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"Der Euro ist keine Sportsocke"

„Alternative für Deutschland“-Vertreter im Gespräch

(explizit.net)

„Früher oder später wird die Eurozone auseinanderbrechen“, sagt Dr. Christian Schmidt. Am Tag nach der Bundestagswahl hat explizit.net mit dem stellvertretenden Berliner Landesvorsitzenden der Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD) gesprochen. Es sei „unwirtschaftlich und unsinnig“ zu meinen, eine einzige Währung könne in 16 unterschiedlichen und komplexen Ökonomien, wie denen der Eurozone, funktionieren. Nur durch eine eigene Währung kämen die derzeit wirtschaftlich schwächeren Länder wieder auf eigene Beine.

„Alternative für Deutschland“-Vertreter im Gespräch

(explizit.net)

„Früher oder später wird die Eurozone auseinanderbrechen“, sagt Dr. Christian Schmidt. Am Tag nach der Bundestagswahl hat explizit.net mit dem stellvertretenden Berliner Landesvorsitzenden der Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD) gesprochen. Es sei „unwirtschaftlich und unsinnig“ zu meinen, eine einzige Währung könne in 16 unterschiedlichen und komplexen Ökonomien, wie denen der Eurozone, funktionieren. Nur durch eine eigene Währung kämen die derzeit wirtschaftlich schwächeren Länder wieder auf eigene Beine.

Der Ökonom und Unternehmer Christian Schmidt, Jahrgang 1953, arbeitete vor Beginn seiner politischen Aktivitäten jahrzehntelang für multilaterale Finanzinstitutionen, wie die Weltbank, die Europäische Investitionsbank und die Osteuropabank. Im März dieses Jahres wechselten größere Teile des Berliner Landesverbandes der ‚Freien Wähler‘ unter seiner Führung zur AfD. Bei der Bundestagswahl am vergangenen Sonntag scheiterte die AfD nur knapp an der 5 Prozent-Hürde.

explizit.net: Herr Dr. Schmidt, Ihr Parteivorsitzender Bernd Lucke hat am Wahlabend von einer „Entartung der Demokratie“ gesprochen und sich damit wohl in der Wortwahl vergriffen. Anscheinend wollte er damit sagen, die Politik der letzten vier Jahre sei für die Demokratie problematisch gewesen. Andere Vertreter, zum Beispiel Claudia Roth von den Bündnisgrünen sagte heute Morgen, die AfD habe nichts mit Demokratie zu tun. Wer hat denn nun recht oder was ist falsch?

Dr. Christian Schmidt: Ich stimme zu: „Entartung“ ist ein Fehlbegriff, der im Deutschen geschichtlich schlecht besetzt ist, insofern hätte man ihn nicht nutzen sollen. Andererseits glaube ich, dass das Auftreten einer Partei, die erst sechs Monate alt ist und fast in den Bundestag gekommen wäre eine Bereicherung für die Demokratie ist – und nicht genau das Gegenteil. Insofern ist es nur willkommen, dass unsere Konstitution es zulässt, dass neue Formierungen relativ schnell so entspannt zu einer solchen Tragweite führen können und das Parteiensystem ordentlich durchrütteln können.

‚Die AfD will zur D-Mark zurück, denn 4,7 Prozent wären in D-Mark noch 9,4 Prozent gewesen‘ – Das konnte man am Sonntagabend in den sozialen Netzwerken lesen – Wie enttäuscht sind Sie, dass Sie nicht in den Bundestag gekommen sind? Und wird die AfD außerhalb des Bundestages nun wieder als Randpartei in der Versenkung verschwinden?

Die AfD wird nicht in der Versenkung verschwinden. Auf der Pressekonferenz wurde heute (Montagmittag) bekannt gegeben, dass wir auf jeden Fall zur Europawahl in sieben Monaten antreten werden. Der Prozess der Konsolidierung auf den einzelnen Landesebenen läuft weiter. Ich sehe auch keine große Austrittswelle, sondern nach wie vor sind alle mit Feuer und Flamme dabei. Es ist seit dem zweiten Weltkrieg keiner Partei gelungen, auch nicht den Grünen seinerzeit, von null auf hundert beim ersten Anlauf mit so vielen Prozentpunkten anzutreten. Das ist okay und es gibt immer noch eine zweite Chance. Da es bei der Europawahl keine 5 Prozent-Hürde gibt, sind wir da ziemlich sicher drin.

<emphasize>- „Das eigentlich traurige Resultat ist: wenn sich AfD und Freie Wähler (FW) die Bälle zugespielt hätten, wären wir bequem mit gemeinsamen Prozenten in den Bundestag kommen können.“ -</emphasize>

Die Enttäuschung gestern war zunächst vorhanden, das will ich nicht verheimlichen, zumal es Anfang des Jahres Überlegungen gegeben hatte, sich mit den Freien Wählern (FW) nicht auseinander zu dividieren. Bernd Lucke war in diesem Frühjahr noch auf der FW Landesliste in Niedersachsen auf Platz 3 bei der Landtagswahl angetreten. Die wenigen Stimmen, die die Freien Wähler dort bekamen, haben immerhin dazu geführt, dass Herr McAllister von der CDU nicht mehr Ministerpräsident blieb. Auch ich persönlich hatte versucht, mit den Freien Wählern auf oberster Ebene zu verhindern, dass wir uns auseinander dividieren. Wenn es dabei geblieben wäre, dass sich die Freien Wähler auf Landes- und Kommunalebene und die AfD auf Bundes- und Europaebene sich die Bälle zugespielt und sich gegenseitig unterstützt hätten, dann hätte das eine Prozent, das die Freien Wähler gestern bekommen haben, bequem ausgereicht, um gemeinsam mit unseren 4,7 Prozent jetzt in den Bundestag zu kommen. Das ist das eigentlich traurige Resultat an der ganzen Sache.

Trotzdem scheint Optimismus zu herrschen. Ihr Berliner Landesvorsitzender Brinker sagte gestern Abend mit Blick auf die nächste Bundestagswahl: „Wir werden bei acht Prozent liegen.“ Sehen Sie das auch so optimistisch?

Ich persönlich bin nicht ganz so optimistisch, da sich vor allem nach der Europawahl zeigen muss, ob es gelingt, in einzelnen kommenden Landtagswahlen in Brandenburg, Thüringen und Sachsen mit einem Euro-Thema erfolgreich zu sein, und ob es gelingt, auch andere Themen der Länderpolitik auf unsere Inhalte zu trimmen beziehungsweise unsere Inhalte dort auch interessant zu machen. Die müssten erst erarbeitet werden, weil sich bisher mehr oder weniger alles hinter dem Euro versammelt. Es gibt natürlich ein paar andere Punkte: Energie, Familienpolitik, Einwanderung und Elemente direkter Demokratie. Erst dann wird sich mittel- bis langfristig zeigen, ob die Partei sich auch auf Länderebene stabilisieren kann und in vier Jahren tatsächlich noch so enthusiastisch am Ball sein kann wie sie heute ist.

Im Johannesevangelium sagt der Hohepriester zum Hohen Rat:„Es ist besser für euch, wenn ein einziger Mensch für das Volk stirbt, als wenn das ganze Volk zugrunde geht.“ (Joh 11,50) – Das ist die Argumentation des Hohen Rates, um Jesus hinzurichten. Ist das auch das AfD-Konzept: einige Länder auszuschließen, damit deren Misere nicht auch Deutschland kaputt macht?

Es geht nicht darum, dass Deutschland kaputt geht, sondern dass die Länder selber kaputt gehen. Deutschland könnte sich wahrscheinlich auf Dauer leisten, die Länder zu alimentieren, aber es ist nicht gesund, ein Land auf Dauer an den Büttel und an die Halteleine eines Gebers zu hängen, wenn es auch gleichzeitig möglich wäre, sich durch eine eigene Währung unabhängig zu machen und durch die daraus resultierenden Abwertung wieder auf eigene wirtschaftliche Beine zu kommen. Es hat so etwas in der Geschichte der modernen Ökonomie noch nie gegeben, dass sich eine Gruppierung von Ländern mit einer einheitlichen Währung mittel-bis langfristig gehalten hat.

<emphasize>- „ ‚Eine Größe passt jedem‘ – das geht vielleicht bei Sportsocken, aber nicht bei einer Währung in so komplexen und unterschiedlichen Ökonomien“ -</emphasize>

Ich denke da an Kenia, Uganda und Tansania, die mit einer gemeinsamen Währungszone reüssieren wollten und komplett scheiterten als auch an den Versuch der westafrikanischen Länder, der sogenannten CFA-Zone. Beides ist kaputt gegangen. Es wird auf Dauer ohnehin in der Eurozone keinen Zusammenhalt geben. Früher oder später wird sie auseinanderbrechen, da es für die Länder unwirtschaftlich und unsinnig ist, sich da zusammenzuraufen nach dem Motto: „One size fits all“. Das geht möglicherweise mit Sportsocken, aber nicht mit einem Euro, der in so komplexen und unterschiedlichen Ökonomien als Zahlungsmittel vorhanden sein soll.

In Deutschland scheint Ihr Kurs einen guten Prozentsatz der Wähler zu begeistern. Aber wie sieht das in der gesamten Eurozone aus? Stehen Sie mit Ihren Vorschlägen nicht auf verlorenem Posten in Europa? Haben Sie nicht manchmal die Befürchtung, dass Sie der Geisterfahrer sind, der meint, dass ihm lauter Geisterfahrer entgegenkommen?

Im Moment haben die anderen Euroländer noch ein Benefit von der Euro-Politik, da sie von Deutschland alimentiert werden. Die sogenannten Targetsalden in Frankfurt bei der EZB sind riesig. Irgendwann müssen die auch mal bezahlt werden. Dann wird sich herausstellen, wer der eigentlich Verlierer ist, nämlich Deutschland. Solange wir die anderen Ländern immer noch mit neuen Rettungsschirmen, die übrigens den Maastricht-Vertrag brechen, über Wasser halten, wird sich keines von ihnen besonders anstrengen, um auf eigene Füße zu kommen. Insofern sind wir nicht Geisterfahrer in eine Richtung, sondern ökonomische Vernunft.

Beweist das Wahlergebnis der Bundestagswahl, dass die Aussage von Frau Merkel stimmt: „Die letzten vier Jahre waren gut“? Können wir nun die Hände in den Schoß legen und der Mutti vertrauen, dass es mit einer so großen Mehrheit der Union in den nächsten Jahren alles noch viel besser wird? Zu welcher Koalition würden Sie Frau Merkel jetzt raten?

Ich sehe noch gar nicht ganz genau, dass Merkel tatsächlich Bundeskanzlerin wird. Es wird garantiert schwer sein, eine Koalition mit den Grünen zu bilden. Die haben schon gesagt, dass es mit Leuten wie der CSU innerhalb des Verbundes sicherlich nichts wird. Da sehe ich auch ganz wenige Schnittmengen. Was die SPD betrifft, wird es möglicherweise an der Euro-Frage scheitern. Die SPD hat von vorneherein gesagt: es muss Eurobonds geben und es muss eine Verschuldungslösung geben, dass die gesamte Schuld Europas vergemeinschaftet wird. Das ist für Merkel bisher ein No-Go.

<emphasize>- „Die AfD hätte an jede zukünftige Koalition die Forderung, dass es in der Europolitik zur Vernunft kommt, aber ich glaube, unsere Frage wird unter den Teppich gekehrt werden.“ -</emphasize>

Sie hat zwar in der letzten Zeit gezeigt, was die Politik der Energiefrage und der Bundeswehr angeht, dass sie sich in ganz kurzer Zeit um 180 Grad drehen kann. Aber ich glaube, bei den Koalitionsverhandlungen wird es relativ kritisch werden, sodass wir am Ende vielleicht doch gar nicht Frau Merkel als Bundeskanzlerin haben werden, sondern eher eine rot-rot-grüne Koalition - auch wenn sich die drei Partner im Moment noch sehr bedeckt halten. Wir selbst als AfD hätten natürlich die Forderung an jede zukünftige Koalition, dass es in der Europolitik zur Vernunft kommt, aber das sehe ich weder bei einer großen Koalition noch bei einer schwarz-grünen und erst recht nicht bei einer rot-rot-grünen Koalition. Ich glaube, unsere Frage wird unter den Teppich weiterhin gekehrt und wird von den Koalitionen nicht angegangen werden.

Sie sind selbst noch nicht lange in der Politik, auch Ihre Partei die AfD gibt es erst seit einem knappen halben Jahr. Was motiviert Sie persönlich, Politik zu machen, und den Kurs der Rettung der Eurozone voranzutreiben und welchen Erfahrungen bringen Sie mit?

Ich habe in meiner beruflichen Karriere in ganz unterschiedlichen Kontinenten viele Länder in der Wirtschaftspolitik beraten – als Vertreter von internationalen Finanzinstitutionen, die diese Länder mit Krediten versorgt haben. Aus dieser Erfahrung und Verantwortung heraus war es für mich, der vorher nie politisch aktiv war, einfach eine Frage des Verantwortungsgefühls, dass man hier an einer Stelle eingreifen muss, die tatsächlich durch zu viel Unkenntnis noch besteht.

<emphasize>- „Helmut Kohl hat gemerkt, dass das ins Abseits führen könnte, aber er hat sich von Mitterand breitschlagen lassen“ -</emphasize>

Man darf nicht vergessen, dass der Euro nur entstanden ist, weil seinerzeit Herr Mitterand Helmut Kohl abgerungen hat, diesen Euro einzuführen, im Ausgleich dafür, dass Deutschland wiedervereinigt wird. Schon Kohl, der nicht unbedingt ein hoher ökonomischer Verfechter war oder sehr viel von Ökonomie wusste, merkte und wusste schon, dass das möglicherweise ins Abseits führen würde. Er hat sich aber dennoch breitschlagen lassen. Wir haben die Resultate gesehen: man kann nicht 16 Länder in eine Eurozone führen. Das kann auf Dauer nur schaden, und zwar allen Ländern. Deswegen werde ich weitermachen – und wenn es nur dadurch ist, dass wir versuchen im Europäischen Parlament auf uns aufmerksam zu machen. Die Tatsache, dass der Euro für viele der 16 Länder falsch ist, die bleibt bestehen – egal, wie diese Wahl ausgegangen ist. Für diese Verantwortung und für diesen Inhalt, dass man sich darüber auch weiterhin in der Zukunft Gedanken macht, dafür stehe ich weiter und werde weiter dafür kämpfen.

Die Fragen stellte Matthias Alexander Schmidt für explizit.net



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