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Ein Mea culpa im interreligiösen Dialog?

(explizit.net) Konferenz in Dublin ruft zu gemeinsamem Handeln auf

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Der Theologe und Islamwissenschaftler an der renommierten Georgetown Universität in Washington D.C. Daniel Madigan hat kürzlich ein Mea culpa im interreligiösen Dialog gefordert. „Bislang zeigen wir uns nur unsere Ideale wie Exponate in einem Museum, die man nur anschauen und nicht berühren darf“, sagte er bei einer Ansprache in der irischen Hauptstadt Dublin vor Muslimen, Christen und Juden. „Wir sollten mit der Anerkennung unserer Fehler beginnen“, schlug der Australier vor. Es sei billig, von Gottes- und Nächstenliebe, ja gar von Feindesliebe zu sprechen. Ungleich mehr Mut verlange es, den Anderen gegenüber seine Fehler einzuräumen. Madigan ist aber überzeugt, dass nur zerknirschte Herzen einen Wandel hin zum Frieden bewirken könnten.

(explizit.net) Konferenz in Dublin ruft zu gemeinsamem Handeln auf

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Der Theologe und Islamwissenschaftler an der renommierten Georgetown Universität in Washington D.C. Daniel Madigan hat kürzlich ein Mea culpa im interreligiösen Dialog gefordert. „Bislang zeigen wir uns nur unsere Ideale wie Exponate in einem Museum, die man nur anschauen und nicht berühren darf“, sagte er bei einer Ansprache in der irischen Hauptstadt Dublin vor Muslimen, Christen und Juden. „Wir sollten mit der Anerkennung unserer Fehler beginnen“, schlug der Australier vor. Es sei billig, von Gottes- und Nächstenliebe, ja gar von Feindesliebe zu sprechen. Ungleich mehr Mut verlange es, den Anderen gegenüber seine Fehler einzuräumen. Madigan ist aber überzeugt, dass nur zerknirschte Herzen einen Wandel hin zum Frieden bewirken könnten.

Der Begründer des Instituts für die Erforschung von Religionen und Kulturen an der römischen Universität Gregoriana sprach im Rahmen einer Konferenz über die Erklärung „Ein Gemeinsames Wort zwischen uns und Euch“, die 405 muslimische Vertreter weltweit mittlerweile unterzeichnet haben. Das Schreiben von richteten zunächst 138 Islamgelehrte unterschiedlicher muslimischer Bekenntnisse 13. Oktober 2007 an alle obersten christlichen Würdenträger. Es ist ein einzigartiges Zeugnis innerislamischer Ökumene. Die Initiatoren legten darin die Liebe zu Gott und zum Nächsten als gemeinsame Grundlage zwischen ihnen und den Christen fest. Das Ziel ist nicht allein der feine akademische Dialog, sondern eigenen Angaben zufolge einen Anknüpfungspunkt für gemeinsame Friedensbemühungen zu schaffen: „Berichten zufolge machen Christen und Muslime über ein Drittel, respektive ein Fünftel der Erdbevölkerung aus, gemeinsam mehr als 55 Prozent der Weltbevölkerung, was das Verhältnis zwischen diesen beiden religiösen Gemeinschaften zum bedeutendsten Faktor in sinnvollen weltweiten friedensstiftenden Bemühungen macht“, heißt es darin.

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Das Schreiben verweist auf die Grundlagen der Gottes- und Nächstenliebe in Judentum, Christentum und Islam. Ein Eingeständnis von Fehlern als Zeichen der Reue hin zu Vergebung und Versöhnung, wie es Madigan in Dublin forderte, enthält es nicht. Voraussetzung, um dem Vorschlag des Islamwissenschaftlers überzeugend nachkommen zu können, wäre im Islam erst einmal ein einheitlicher Bewertungsmaßstab. Aktuell sitzen sich aber noch Befürworter einer historisch geschulten Neulektüre des Koran und Apologeten einer zeitlos gültigen wörtlichen Auslegung unversöhnlich gegenüber. Beide Parteien werden unweigerlich zu völlig unterschiedlichen Gewissensspiegeln kommen.

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Leider ist eine wörtliche Auslegung heiliger Schriften mit Risiken und Nebenwirkungen verbunden, einschließlich von Unterdrückung und Gewalt. Darauf wies erst jüngst wieder die deutsche Islamwissenschaftlerin Angelika Neuwirth hin. Dabei gibt es durchaus nachvollziehbare wissenschaftliche Erklärungen, warum grimmige Passagen Eingang in die jeweils für Muslime, Christen und Juden heiligen Schriften gefunden haben: Der amerikanische Islamforscher Rabbiner Reuven Firestone führt dies auf religionshistorische Ereignisse zurück. Jede Religion habe bei ihrer Geburt traumatisierende Erfahrungen gemacht.

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Keine Religion ist ex nihilo erschaffen worden“, betonte Firestone, der ebenso in Dublin sprach. Vielmehr sind sie jeweils in einem spezifischen politischen, sozialen und religiösen Kontext entstanden und als Bedrohung empfunden worden. Ihre Anhänger mussten sich in diesem Zusammenhang behaupten, um überleben zu können. Entsprechende persönliche Erfahrungen etwa führten nun einige Gläubige dazu, gerade die zornigen Stellen als Gottes Botschaft herauszugreifen. In jeder der drei Religionsgemeinschaften gebe es diesen Anteil derer, für die Nächstenliebe nicht zwangsläufig aus der Liebe zu Gott resultiere. „Wenn wir zu einem besseren Verständnis des Kräftespiels hinter ihrer Lesart gelangen, werden wir eher in der Lage sein, die Diskrepanz zwischen uns anzusprechen“, ist Firestone überzeugt. Innerhalb der Religionsgemeinschaften jedoch gelte es, für den Gedanken zu werben, dass Gottes- und Nächstenliebe zusammen gehörten, wie es das Schreiben der 405 postuliere.

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Einer der 138 ersten Unterzeichner ist der Cambridge-Dekan Timothy Winter, der ebenso in Dublin davor warnte, Ideologie oder Politik religiös zu verbrämen. Der Stachel, der ihn und die anderen Islamgelehrten antrieb, sei die Instrumentalisierung der Religion gewesen, wie sie sich in der Außenpolitik der Bush-Administration gezeigt habe. Wörtlich sprach er von „Religionisierung des außenpolitischen Diskurses“. Er betrachtet das Schreiben als „praktisches Manifest in einer zunehmend kalten und unnachbarschaftlichen Welt“. Religionisierung respektive Konfessionalisierung weltlicher Interessen sind noch im kollektiven Gedächtnis der irischen Gastgeber aus der Geschichte des Unabhängigkeitskriegs (1919 bis 1921) und seiner begleitenden Propaganda lebendig. Für sie gilt diesbezüglich: Nie wieder!

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Der Erzbischof von Dublin, Diarmuid Martin, stellte über die aktuelle Realität des Landes fest: „Vielen ist die Tatsache nicht bewusst, dass Irland heute besonders ein multi-religiöses Land ist.“ Inzwischen ist seinen Angaben zufolge ein Viertel der Einwohner nicht katholisch. Im internationalen Vergleich habe die Republik noch einen geringen Anteil an muslimischen Einwanderern. Die religiöse Demographie werde sich jedoch künftig sehr wandeln. Der Umgang mit der Tatsache berge Chancen und Risiken zugleich. Auf der Habenseite Irlands steht, in dieser Hinsicht aus politischen Fehlern europäischer Nachbarn lernen zu können. Martin warnte aber vor einer trügerischen Sicherheit. Ererbte Vorurteile und Missverständnisse könnten unmerklich und plötzlich ihr hässliches Gesicht erheben. „Es reicht nicht, friedlich in parallelen Welten zu leben und sich höflich bei öffentlichen Gelegenheiten zu begegnen, um zu zeigen, wie gut wir doch alle miteinander auskommen.“ Der Respekt vor religiösen Minderheiten solle nicht auf political correctness fußen, sondern auf den Geboten der je eigenen Glaubenstradition. „Unser Sinn für Spiritualität muss nicht bloß in der Lage sein, sich heutiger Realitäten anzupassen, sondern sie muss vielmehr die heutigen Denkmuster und Realitäten infrage stellen.“ Martin forderte zu einem gemeinsamen Zeugnis und gemeinsamem Handeln auf.

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<emphasize>Michaela Koller</emphasize>



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