Welcher Wahnsinn treibt eigentlich die Leute, die glauben, die sozialen Netzwerke ersetzten bald die gewohnten Nachrichtenmedien wie Tageszeitung, Radio und Fernsehen? Ersetzen würde voraussetzen, dass etwas durch etwas anderes gleichwertig ausgetauscht würde. Facebook Co ersetzen nichts, sie lösen das Miteinander ab, das persönlich genommen werden könnte.
Es sprach der Häuptling der Indianer Wiglaf Droste: „Das Unpersönliche nehme ich persönlich, bin jedoch im Einzelfall nicht versöhnlich.“ Digital ist nicht analog. Wer miteinander spricht, der scheint schon jenseits von Kommunikation zu sein. Man gehört zur großen Kommunikationsgemeinschaft, wenn man sich in seiner Ruhe ständig von irgendwelchen Nachrichten stören lässt. Doch was lässt sich noch persönlich nehmen, wenn Meinungen und abgesabberte Äußerungen bei Facebook, Twitter und WhatsApp geschrieben werden?
Denkt jemand nach und übergibt seine Überlegungen dem digitalen Raubtier, dann kann es Stürme geben, die nur noch einen Rückzug als Reaktion erlauben. So ein Shitstorm walzt platt, was als Meinung, Gedanke, Überlegung erst eine kleine Pflanze war. Die Antwort kommt als Reflex, denn jede Sekunde Nachdenken würde die Teilhabe an diesem Pseudoentrüsten vereiteln. Eine Diskussion gibt es nicht und wenn es sie geben sollte, dann muss sie rein und unkritisch sein, nur keine Experimente. Dann lassen die Politiker von der SPD, den Grünen den AfD-Mann Junge ausladen, er darf nicht mit in die schöne Runde des SWR, es soll ja eine sachliche Diskussion werden. Sachlichkeit ist schon lange nicht mehr die Sache der Politiker. Wichtig ist: Keine Äußerung über die Lippen kommen lassen, die einen Shitstorm auslösen könnte, dafür aber glattgebügelte Sinnlossprüche, denen der digitale Schwarm folgt.
Strategie digital, statt Diskurs analog
Peter Boudgoust, der beim SWR als Intendant verantwortlich für das Zugeständnis an die Politiker ist, erklärt digital verwirrt dann auch noch: „Ich sehe meine Aufgabe vor allem darin, strategische Weichen zu stellen. Der SWR und der öffentlich-rechtliche Rundfunk insgesamt muss für alle Nutzer unverzichtbar bleiben.“ Man lerne, es geht um Strategie. Inhalte und ein Diskurs sind nicht gewollt. Oder der Intendant an die Arbeitsplätze gedacht, was man gerne tut, wenn irgendetwas totgeschlagen werden soll. Lieber Waffen exportieren, um zu töten, als hier im Lande Arbeitsplätze riskieren. Der SWR hat keine Menschen getötet, sondern den freien Meinungsaustausch, aber dafür haben jetzt einige Rechtsanwälte ihr Salär für die nächsten Wochen gesichert, denn der AfD-Mann hat nach den Worten von Hans-Jürgen Papier, dem langjährigen Präsidenten des Verfassungsgerichts, gute Chancen für das Einklagen eines Auftritts beim SWR.
Man kann nicht zurück!
Wie sehr die Digitalisierung unser gesellschaftliches Miteinander verändert hat, das ahnen wir erst. Kritiker werden ermahnt, dass ein Aussteigen gar nicht möglich sei. Das führt zur Frage: Gibt es ein richtiges Leben im Digitalen? Wobei die Frage eigentlich schon falsch gestellt ist, denn Leben ist analog und nicht digital. Diskurs und Meinungsaustausch haben ihren Sinn verloren, wenn es nicht auch zum Streit kommen darf. Da nehme ich es dem anderen persönlich übel, dass er mich nicht ausreden lässt, Unwahrheiten als Argumente anführt oder mich durch suggestive Fragen vorführen will. Es muss gestritten werden, damit man sich wieder versöhnen kann. Und es nicht die Frage, ob man aus der Entwicklung aussteigen kann, sondern ob man die Aussage eines anderen auch persönlich nehmen kann. Ein solcher Disput ist eine analoge Begegnung ohne virtuelle Anteile. Weg von der digitalen Vorherrschaft und dem digitalen Überbau! Mehr analog als digital bedeutet nicht, die technische Entwicklung durch ein Reset auf den Ursprungszustand zu katapultieren. Es bedeutet, weniger darüber nachdenken, wie man in der digitalen Welt mithalten kann, sondern mehr analog in Beziehung zu treten, denn zur Not kann man da einem anderen auch mal gegen das Schienbein treten.
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