(explizit.net) „Die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) verbreitet in Syrien und im Irak Angst und Schrecken.“ Das wollen die Krieger, aber unterschätzen wir nicht diese sunnitische Gruppe, die ja Produkt des syrischen Bürgerkrieges und des verfehlten irakischen Staates ist.
Der Eroberungskrieg zielt auf eine Staatsform, die kein Staat im westlichen Sinn sein und sich deshalb Kalifat nennt. Die Religion bietet die Basis und zugleich die Rechtsordnung dieses Staates. Die neue Einheit will wie die europäischen Mächte im 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts Rohstoffe. Deshalb der Angriff auf das kurdische Gebiet. Das die Türkei, die eigentlich zur Ordnungsmacht des Nahen Ostens aufsteigen wollte, zwischen die Fronten geraten ist, liegt daran, dass sie auf der einen Seite die Rebellen in Syrien unterstützt und zugleich einen Kurdenstaat unter allen Umständen verhindern will. Aus Kreisen der NGO’s ist folgende Einschätzung zu hören.
- <paragraph xmlns:tmp="http://ez.no/namespaces/ezpublish3/temporary/">Es entsteht ein StaatDie syrischen Rebellengruppen haben über Teile des Landes die Herrschaft übernommen. Sie haben jedoch keine staatlichen Strukturen aufbauen können. Es gibt weder eine gesundheitliche Versorgung noch eine Rechtsprechung. In den Berichten über den syrischen Bürgerkrieg wurde immer wieder erwähnt, dass der Westen einen verlässlichen Ansprechpartner sucht. Bisher sind keine Organisationen der Gegner al-Asads hervorgetreten, die für einen Neuanfang in Syrien stehen könnten. Die Erfahrungen mit Libyen machen die westlichen Regierungen vorsichtig, ob und wie sie die Rebellion unterstützen können. Der Anführer der Kämpfer, Abu Bakr al-Baghdadi, hat, offensichtlich unbemerkt von der internationalen Presse, einen Staat samt Kalifat gegründet, Finanzmittel wie militärische Ausrüstung beschafft und, da al-Asad wohl nicht so leicht zu stürzen ist, das Vakuum im Irak genutzt, das die schiitische Regierung gelassen hat, weil sie die sunnitische Bevölkerungsgruppen nicht in das Staatswesen eingebunden hat.</paragraph>
- <paragraph xmlns:tmp="http://ez.no/namespaces/ezpublish3/temporary/">Kein Warlord, sondern islamisches RechtIm Unterschied zu anderen Rebellengruppen scheint Abu Bakr al-Baghdadi seine Kämpfer auf einen strikten Islamismus verpflichtet zu haben und nicht als Warlord zu agieren, der jeweils Vorteile für sich und seine Gefolgsleute sucht, aber keine Rechtssicherheit schafft. Es scheint für die Menschen im Norden Syriens keine andere Alternative zu geben als dieses „Kalifat“, das zugleich die Sunniten vor den Benachteiligen im schiitisch geprägten Irak schützt. </paragraph>
- <paragraph xmlns:tmp="http://ez.no/namespaces/ezpublish3/temporary/">Der TerrorWarum dieses im Kern als Staat angetretene Kalifat nicht wie der Islam früher, Andersgläubigen einen gewissen Schutz gewährt, ist für die Gesprächspartner aus den NGO’s nicht erklärbar. Werden die Gewaltvideos im Westen als Darstellung der Brutalität des neuen Staates verstanden, zielen sie nach der NGO’s auf die Gewinnung junger Kämpfer, die gerade durch solche Darstellungen angezogen werden.</paragraph>
- <paragraph xmlns:tmp="http://ez.no/namespaces/ezpublish3/temporary/">Aushalten der GewaltDie meisten Syrer haben schon vor dem Auftauchen der ISIS-Kämpfer unerhörte Grausamkeiten beobachten und erleiden müssen. Darüber sprechen die Menschen nicht. Sie kämpfen für ihr Land bzw. ihr Volk und wollen überleben. Das erklärt, warum trotz der Steigerung der Gewalt der Krieg weiter geht. Syrien war mit seinen Geheimdiensten und dem brutalen Niederschlagen sunnitischer Revolten bereits ein Land, in dem Gewalt herrschte. Die Machthaber sind mit übermäßiger Gewalt gegen die Menschen vorgegangen, so dass sich schon vor dem Auftreten der ISIS-Kämpfer die Gewaltspirale nach oben drehte.</paragraph>
Die Berichte zeigen: so leicht wird es nicht sein, den sich als Kalifat bezeichnenden neuen Staat niederzuringen. Wenn es nicht gelingt, eine neue Ordnung für Syrien aufzubauen, wird dieser Staat wahrscheinlich Bestand haben. Die Gewalt, die er anwendet, ist durch das Regime al-Asads und den Bürgerkrieg im schlechten Sinne vorbereitet worden. Es scheint so, dass derjenige, der in den Rebellengebieten für Ordnung sorgt, noch brutaler sein muss als die Kämpfer der verschiedenen Gruppierungen.
<emphasize>Eckhard Bieger S.J.</emphasize>
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