Haseloff wurde von denen gewählt, die keinen Ministerpräsidenten aus den Reihen der AfD wollten. Seine strikte Abgrenzung wurde nicht von allen CDU-Mitgliedern des Landesverbandes geteilt. Vielleicht schwenken diese jetzt auf Haseloffs Linie ein. War der Münchner Erzbischof, der ja Kardinal bleiben wird, in der Frage, die die Deutsche Bischofskonferenz herausfordert, so profiliert? Es war doch mehr sein ökumenisches Engagement. Dass die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle ins 11. Jahr geht, ist doch auch unter seinem sechsjährigen Vorsitz der Bischofskonferenz, des Gremiums der Hauptverantwortlichen, in die Länge gezogen worden. Und wer hatte die unsägliche Idee, die Aufhellung aus Akten und nicht durch Befragung der Personalverantwortlichen und ihrer Sekretärinnen voran zu bringen. Akten sind immer unvollständig und erlauben es den Leitungskräften, so lange mit dem Eingeständnis ihrer Schuld zu warten, bis sich etwas in den Akten findet, was sie ja selbst dort abgelegt haben.
Warum die CDU und nicht die Linken?
Wenn die Wahlanalytiker Recht haben, dann ist der Stimmenzuwachs der CDU durch die strikte Abgrenzung zur AfD motiviert. Warum haben die Wähler das nicht den Linksparteien zugetraut, die zudem im Wahlkampf der CDU eine zu große Nähe zur AfD vorgeworfen haben? Der SPD hätten die Wähler das doch zutrauen können. Es war sicher auch die Konstellation, dass die CDU die einzige Partei war, die mehr Stimmen auf sich ziehen konnte als die AfD.
Hinzu kommt ein massives Eintreten der Industrie in den 8 Wochen vor der Wahl, die damit gedroht hat, dass Investitionen rückgängig gemacht werden, wenn die AfD das Gesicht Anhalts bestimmen sollte. Zudem gilt die CDU als Partei, die Arbeitsplätze schafft. Auf der lastet immer noch das Erbe Lafontaines, der die Wiedervereinigung als zu teuer angesehen hatte. Die Grünen bekommen wegen der Sicherung der Arbeitsplätze so wenig Stimmen, weil die Menschen eine De-Industrialisierung fürchten.
Aber auch wenn die AFD als Sieger aus der Wahl hervorgegangen wäre, hätte das keinen Ministerpräsidenten dieser Partei zur Folge haben müssen. Mehr als 25% der Stimmen hätte sie nicht bekommen. Ebenso erklärt sich der Stimmenverlust von 5,3% der Linken, die von allen bisher im Landtag vertretenen Parteien den größten Rückgang zu verzeichnen hat. Sie gilt nicht als Partei, die Arbeitsplätze sichern kann.
Eine Erklärung könnte in dem selbstbewussten Auftreten des CDU-Kandidaten liegen. Die Linke und die AfD artikulieren dagegen die Benachteiligung des Ostens. Das kann die AfD sehr viel besser als die Linke. Sie zelebriert noch besser eine Jammerstimmung, als Entschlossenheit und Zuversicht zu verbreiten. Hat nicht die CDU Sachsen- Anhalts erstmalig eine Maßnahme des Westens, die Erhöhung der Rundfunkgebühr, blockiert. Könnten die Wähler am ehesten der CDU zutrauen, von diesem ständigen Minderwertigkeitsgefühl wegzukommen? Dieses ist sehr wohl begründet, denn der Wiederaufbau der Wirtschaft, deren Zusammenbruch das Ende der SED-Herrschaft herbeigeführt hat, lag in den Händen westdeutscher Führungskräfte. Die meisten von ihnen fuhren oder flogen bereits donnerstags zu ihrem Wohnsitz im Westen. Könnte der Wahlsieg Haselhoffs ein Signal sein, Sachsen-Anhalt nicht zu einer Kopie Westdeutscher Lebensverhältnisse und Mentalitäten zu machen?
Zur Linken: Ist sie nur die Vertretung der 25% DDR-Bürger, die durch die SED in Amt und Stellung gekommen waren und die Wiedervereinigung abgelehnt haben? Die auch durch das Ende der DDR nicht nur Macht und Einfluss verloren hatten, sondern auch mit dem Misserfolg der Kommunistischen Doktrin in der Konkurrenz der westlichen Symbiose von Demokratie und Kapitalismus fertigwerden müssen?
Ein Katholik aus der Lutherstadt
Die Katholiken in den neuen Bundesländern sind die kleinste Minderheit. Mit 3% Anteil an der Bevölkerung sind sie seit der Nachwendezeit in politischen Positionen überdurchschnittlich vertreten. Mir wurde das einmal damit erklärt, dass die Studentengemeinden und Pfarrgemeinderäte einer der wenigen Enklaven im gelenkten SED-Regime waren, wo man zuhören und argumentieren lernen konnte. Aber warum sind nicht sehr viel mehr Protestanten in leitende Positionen gewählt worden, die doch die Montagsdemonstrationen sehr viel mehr als die Katholiken getragen haben: Anders als die protestantischen Pfarrer haben sich katholische Priester nicht in die kommunalen und Landesparlamente wählen lassen. 50% der Pfarrer allein der magdeburgischen Landeskirche hatten bei den ersten Wahlen ein Mandat übernommen. Den Vorsprung katholischer Laien konnten evangelische Christen wohl nicht mehr aufholen, als ihre Pfarrer sich aus der Politik zurückzogen.
Die wenigen Katholiken im Ursprungsland der Reformation sind nicht in der Lage, den Bodensatz von SED-Herrschaft und Reaktion auf die Kolonisierung der neuen Bundesländer durch die Arroganz westdeutscher Neoliberaler abzuarbeiten. Eine kritische Auswertung der Luther-Dekade durch deren Protagonistin Margot Käßmann würde dem Protestantismus helfen, den Einfluss auszuüben, den dieser Landstrich braucht. Die Regierung von Sachsen-Anhalt hatte die 10-jährige Vorbereitung auf das Jahr des Thesenanschlags in Wittenberg 1517 großzügig gefördert. Was bringt die Kirche ein?
Und die katholischen Laien, orientieren sie sich an ihrem Zentralkomitee, das die Bischöfe und Priester auf seine Linie bringen will oder wollen sie an die Tradition von Zentrumspartei und Mönchengladbacher Volksverein anknüpfen, um die Gesellschaft nach christlichen Werten zu gestalten? Vom Volksverein erzählte mir Oswald von Nell-Breuning, dass es dort ein ungeschriebenes Gesetz gab: Kein Bischof und kein Jude durften die Schwelle überschreiten. Und ist nicht Joe Biden auch Katholik in gebotener Distanz zu den Bischöfen
Haseloff ändert sicher nicht die Situation der Deutschen, von Bischöfen geleiteten Kirche. Die Laien könnten sich jedoch an ihm orientieren und sich wieder an ihrem gesellschaftlichen Auftrag ausrichten. Sie bräuchten nur studieren, wie in den Jahren der Adenauer-Regierungen katholisches Soziallehre Mittelstandsförderung, Eigentum an Wohnraum, die Freisetzung von Arbeiterwohlfahrt, Caritas und Diakonie bewirkten.
Ein Kommentar von Eckhard Bieger S.J.
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