Das Gottesbild ist anders
(explizit.net) Der Dialog mit dem Islam wird auf vielen Ebenen geführt, auch vom Vatikan selbst. Ziel des Dialogs, so hat es Benedikt XVI. in seiner letzten Weihnachtsansprache 2012 vor der römischen Kurie gesagt, ist nicht nur gegenseitiges Verstehen, sondern auch die Reinigung der eigenen Glaubensvorstellungen. Dabei findet der Dialog zwischen Partnern statt, die sich beide zu einem Gott bekennen. Wie aber sehen sie das Verhältnis zwischen Gott und Mensch:
Die Größe Gottes und die Größe des Menschen
„Gott ist am größten“ ist die Grundintuition des muslimischen Bekenntnisses. Vor dieser Größe kann der Mensch nur kleiner werden. Gott wird größer, wenn der Mensch kleiner wird.
Für das Christentum bestimmt sich das Verhältnis entgegengesetzt zur Vorstellung des Islam: Die Ehre Gottes ist der Mensch. Je mehr der Mensch seine Person entwickelt, desto mehr ist das im Sinne Gottes. Die Heiligen geben dieser Überzeugung Ausdruck. Das Christentum stimmt mit dem Islam darin überein, dass ohne Gottes Hilfe der Mensch nichts Gutes vermag. Diese Bedeutung, die der Mensch im Christentum gewinnt, ist einmal im Schöpfungsbericht verankert. Der Mensch ist Bild Gottes für alle Geschöpfe, er repräsentiert Gott gegenüber dem Kosmos. Wenn Gott selbst Mensch wird, dann wird diese Aussage nicht nur in Worten formuliert, sondern gewinnt eine ganz andere Realität. Aber gerade dieses Bekenntnis zu Jesus als dem Sohn Gottes gilt für den Islam als Haupthindernis gegenüber dem christlichen Glauben.
Gott, dem Menschen unerreichbar oder dem Menschen ganz nahe
Die Aussage des Neuen Testaments, Jesus sei nicht nur der verheißene Messias der Juden, sondern der Sohn Gottes, trennt Muslime und Christen. Für den Islam ist das eine Herabminderung Gottes. Wenn Gott Mensch geworden wäre, dann wäre er nicht mehr der alles überragende Gott, sondern zu wenig vom Menschen unterschieden. Das widerspricht der Größe Gottes.
Für die Christen liegt das Geheimnis gerade darin, dass der Sohn Gottes sich erniedrigt hat. Dies meditieren die Christen im Zeichen des Kreuzes. Für sie will Gott den Menschen möglichst nahe sein. Für die Muslime hat Gott deshalb gesprochen, damit die Menschen seinen Willen kennen und sich an die von ihm vorgegebene Ordnung halten. Für die Christen hat Gott nicht nur zu den Menschen gesprochen, sondern sich selbst mitgeteilt. Das zeigt sich auch in der unterschiedlichen Jenseitsvorstellung beider Religionen. Für die Muslime ist das Jenseits die Erfüllung der irdischen Wünsche, und somit eigentlich nur eine Fortsetzung des gottgefälligen Lebens auf dieser Erde. Für die Christen bedeutet das Ewige Leben erst einmal Verwandlung, der Himmel bedeutet, Mitglied einer neuen Gemeinschaft zu werden. In der Vorfreude auf diese neue Gemeinschaft leben die Christen heute und gestalten das Leben.
Ein weiterer Unterschied ist das Verständnis des Martyriums. Christen können nicht mit der Waffe in der Hand zu Märtyrern werden, Muslime schon, denn sie setzen sich entsprechend dem Willen Gottes ein, im Notfall auch kriegerisch. Wer allerdings auf die Tötung Unschuldiger aus ist, der kann islamischerseits nicht als Märtyrer gelten.
Die Christen werden mit dem Arianismus konfrontiert
Die Grundintuition des Islam ist ähnlich der der griechischen Intellektuellen, denen der Priester Arius im 4. Jahrhundert seine Stimme gegeben hat. Gott ist nicht mehr Gott, wenn er dem Geschaffenen zu nahe kommt. Das ist auch intellektuell die „sauberste Lösung“, wenn Gott in absoluter Differenz zu allem Nicht-Göttlichen gesehen wird. Vorbereitet war diese Strömung bereits durch die Gnosis, die auch von der griechischen Philosophie in dem Punkt inspiriert war, dass das Materielle den Geist mindert. Deshalb verkündeten die Gnostiker, Jesus habe nur einen Scheinleib gehabt. Die Konsequenz ist aber dann, dass Jesus nicht wirklich am Kreuz verendet ist. Dass die Kirche im Konzil von Nicäa 325 dieser Linie nicht gefolgt ist, die den damals geltenden intellektuellen Standards viel mehr entsprochen hätte als die Botschaft von dem Kind in der Krippe, liegt nicht allein an Überlegungen, die auf der Basis der griechischen Philosophie getätigt wurden. Die ganze Bibel, von der Berufung Abrahams an, zeigt, dass Gott den Menschen nahe sein will. Wäre die Kirche damals Arius gefolgt, hätte sie sich von beiden Teilen der Bibel verabschieden müssen.
Möglicherweise ist diese intellektuelle Strömung mit an der Entstehung des Korans beteiligt. Denn die Entscheidungen des Konzils wurden nur innerhalb des Römischen Reiches bekannt gemacht. Der Koran ist außerhalb dieses Reiches entstanden.
Die Christen sind sich auch nicht unbedingt der Tragweite bewusst, die in der Botschaft von der Menschwerdung liegt. Es gibt immer wieder die Tendenz, Gott in den Himmel zu verbannen und dem Menschen allein die Gestaltung der Welt zu überlassen. Auch die sog. Kirchennahen sind der Versuchung ausgesetzt, Menschen, das wären heute konkret die Gremien, würden die Kirche aufbauen und erhalten. Das ist die Idee der Aufklärung, dass Gott die Welt zwar erschaffen und mit allem Notwendigen ausgerüstet hat, so dass er sie ihrem Lauf überlassen kann. Das ist aber nicht die Überzeugung der Muslime. Sie gehen davon aus, dass Gott eine Vorstellung davon hat, wie die Welt zu gestalten ist. Davon wollen sie die Christen überzeugen.
Erwartungen, die sich mit dem Dialog verbinden
Da die muslimischen wie die christlichen Vertreter bei den Dialogtreffen von ihrer Glaubensposition überzeugt sind, sitzen sie nicht wie Religionswissenschaftler bei einem Symposion zusammen. Da würde auch kein Dialog entstehen, denn dieser setzt voraus, dass beide Seiten nicht gezwungen sind, ihre Standpunkte aufzugeben, sie also Standpunkte haben. Der erste Schritt ist dann, erst einmal die Glaubensüberzeugung des anderen kennenzulernen.
Die Muslime sind darüber hinaus überzeugt, dass sie die Christen davon abbringen müssen, dass die Dreifaltigkeit Gottes mit der Größe Gottes in Einklang gebracht werden könnte.
Und was können die Christen von einem Dialog erwarten? Sie hoffen, dass man sich in Sachfragen des Zusammenlebens einigt, dass man die Sicht des Anderen besser versteht und so auch den eigenen Glauben; sie dürfen auch mit der Hoffnung in den Dialog gehen, dass die Muslime in Jesus nicht nur einen Propheten, sondern den Erlöser der Menschheit erkennen. Aber selbst mit Menschen, die dies nicht anerkennen, lässt sich zusammenarbeiten: Es gibt ein breites Feld der Verständigung auf der Ebene der Gesellschaftslehre: Wir können unsere Werte teilen. Denn der Islam sieht seinen Auftrag auch gerade darin, eine von Gott gewollte, gerechte Gesellschaft aufzubauen. Dazu folgt ein eigener Beitrag, der auch die Scharia einordnet.
<emphasize>Der Beitrag entstand nach einem Gespräch mit Prof. Felix Körner S.J., der Professor an der Päpstlichen Universität Gregoriana und Mitglied der vatikanischen Dialog-Kommission ist.</emphasize>
<emphasize>Eckhard Bieger S.J.</emphasize>
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