Französische Könige, Kathedrale von Amien, explizit.net

Deutschland und die Frankreichwahl

Frankreich wählt anders als Deutschland, nämlich nicht mehr zwischen Links und Rechts, sondern zwischen Globalisierung oder Rückzug auf die Nation. Zwar gilt der Front National als rechts, ist es aber nicht in seinen sozialen Forderungen. Seine Anhänger kommen aus dem früheren Wählerreservoir der kommunistischen Partei.

Ob Brexit, die Wahl Trumps oder die Alternative Le PEN - Macron, es geht nicht mehr um die bisherige Sitzordnung im Parlament, wo eben die Linken links und die Rechten rechts sitzen. Wer in der Mitte Platz nehmen konnte, hatte bisher die Mehrheit. Die Sitzordnung wird vorerst bleiben, aber nicht die politische Zuordnung.

Nationale Selbstbestimmung

Das kapitalistische System will seine Absatzmärkte ausweiten und braucht dafür offene Grenzen und freien Austausch der Währungen. Ein Land prosperiert, wenn es mehr exportieren kann. Das verlangt weltweit konkurrierende Unternehmen. Öffnet es nämlich seine Grenzen, wächst der Konkurrenzdruck auf dem heimischen Markt, d.h. die Menschen kaufen Produkte von anderen Produktionsstandorten. Das ist das Problem in Russland, wo nicht nur das Straßenbild von ausländischen Automarken bestimmt ist, sondern auch die Haushalts- u.a. Geräte aus dem Ausland gekauft werden, weil man mit der Qualität der heimischen Hersteller nicht zufrieden ist. Ob in den USA oder Frankreich, die Industrieproduktion ist weiterhin auf den heimischen Markt ausgerichtet. Der Maschinenbau ist wie in England kaum entwickelt. Der Rückzug aus dem internationalen Güteraustausch scheint die Lösung für die zu bieten, die sich endgültig abgehängt fühlen, so in den ehemaligen Kohle- und Stahlregionen. 
Das französische Wahlsystem bindet die Kandidaten nicht so eng an eine Parteiorganisation wie noch in den USA und auch in England. Die Kandidaten, die bisher von dem linken bzw. rechten Lager ausgewählt und abwechselnd zum Wahlsieg geführt wurden, waren nicht mehr erfolgreich. Frankreich wählt mit Macron und Le Pen zwischen Globalisierung oder Rückzug hinter die eigenen Grenzen.

Unterschied zwischen Deutschland und Frankreich

Das Nachbarland war schon längst ein großer Wirtschaftsraum, als Deutschland noch durch Zollschranken zerstückelt war. Jeder deutsche Kleinstaat war für die aufkommende Industrie als Absatzgebiet zu klein, um die Preisvorteile der Massenproduktion ausspielen zu können. Deshalb war die Industrieproduktion nur in Verbindung mit Export möglich. War England im 19. Jahrhundert Vorreiter des industriellen Erfindungsgeistes, holte Deutschland langsam auf, auch wenn sein Export vielfältig behindert wurde. Inzwischen stellt der deutsche Exportüberschuss ein größeres psychologisches Problem dar als die Euroskepsis im eigenen Land, die durch die Rolle als Zahlmeister Europas im Inland den Globalisierungsgegnern Aufwind gegeben hat.

Der Exportüberschuss als Kreditproblem

Wenn Deutschland mehr exportiert als importiert, dann müssen andere Länder mit einem Importüberschuss Kredite aufnehmen, um das Defizit in der Leistungsbilanz auszugleichen. Dafür stehen Dollars zur Verfügung, der Schweizer Franken und zuerst einmal der EURO. Da deutsche Banken kein Monopol auf Euroanleihen haben, können sich andere Länder des Euroraums bei vielen Banken mit Krediten versorgen oder Anleihen ausgeben. Die Europäische Zentralbank garantiert diese Anleihen. Dort bei der Zentralbank entstehen dann die oft thematisierten Target II Salden. Das sind die „Kontostände“ der jeweiligen Nationalbanken bei der EZB. Deutschland, die Niederlande und Luxemburg haben Target II Guthaben im Bereich von hunderten von Milliarden; Ende März 2017 waren es 102 Mrd. Euro.

Die deutschen Wähler haben noch nicht mitbekommen, dass Ihnen der Exportüberschuss gar nichts nützt, wenn er nur über Kreditaufnahme anderer Länder finanziert wird; bzw. im Euro-Raum durch das „Anschreiben“ auf die Target II Salden. Auch die AFD scheint so wie der französische Front National zu denken. Abschottung, anstatt mit dem Exportüberschuss etwas Konstruktives anzufangen. Die FDP lässt nicht erkennen, dass sie eine für Deutschland vorteilhafte Schlussfolgerung aus dem Exportüberschuss zieht. Zwei Risiken seien benannt

Deutschland muss am Ende doch für Kredite einstehen:

Griechenland und andere hochverschuldete Staaten müssen am Ende gerettet werden, weil man nicht weiß, wie der Bankrott eines Euro-Landes sich auswirkt. Im Fall eines Austritts aus dem Euro-Raum muss das Land seine Target 2 Salden bei der EZB glatt stellen. Kann es das nicht, so haften die restlichen Staaten, in einem großen Anteil Deutschland, für die Begleichung dieser Salden 
Deutschland mindert oder täuscht sich über seine Exportchancen, wenn seine Exporte über Kredite fingiert werden. 
Es sollte, nicht zuletzt aus psychologischen Gründen mit dem Exportüberschuss operativ etwas gemacht werden:

  • Mehr Investitionen nicht nur in Billiglohn- sondern in Euroländern. Deutsche Firmen können nicht nur in China Produktionsstätten einrichten.
  • Mehr Kaufkraft in Deutschland, nicht durch höhere Löhne, weil das die Konkurrenzfähigkeit bedroht, sondern über Gewinnbeteiligung. Das kann durch eine entsprechende Gesetzgebung unterstützt werden.
  • Ausbau des Stiftungswesens, damit der Exportüberschuss nicht einseitig in den Konsum fließt. Bildungsmaßnahmen, Integrationsprojekte u.a. zukunftsorientierte Maßnahmen können steuerlich begünstigt werden.

Wenn Deutschland seinen Exportüberschuss gezielt, auch im Euroraum, investiert, stärkt es Europa. Durch mangelnde wirtschaftspolitische Phantasie werden nur die Bewegungen unterstützt, die auf nationale Abschottung setzen. 
Wenn die Analysen zutreffen, ist der Front National kein nur-französisches Phänomen.


Kategorie: Monatsthema

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