. Juli die Resolution H105 ab, die Obama ohne die Autorisierung verbietet, Truppen im Irak in eine dauerhafte Kampfrolle zu bringen. Praktisch sind bis zu 1.000 Mann als Berater vor Ort und – al-Maliki aus dem Bilde – neue Waffenzufuhren gestartet.
Einen gewissen Umschwung in der öffentlichen Meinung besorgten sicher das grausame Vorgehen der Islamisten, ihr rascher Bodengewinn und ihre direkten Drohungen gegen den Westen, wo sie ihre schwarze Fahne auf dem Weißen Haus ankündigten. Die Kette der Selbstmordbomber riss in Baghdad nimmer ab. Dieses Mittel soll bald in Europa und Amerika einsetzen. Nach kurdischen Angaben töteten Jihadis des Islamstaates am Freitag 80 Jasiden aus dem Dorf Kocho bei Sinjar. Diese Killerkommandos änderten ihre Taktik, haben viele US-Waffen erbeutet und verfügen über Millionen Dollar aus Erdölverkäufen.
Iraks Sunnistämme wenden sich seit Freitag in al-Anbar und ar-Ramadi gegen Jihadis. Laut Senator Ron Johnson erreiche das schwarze Sturmgebräu Amerika, wenn es nicht jetzt im Irak gestoppt werde. Amerikaner mögen kriegsmüde sein, aber diese Terroristen seien es nicht. Sein demokratischer Kollege Eliot Engel will Extremisten bekämpfen, wo sich Möglichkeiten anbieten, so in Syrien zugunsten der Opposition Bashshar al-Asads.
Hillary R. Clinton brachte sich aus Sorge um Mittelost ein. Gruppen der Jihadisten hätten eine enorme Kapazität zum Ausbrechen, um Europa und Amerika zu treffen, sagte sie im Atlantic-Gespräch am 11. August. Jihadis beschränkten sich nie auf das Gebiet, das sie regieren. Sie seien angetrieben, zu expandieren, den Westen, „Kreuzzügler“ anzugehen. Wie könne man sie eingrenzen? Sie denke über Einschränkung, Abschreckung und Sieg nach. Die Frau, die sich wohl um das Präsidialamt bewirbt, prüft, welchen Gesamtrahmen Amerika hegte, als es Kommunismus (und Faschismus) schlug. Obama wäre abgeneigt, die Bedrohung des islamistischen Terrorismus in einer so übergreifenden Art zu erörtern.
Gewaltkalifat
In der Tat, Obama wies dies nicht nur ab, sondern ließ keine übergreifenden Konzepte erkennen. Ein schweres Manko in seiner Amtsführung. Wie kann ein Land, das über ein Jahrzehnt in Islamländern transnational Krieg führt, keine wirksame Strategie und Taktik, seinen Antiislamismus entfaltet haben? Clinton enthüllt jetzt nur, was sich oft gezeigt hat. Das Unverständnis der neuen Weltlage herrschte ganz oben, und zunächst durch einen Ansatz, den man um 2011, zur Blüte des mittelöstlichen Frühlings, gar als proislamistisch ansehen muss. Der Fehler lag darin, Islamisten wie Muslimbrüder als „legale Opposition“ zu fördern. Dafür war auch Clinton bekannt, die offenbar eine neuere Entwicklung nahm.
Aber nicht nur Präsident Obama hat den Islamismus und die schwarzen Jihadis verkannt. Sondern ihm folgten viele der durch ihn erwählten Offiziellen. Zum Beispiel führte sein damaliger Berater John Brennan, der heutige CIA-Chef, am 29. Juni 2011 über Amerikas Strategie gegen den Terrorismus aus, diese sei durch ein tieferes Verständnis der Ziele, Strategie und Taktik der al-Qaida geleitet. Dabei rede er gar nicht über deren grandiose Vision einer globalen Dominanz durch ein gewaltsames Kalifat. Diese Vision sei absurd. Er würde nicht Bemühungen gegen den Terror für eine so unverantwortliche Täuschung organisieren, die nie eintreten wird. Er würde diese Verbrecher und ihre mörderischen Bestrebungen dadurch nicht in etwas Größeres heben als sie sind. Mit einem so schweren Schnitzer verwundert es nicht, dass das „Kalifat Syroirakistan“ drei Jahre später so weit gediehen war. Obama nannte deren Jihadis noch zu Jahresbeginn eine Amateurtruppe.
Daher sind Clintons Ideen aufschlussreich. Auf die Frage, ob die Jihadisten nicht so weit gelangt wären, hätte man in Syrien vor drei Jahren die moderate Opposition unterstützt, meinte sie, es gab da Islamisten, Säkularisten und viel dazwischen. Der Fehler, dies nicht zu tun, habe ein Vakuum hinterlassen, das die Jihadisten jetzt angefüllt haben. Sie sieht auch keinen künftigen Boden für all diese Leute, die sich selbst als Islamisten definieren.
Hamas
Nicht minder harsch beurteilt Clinton die Erfahrung mit den Muslimbrüdern am Nil. Das Verdikt stehe aus, ob diese sich in eine gewaltsame Widerstandsgruppe der Jihadisten verwandeln. Auf die Frage, ob es in der Region eine Rolle für den politischen Islam gebe, meinte sie, die Hamas zähle nicht zur Kategorie derer, mit denen man arbeiten könne. Das wäre nicht realistisch. Der Sinn ihres Widerstandes gegen Israel liege in dessen Zerstörung. Hamas wäre mit bösartigen Taktiken und Ideologien verheiratet, darunter ein virulenter Antisemitismus. Sie sollte nicht als legitimer Vermittler behandelt werden. Das würde nachteilig für die Palästinensische Autonomiebehörde ausfallen. Diese habe zwar viele Probleme, aber historisch ihre Charta abgeändert und Abstand vom Guerillakampf der vorherigen Dekaden genommen. Freilich liegt in dem Punkt ein großes Fragezeichen.
Clinton hat keinen Zweifel, dass die Hamas den jüngsten Konflikt initiierte und die volle Verantwortung für ihn trägt. Vielleicht hätte eine bessere Regierung zum größeren Willen des Ghazavolkes geführt, nicht mehr die Hamas in ihrer Mitte zu tolerieren. Mein Fazit zu Optionen: Israel mag einen Weg finden, der die Extreme meidet wie Wiederbesetzung Ghazas, forcierter Regimewechsel oder langjähriger Krieg. Die Europäische Union setzte jedenfalls Zeichen, indem sie die volle Demilitarisierung des Ghazastreifens verlangt hat.
<emphasize>Wolfgang G. Schwanitz</emphasize>
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