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Der Synodale Weg führt zur Kirche in der ehemaligen DDR

Die Energiekosten schlagen sich auch in den Kirchenaustritten nieder. 377.000 bei den evangelischen Landeskirchen. 2022 verzeichneten die Katholischen Bistümer 522.000. Hört das vielleicht erst bei 5% je Konfession auf? Die Bistümer in der früheren DDR hatten diese Situation. Der Westen kann jetzt deren Konzept übernehmen. Das liegt nahe, weil diese Kirche im Gesamt der Weltkirche pastoral rückständig ist.

Die Katholische Kirche in Deutschland darf ihre Beratungen am Samstag nicht abschließen. Sie muss weitermachen und sich 50:50 aus Ost und West zusammensetzen. Der Osten ist Vorreiter für eine Minderheitenkirche. Weiter sollten die Katholiken anderer Muttersprache dabei sein, damit Deutschland von ihren Kirchenerfahrungen profitiert.

Denn eine andere Organisation der Seelsorge legt sich auch deshalb nahe, weil die Katholiken von den vielen Glaubensgeschwistern aus anderen Ländern profitieren könnten. Die zukünftigen Priester werden nicht mehr aus Deutschland, sondern aus Afrika oder Indien kommen. Diese Christen von dort sind nicht eine so kompliziert und teuer verwaltete Kirche gewohnt. Die eigentlichen Themen liegen also noch unbearbeitet vor dem Synodalen Weg. Da wird es auch massive Probleme geben. Wer sorgt sich um die Hauptamtlichen, denen die Gläubigen immer mehr fehlen? Finanziell ist ein Einstellungsstopp bereits unvermeidlich. Noch gar nicht ist auf dem Schirm, dass in den Ballungsgebieten die Katholiken anderer Muttersprache zu einem großen Teil in Deutschland bleiben werden, weil sie aus dem Arbeitsprozess nicht mehr wegzudenken sind. Ohne sie wird es aus Deutschen sowieso nur noch eine Restkirche geben. Die ausländischen Priester kommen mit keinem Wort in der Vorlage über Priester vor.
Und was wird aus der Theologie. Die Bischöfe wollen den größeren Teil der Fakultäten und kirchlichen Hochschulen aufgeben. Ist deren Arbeitsauftrag erledigt? Vergleicht man das Konzil vor 65 Jahren mit dem Synodalen Weg, dann spielt Theologie jetzt keine signifikante Rolle, so dass ein Ansturm auf das Studium nicht zu erwarten ist. Also nicht nur Priester, sondern auch die Theologie aus dem Ausland holen? Der Synodale Weg wird noch richtig steinig. Eine ganze Kirche muss nicht nur im Gebäudemanagement, sondern in den Köpfen neu entworfen werden. Der Synodale Weg macht den 10. Schritt vor dem ersten. Denn ehe über Ämter, eine andere Machtverteilung u.a. Organisationsfragen entschieden wird, sollte den Beteiligten erst einmal klar sein, um welche Kirchenform es eigentlich geht. Es wird sich zeigen, dass das Pastoralkonzept der DDR-Kirche wichtige Elemente bereithält. Der legendäre Erfurter Bischof Aufderbeck wird dann als pastorales Genie von der Kirche der Bundesrepublik entdeckt werden. Ich hatte das Glück, ihn unter seinen Priestern erleben zu können.

Eine Minderheitenkirche braucht viel mehr persönliche Vernetzung

Kirche kann nicht mehr wie jetzt gedacht werden. Die deutsche Kirche kann sich bisher noch eine Verwaltung leisten, die über das Pfarrsystem Gebäude und Hauptamtliche zur Verfügung stellt, damit die Gläubigen zum Gottesdienst kommen, ihre Kinder taufen lassen und dann in den Kindergarten bringen können. Das Geld dafür wird bald nicht mehr da sein. Aber auch als Sozialmodell funktioniert die Pfarrei nicht mehr. Die Zugehörigkeit ist immer schwerer zu erleben. Als noch die Jugend- und die anderen Verbände einen großen Teil der Gläubigen in eine persönliche und verlässliche Beziehung zu anderen brachten, konnte man in seinen Glaubensüberzeugungen zwar unsicher werden, behielt aber über die Mitgliedschaft den Bezug zur Pfarrei. Diese persönliche Beziehungsebene gibt es noch, aber nur noch für wenige. Es sind diejenigen, die als Ehrenamtliche tituliert werden, nämlich die Aktiven, die mit den Hauptamtlichen das Pfarrleben organisieren. Da es der Menschentyp ist, der gerne für andere etwas macht, erfasst die jetzige Pfarrei nur noch diese kleine Gruppe persönlich. Es braucht jedoch ein Gemeindemodell, das die vielen anderen erreicht, die Gemeinschaft suchen. Diese wollen nicht unbedingt betreut werden, jedoch ihr Leben reflektieren, ihre Wertvorstellungen mit anderen leben und es in einen religiös geprägten Rahmen stellen. Da die Pfarrei zu anonym geworden ist und die Hauptamtlichen eben Amtspersonen sind und nicht wie ein Gruppenleiter „einer von uns ist“, sind die religiös und spirituell Suchenden in Yoga- u.a. Gruppen gewandert. Daher die düstere Prognose, dass die Reduktion erst bei 5% enden könnte, wenn nicht diejenigen erreicht werden, die das Religiöse ihrer Existenz mit anderen und nicht mit dem Bildschirm allein gestalten wollen. Wie sind die Bistümer in der DDR mit dem Problem fertig geworden, denn erstaunlicherweise gibt es dort noch Kirche.

Die Familienkreise in der früheren DDR

Ich konnte sowohl in der kommunistischen Zeit mit Kursen und nach der Wende mit Gottesdienstübertragungen die Pfarreien in Ost und West vergleichen. Im Osten kannten sich die Pfarrmitglieder besser und hatten eine stärkere religiöse Kultur ausgebildet. Das war in den Familienkreisen gewachsen. Diese bildeten das Rückgrat der Kirche. Sie waren bewusst initiiert, damit die wenigen Katholiken nicht in der Vereinzelung blieben, sondern gegenüber einer abweisenden, von einer Partei dominierten Kultur standhalten konnten. In einer abweisenden Kultur zu leben, ist auch die Situation der Christen in den alten Bundesländern geworden. Religion und mehr noch Kirche ist etwas, worüber man sich lustig machen kann. Das ist eine über mittlere Sich schärfere Waffe als die Stasi-Überwachung. Dazu braucht es Alternativen, die weltweit längst entwickelt sind. Was z.B. die afrikanische Kirche als pastorales Konzept praktiziert, wäre längst in den Diözesen des alten Westens zu fördern. Wenn die Bistümer wie die Orden sogar noch die spirituellen Ressourcen der Ökologiethematik aufgreifen würden, könnten Pfarreien auch Jüngere in solchen Gruppen versammeln. Ein Garten um die Kirche wäre ein naheliegender Ansatz. Diese Gruppen hätten als durchgehendes Thema die konkrete Gestaltung ihres Lebens, Unterstützung, nicht zuletzt in der Familienphase bei der Erziehung der Kinder. Die bisherige Strategie, über theologische Bildung solche "Kleinen christlichen Gemeinschaften" zu initiieren, scheint nicht der Ansatz zu sein, der noch in die Postmoderne passt. Zudem braucht das Standhalten eine kräftige Theologie.

Theologie in der früheren DDR

Zwischen West und Ost gibt es zwei verschiedene Muster der Auseinandersetzung. Im Westen läuft die Auseinandersetzung mit der Religion eher über den Stellenwert der Sexualität, den Konsum, die Liberalität. Die Mehrheit der Kirchenmitglieder wehrt deshalb die Forderungen der Kirche für die private Lebensführung ab. Der Synodale Weg sucht die Themen zu bereinigen, auch da anders als die Kirche in der DDR, nämlich durch Anpassung. Im Kommunismus lief die Auseinandersetzung auf weltanschaulicher Ebene und nicht mit der Gesellschaft, sondern mit einer Partei, die sich wie die beiden Kirchen im Westen immer mehr bürokratisiert hatte. Da waren die Kirchen nicht wie hier ein Goliath, sondern wie der kleine David, die mit der größeren Treffgenauigkeit die Lebensthemen der Menschen artikulieren konnte als die Partei. Auf der weltanschaulichen Ebene mussten die Katholiken sich nicht unterlegen fühlen. Die Schulbücher zum Dialektischen und Historischen Materialismus waren völlig unzureichend und mit einer primitiven Philosophie ausgestattet. Die theologische Hochschule in Erfurt war in einer wesentlich besseren intellektuellen Position als die Fakultäten im Westen. Der aus Evolutionsbiologie, Konsumismus, SUV und freiem Sex synthetisierte Lebensstil, mit den Ideen des Neoliberalismus erst richtig gewürzt, hat die Theologie nichts Kräftiges entgegenzusetzen und faktisch resigniert. Das kläglich intellektuelle Scheitern des Synodalen Weges ist die Folge einer Theologie, die den Zeitgeist nicht „in den Begriff“ bekommt und das Ganze dann Säkularisierung nennt. Wahrscheinlich braucht es neue theologische Werkstätten gegenüber einem Gegner, der keine Lehrbücher schreibt, sondern Konsum-Influencerinnen und Fußballspieler zu Leitfiguren macht.  

Mit viel weniger Geld und in Kleinen christlichen Gemeinschaften

Christian Hennecke hat sich auf der Welt umgesehen und als Organisationsmodell das gefunden, auf was man in der kommunistischen Gesellschaft ebenso gekommen ist. Ich habe die Chance, eine solche Gemeinde kennenzulernen. Sie versammelt von beiden Amerikas über Afrika und Asien Katholiken in englischer Sprache. Sie wird von einer Doppelspitze geleitet, hat kein Sekretariat, muss bis 13.00 warten, um in einer Kirche sonntags Gottesdienst zu feiern. Es ist die gleiche Emotionalität wir in einer Pfarrei im Osten. Nicht das Bistum sichert den Bestand der Gemeinde, sondern die Mitglieder wissen, dass es die Community nur gibt, wenn sie es selbst zustande bringen. Die meisten bleiben nach dem Gottesdienst und oft bringt jemand Kuchen, Getränke u.a. mit. Auch wenn ich „der Eucharistie vorstehe“, bin ich nicht der bestimmende Pfarrer. Als Ordenspriester kann ich mein Charisma einbringen, muss aber nicht die Gemeinde leiten. Das wird deshalb das Zukunftsmodell, weil im Aachener Bistum nur noch 7 Pfarreien übrigbleiben und in viele Großstädte schon alle Pfarreien zusammengelegt sind. Die Communities, in der sich die Menschen nicht mehr wie bisher zu einer Pfarrei nominell, sondern persönlich zugehörig fühlen, leiten sich selber. Die Großpfarrei sichert nur noch den organisatorischen Rahmen, das Gemeindeleben und das religiöse Leben liegt bei den Gruppen. Das so mühsam vom Synodalen Weg gewälzte Machtproblem verflüchtig sich und die Priester können aufatmen. Sie sind nicht mehr für alles verantwortlich. Der Priester könnten sogar auch einem Beruf nachgehen, z.B. als Religionslehrer und würde sonntags die Leitung der Liturgie übernehmen.

Der Ariktel ist abdruckfrei - gegen Belegexemplar

Wenn der Synodale Weg sich über die Zukunft der Kirche in Deutschland klarwerden will und aus dieser Minderheitenkirche die zukünftige Aufgabe der Priester ableiten will, ist das bei Christian Hennecke nachzulesen. Der große Vorteil seiner Texte: Sie sind nicht am Schreibtisch entstanden, sondern weltweit recherchiert, hier zusammengefasst Priester für Kleine christlichen Gemeinschaften  
Beiträge, meist kritische zum Synodalen Weg sind hier zusammengestellt: Synodaler Weg - Jesus wäre wohl kaum gekommen

Die tieferliegende Problematik ist das Erbe der Achtundsechziger - deren Marsch durch die Institutionen hat uns die erdückende Last der Verwaltungen beschert, die die Kirchen wie die Demokratie ersticken: Hier zum Beitrag:
Kirche wie Demokratie sterben an der Bestimmungsmacht der Verwaltungen


Kategorie: Kirche

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