Das verpönte Naturrecht kommt zurück. Die Grünen argumentieren wie die die katholische Kirche. Papst Johannes Paul II., Verfechter des Naturrechts, kommt wieder zum Zuge. Aber können Freiheit und Natur gegeneinander ausgespielt werden. Theologisch geht das nicht, denn die Freiheit gehört zur „Natur des Menschen“ und kann nicht von etwas, was unterhalb der Freiheit liegt, außer Kraft gesetzt werden. Dafür muss man die Freiheit angemessen verstehen. Da fehlt es bei der FDP.
Grüne wie FDP können nicht einfach nachgeben
Psychologisch gesehen müssen beide Seiten bei ihrem unbedingten Anspruch bleiben. Für die FDP ist die Freiheit nicht die der Regierung, sondern des Wählers. Symbol der Freiheit ist die Mobilität. Die Freiheit von FDP und CSU verbraucht allerdings viel Energie. Damit wir die Freiheit künftiger Generationen eingeengt. Denn in Zukunft löst die Natur ihr Recht ein. Denn wenn der mobile Mensch alle Kohlenstoffvorräte verbrennen würde, gäbe es einen Klimakollaps und damit keine Freiheit mehr. Aus der vom Menschen gemachten Erderwärmung folgt logisch der Abschied von Kohle und Öl. Aber ist der Preis, Einschränkung der Freiheit, nicht zu hoch? Die Freiheit sollte als höchster Wert nicht einfach übergangen werden. Wo wird da zu kurz gedacht?
Den Bürger vor Eingriffen des Staates schützen
Der Staat darf die Bürger nicht zwingen, vielmehr muss er für deren freie Entfaltung die Rahmenbedingungen optimieren. Je besser sich die Menschen entfalten können, desto besser laufen die Wirtschaft und damit die Steuereinnahmen. Auf dieser Wertekonfiguration basiert die Bundesrepublik. Ausbau der Verkehrswege und der digitalen Infrastruktur stehen deshalb im politischen Programm.
Dieses Entfaltungskonzept verbraucht zu viele Ressourcen. Die FDP kann wegen des individuellen Energieverbrauchs die Freiheit der Bürger jedoch nicht einschränken. Die Grünen können das problemlos. Sie wollen deshalb die politische Macht, um das über gesetzliche Vorschriften durchzusetzen, was die Autofahrer und Kraftwerksbetreiber nicht von selber tun. Die FDP kann nicht zulassen, den Staat dazu zu nutzen, den Bürgern etwas aufzuzwingen.
Vom Papst lernen
Die katholische Kirche hat denselben "Fehler" wie die Grünen auf einem anderen Themenfeld gemacht. Der jetzige Papst versucht das mit einer Rhetorik der Überzeugung und nicht des Verbots zu korrigieren. Anders als sein damaliger Vorgänger 1968, der mit einem Verbot der Pille antworte, als die Studentenbewegung die Selbstverwirklichung durch Sexualität propagierte. Die damals noch Neue Linke hatte die Unterdrückung der Sexualität als die entscheidende Programmierung für den autoritären Charakter ausgemacht. Ihre Schlussfolgerung: Je freier die Sexualität, desto weniger Unterstützung für ein autoritäres Regime.
Was hat der Vatikan damals falsch gemacht und was machen die Grünen heute falsch? Es geht nicht um die lebenslange Partnerschaft. Denn die katholische Kirche findet für dieses Konzept verbunden mit der Zielvorstellung einer Familie mit Kindern in Umfragen, die sie selbst gar nicht in Auftrag geben musste, hohe Zustimmungswerte. Wenn Sie dieses Konzept aber als zwingende Auflage "verkauft", dann verliert es seinen Charme und seinen Wert. Es ist dem damaligen päpstlichen Lehrschreiben "Humanae vitale" nicht gelungen, die katholische Konzeption als Entfaltung von Partnerschaft zu vermitteln und überzeugend darzulegen, dass die eigenen Kinder nicht als Hindernis, sondern als Entfaltung der individuellen Selbstverwirklichung gesehen werden. Der jetzige Papst spricht von "der Freude an der Familie". Warum nicht Freude am Elektroauto, an weniger Feinstaub, mehr Vogelgezwitscher und auch an Mückenstichen. Wenn die Grünen weniger verbissen wären und mit ihrer Kreativität nicht so sparsam umgingen, dann würden längst mehr Elektroautos unterwegs sein. Man wird sicher die Männer nicht so schnell aus ihren SUVs aussteigen sehen, jedoch wären die Frauen zu gewinnen.
Freiheit kann als oberster Wert nicht außer Kraft gesetzt werden
Die FDP hat Recht: Die Freiheit rangiert vor der Staatsraison. Sie ist überhaupt der höchste Wert und kann auch von Naturschutzanliegen nicht einfach ausgehebelt werden. Allerdings ist die Freiheitskonzeption der FDP noch pubertär. Je mehr Fernsehprogramme, je schneller das Auto, je mehr Internet, je weiter die Reisen, je höher die Unternehmensgewinne, desto größer die Freiheit. So darf sich ein Sechzehnjähriger die Zukunft ausmalen. Freiheit ist aber vor allem die Freiheit der anderen. Wenn wie in China der Autoverkehr zu einem Dauersmog führt, wird doch die Freiheit eingeschränkt, sogar die des Autofahrers. Denn da dieser wegen Atemnot nicht mehr zu Fuß sein Ziel erreichen kann, steigt er ins Auto. Nicht nur führt die FDP-Freiheit zur Beeinträchtigung der anderen, auch für das Internet hat sie keine Konzeption, wie die faktische Totalüberwachung außer Kraft gesetzt werden kann. Wie Sechzehnjährige halten die FDP-Politiker das für hinnehmbar, Hauptsache das Netz wird leistungsfähiger. Die FDP-Freiheit ist eine Sackgasse. Die Grünen müssen auf der anderen Seite lernen, ihre Optionen als Erweiterung und zumindest Sicherung von Freiheit zu vermitteln.
Wirtschaftlich gesehen wäre der Abschied von fossilen Enegieträgern ein Gewinn: Weniger Geld für Erdölimporte, weniger Waffenkäufe durch Persien und Saudi Arabien, der Krieg in Syrien könnte längst "ausgetrocknet" sein.
Ein Kommentar von Eckhard Bieger
Kommentare (1)