Hamzas Theorie des Islamismus

(explizit.net) Nichtmuslime, belehrte der Ägypter Abd al-Malik Hamza seine arabischen und deutschen Leser im Ersten Weltkrieg, glauben noch, dass der Islam darauf hinziele, anderen Völkern seine Religion aufzudrängen. Und dass dem Ruf zum Panislamismus – synonym nahm er auch „Islamismus“ – nichts anderes zugrunde liege, als eine aggressive islamische Einheit zu bilden. Je größer das Gebiet der Vereinigung, desto reicher der Segen. Vorausgesetzt, das Ziel dieses Bundes sei nicht aggressiv. In dem Fall liege es nicht im Interesse der Allgemeinheit, sondern den anderen Nationen stehe Recht und Pflicht zu, sich zu widersetzen.

Der Widerspruch blieb zwischen dem islamistischen Globalanspruch und der Staatenwelt der Andersgläubigen. Hamza erlebte auch Juden und Christen mit Herausforderungen wie Reform, Revolution, Säkularisierung, Nationalismus, Imperien und die Moderne mit ihrem Liberalismus und Atheismus. Dies kam nach Istanbul. Aber das autoritäre Osmanenreich zerfiel auch am Nil. Was nun, drei Dutzend Kleinstaaten oder ein Kalifat ohne Autonomie?

(explizit.net) Nichtmuslime, belehrte der Ägypter Abd al-Malik Hamza seine arabischen und deutschen Leser im Ersten Weltkrieg, glauben noch, dass der Islam darauf hinziele, anderen Völkern seine Religion aufzudrängen. Und dass dem Ruf zum Panislamismus – synonym nahm er auch „Islamismus“ – nichts anderes zugrunde liege, als eine aggressive islamische Einheit zu bilden. Je größer das Gebiet der Vereinigung, desto reicher der Segen. Vorausgesetzt, das Ziel dieses Bundes sei nicht aggressiv. In dem Fall liege es nicht im Interesse der Allgemeinheit, sondern den anderen Nationen stehe Recht und Pflicht zu, sich zu widersetzen.

Der Widerspruch blieb zwischen dem islamistischen Globalanspruch und der Staatenwelt der Andersgläubigen. Hamza erlebte auch Juden und Christen mit Herausforderungen wie Reform, Revolution, Säkularisierung, Nationalismus, Imperien und die Moderne mit ihrem Liberalismus und Atheismus. Dies kam nach Istanbul. Aber das autoritäre Osmanenreich zerfiel auch am Nil. Was nun, drei Dutzend Kleinstaaten oder ein Kalifat ohne Autonomie?

Germanophil

Abd al-Malik Hamza zählte zu den zwei Dutzend prodeutschen Ägyptern im Netzwerk Max von Oppenheims. Dieser Baron sah zwei Dekaden vor dem Großen Krieg die Gewalt der Islamisten gegen die „kolonialen Ausländer“. Das ebenso im Sudan, wo die Mahdiyya-Bruderschaft die Briten samt Osmanen vertrieb. Eine Dekade war ihr Islamstaat frei von „Ungläubigen“, sank aber tiefer ab. Doch mit der geballten Faust der Moderne eroberte das Empire den Sudan bis September 1898 zurück. Winston S. Churchill hat dies beschrieben.

Indes betrieb Kaiser Wilhelm II. Weltpolitik, um Deutschland zur Großmacht zu erheben. Er startete seine Islampolitik, indem er im Oktober 1898 den Sultan-Kalif in Istanbul traf. Obwohl Christenregent ohne Kolonien in Mittelost, warb er um Muslime, auch für einen künftigen Krieg in Europa. Islamisten standen an Europas Pranger, da sie 1896 Armenier töteten. Derweil knüpfte von Oppenheim Fäden in Kairo mit Afghanen, Indern, Türken, Arabern und Iranern, um auf Kongressen deren Widerstand zu stärken. Der Haken: Sollte der Sultan-Kalif Jihad gegen „Kolonialisten“ ausrufen, würden Nichtmuslime erste Opfer.

Plan Grün

Abd al-Malik Hamza und sein Freund Abd al-Aziz Jawish, der mit Shakib Arslan 1920 den Berliner Orient Klub bildete und Hasan al-Bannas Muslimbruderschaft förderte, halfen dem Jihadplaner von Oppenheim am Nil. Im Pakt mit Deutschen wollte man sich der Briten, Franzosen und Russen entledigen. Dabei expandierte Berlin im Osmanenreich, das es friedlich erschloss mit der Bagdadbahn und „Made in Germany“. Dieses Reich sollte bleiben und Partner in Wilhelms Globalkurs sein, der eine Jihadrevolte in Indien anbahnte, um London damit erpressen und eventuell die Friedensbedingungen diktieren zu können.

Am 2. August 1914 schlossen Berlin und Istanbul einen Geheimvertrag. Sollte Russland in den Krieg eintreten, übernähmen deutsche Offiziere Chefpositionen in Istanbul, das den Mittelmächten um Berlin und Wien beitrete. Doch Enver Pascha brauchte noch Zeit für die Mobilisierung und erklärte zunächst eine „bewaffnete Neutralität“. Die brach er selbst, in-dem am 29. Oktober seine Kriegsschiffe „Sultan Selim“ und „Midilli“ (die ex-deutschen „Goeben“/„Breslau“) im osmanischen Verband des Admirals Wilhelm A. Souchon Sewastopol und Odessa beschossen. Nun erklärte Russland dem Osmanenreich am 2. November den Krieg, dieses am 12. November den Alliierten. Der Plan Grün - Jihadrevolten - begann.

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Blockierte Moderne

Im Auswärtigen Amt war von Oppenheims Nachrichtenstelle für den Orient mit ihrem Zweig in Istanbul, die laut Titel seines Jihadplans die „Revolutionierung der islamischen Gebiete unserer Feinde“ in Mittelost in Kolonien der Alliierten einleitete. Türken, die durch Jihad Araber einbanden, wollten aus ihrem Imperium „Ungläubige“ verdrängen. Dies setzte dreierlei voraus. Zum einen war es - Seite eins des Jihadplans für den Kaiser - die „direkte Aufforderung zu Aufständen gegen unsere Feinde und deren Unterstützung“ durch Waffen, Geld, Experten und regionale Kriegsagitation, wie dieser Text weiter erhellt. Solche Aufbegehren bedeuteten Jihad, denn ohnedem gab es keine Ideologie des Kampfes. Zum anderen war es das kriegerische Vorgehen der Osmanen, vor allem in Ägypten und in russisch-islamischen Gebieten als Fanal des Jihadstarts in dem „Krieg durch Revolten“.

Als Prinzipien, nach denen von Oppenheims Nachrichtenstelle für den Orient arbeitete, galten: in Islamfragen treten nur Muslime auf, im deutschen Sinn; neue Medien motivieren Massen im Krieg, darunter in von Oppenheims bis zu 75 Lesesälen im Osmanenreich; und Regionalexperten beraten Geheimdienste und Ämter, ob etwa 100 Militärs, Akademiker oder Beamte in Berlin und Istanbul oder solche auf zwei Dutzend Jihadexpeditionen in die Islamländer; Islamisten agieren von neutralen Ländern wie der Schweiz und Amerika aus. Bezahlt durch Kriegsminister Enver Pascha, traten also Hamza und Jawish für Berlin ein.

Um Islam zu jihadisieren, etablierten beide Ägypter nach dem Jihad-Appell im Namen des Sultan-Kalifs vom 14. November in Istanbul und Berlin die farbigen Monatsjournale „al-Alam al-Islami“ und gleichnamig „Die Islamische Welt“. Zwar erklärten Islamologen wie Carl Heinrich Becker, Martin Hartmann und Hugo Grothe zur Mittelostreise des Kaisers Panislamismus, oft kurz „Islamismus“, so Italo Pizzi 1897 „L'islamismo e la guerra santa“.

Doch fehlte eine „Theorie des Islamismus“. Diese entwarf Abd al-Malik Hamza 1915, der sie auf Deutsch im Folgejahr in der ersten Nummer jener „Islamischen Welt“ propagierte.

Opfertheorie

In das explosive Gemisch - der versuchte Genozid gegen Palästinas Juden und Genozid gegen Anatoliens Armenier lief seit April 1915 - kam Abd al-Malik Hamzas „Theorie des Islamismus“. Er definierte sie als globale Einheit aller Muslime in einer Bruderschaft des Aufstiegs nach Islamlehren durch Überwindung feindlicher Elemente. Dies gebiete allen, im Angriffsfall sofort zu helfen. Islamismus überkomme Patriotismus und Nationalismus durch die Einheit des Glaubens ungeachtet der Stämme und Rassen, um alle zu befreien. Laut Hamza (und Lenin) machten Fremde „unterdrückte Völker“ zu Opfern, deren Fehler es war, nicht dem Tempo neuer Zeiten zu folgen. Jedoch wehrten ihre Führer die Moderne oft ab. Beispiel: Johann Gutenbergs Druckrevolution 1450 wurde bekämpft. Ihre Pioniere waren arabische Christen Großsyriens mit den Druckpressen in Klöstern ab 1706. Muslime folgten ab 1727 in Istanbul, 1821 in Bulaq bei Kairo. Spät kamen ihre Bücher und Presse.

Die Kluft reifte vor der Kolonisation. Präsident Erdoğan lastet heutige Zwiste den Briten und Franzosen vor 100 Jahren an (Araber beschuldigen oft „500 Jahre Osmanenjoch“). Er sollte die Achse Berlin-Istanbul prüfen: innere Misere, außen verstärkt. Kolonisation blieb vorgeschoben in Hamzas expansionistischer Opfertheorie. Osmanen waren als „glorreiche Weltbeherrscher“ imperial. Sie verfehlten den kreativen Zugang zur Moderne, motivierten aber durch Islamismus Genozid. Wie der „Islamstaat“, der einen starken Rückfall einleitet.

<emphasize>Wolfgang G. Schwanitz</emphasize>



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