England kann nicht aus der gemeinsamen Kultur Europas herausgelöst werden
England kann sich tatsächlich weltweit behaupten, nicht unbedingt wirtschaftlich, aber mit anderen Ressourcen. Sein größter Exportartikel ist die Sprache. Englisch wird in Australien, Neuseeland, in Indien, Pakistan, Bangladesch, in den USA, Kanada und vielen afrikanischen Staaten gesprochen. In der EU ist nicht mehr die frühere Sprache der Diplomatie, das Französische die von den meisten verstandene, vielmehr ist es das Englische. Das gilt für den Flugverkehr und die digitale Welt. Je jünger die Gesprächspartner, desto selbstverständlicher ist die Verständigung in dieser Sprache. Ganz egal wo man in Europa unterwegs ist, mit Englisch kann man sich überall verständigen. Von der großen Fastfood Kette in Madrid bis zum kleinen Traditionsbäckerei in Krakau. Die englische Sprache gehört mittlerweile in ganz Europa auf den Lehrplan. Um Shakespeare kommt man auf den Weg zum Abitur auch nicht mehrherum. Doch auch von der Sprache einmal abgesehen, ist Großbritannien in Europa allgegenwärtig. Der Union Jack ist beliebtes Modemotiv. Harry Potter erfreut sich seit nun mehr zwanzig Jahren fast gleichbleibender, globaler Beliebtheit. In den Radio ist täglich Ed Sheeran zuhören und auch Hits von Take That und den Rolling Stones sind nach wie vor Ohrwürmer. In diesem Jahr sind gleich vier britische Filme für den wichtigsten Filmpreis nominiert und die Liste ließe sich endlos weiterführen. Großbritanniens Einfluss auf die europäische Kultur ist unverkennbar. Englands Beitrag zu Europa ist es allerdings auch nicht, was in Frage gestellt wird. Was das Land spaltet ist die Frage, wie sehr Europa in Großbritannien zu spüren ist. Außer im Zuge der Brexit-Debatten würde wohl kein Brite auf die Idee kommen, die EU-Flagge als Fashionaccessoire auf dem Regenschirm oder Shirt zu tragen. Man müsste auf der ganzen Insel nach einem einzigen Kino suchen, dass Filme aus Deutschland oder Polen Filme zeigt und würde doch keinen Erfolg haben. Kein britischer Radiosender spielt die neusten Hits von Helene Fischer. Ein Europa ohne Großbritannien ist für uns Kontinentaleuropäer undenkbar. In Dover schaut man jedoch lieber landeinwärts anstatt auf die andere Seite des Ärmelkanals.
Das Land der modernen Technologie
England ist das Mutterland der Industrie, die Dampfmaschine wurde zum Antrieb vieler Industrieanlagen. Die Forschung und die Universitäten des Landes werden weiter international vernetzt und im europäischen Verbund ihren Beitrag leisten.
England gehört auch mit seinem Parlamentarismus zur Kultur Europas. Würde man die englischen Teile aus dem Gesamten Europas herausbrechen, würde ein Trümmerhaufen zurückblieben.
Internationale Wirtschaftsbeziehungen
Es gibt auch keine Alternative für die wirtschaftliche Kooperation. Zwischen China, den USA und der EU wird England allein kaum eine Chance haben. Es muss Kooperationen eingehen. Kann man sich vorstellen, dass es der 51. Staat oder wie Puerto Rico ein Anhängsel der USA wird?
Eine enge Partnerschaft mit Russland wäre noch die Alternative, die europäisch wäre. Aber ist die englische Industrie stark genug, um die Defizite Russlands auszugleichen.
Wenn China die ehemalige englische Kronkolonie Hongkong als Muster nutzen würde, um England zu einer Insel für den Sprung nach Europa zu machen, dann müsste das Land in eine Zollunion mit der EU einwilligen. China wird nicht auf der Insel investieren, wenn es für die Belieferung der Länder der EU hohe Zollschranken überwinden müsste. Es bleibt nur eine Wiederbelebung des Commonwealth mit Kanada, Australien, Neuseeland, Indien, Pakistan und den englischsprachigen Staaten Afrikas. Aber für die ist die EU interessanter.
Die Kultur ist entscheidend
Für alle Staaten wird deutlich: Die wirtschaftlichen Beziehungen sind nicht die tragenden Netze Dafür sind die Wirtschaft und vor allem das Finanzsystem zu anfällig. Es ist die Kultur mit ihren Vorstellungen von geglücktem Leben, von Wegen der Entscheidungsfindung und Konfliktlösung, mit ihren tragenden Erzählungen. Auf dem Wertefundament der Kultur fußen das Rechtssystem, die sozialen wie die politischen Institutionen.
Sieht man den Brexit nicht von seinen wirtschaftlichen Folgen her, sondern geht vom Anteil Englands an den tragenden Fundamenten Europas aus, dann bräuchte es Generationen, bis alles herausoperiert wäre, was von der Insel herkommt. Europa kann sich nicht von England trennen. England wird sich der gemeinsamen kulturellen Überzeugungen mit dem Kontinent bald wieder deutlicher bewusst werden.
Der Autor dankt Kerstin Barton für wichtige Ergänzungen
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Russland besinnt sich auf seine Kultur – in Abgrenzung vom Westen
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