Es war eine hakelige Beziehung zwischen England und dem Kontinent. Von Anfang an wurde gefeilscht. Zum Vergleich: Ständige Auseinandersetzungen zermürben eine Ehe. Dann noch die Rivalität Frankreichs, die wohl bis auf den Hundertjährigen Krieg zurückgeht. England und Europa, es ist wie bei einem Ehepaar, das nie das gemeinsame Schlafzimmer bezogen hat. Der Brexit macht England zum Juniorpartner der USA
Es begann schon 1950 mit der Montanunion
Es war die Idee eines französischen Beamten Jean Monnet, die der damalige französische Außenminister Robert Schumann am 9. Mai 1950 proklamierte. Indem die einzelnen Länder ihre Kohle- und Stahlindustrie der Luxemburger Behörde unterstellten, sollte ein neuer Rüstungswettlauf unterbunden werden. Obwohl Deutschland von den Beneluxländern, Frankreich und Italien erstmalig als gleichberechtigter Partner anerkannt und die auch nach 1949 weitergeführte Kontrolle des Ruhrgebiets durch die Siegermächte vom Tisch war, stellten sich sowohl Ludwig Erhard wie die sog. Stahlbarone dagegen. Die Politik entschied anders, England folgte der Einladung nicht. Da mit dem Montanvertrag auch Zollfreiheit für Kohle und Stahl vereinbart wurde, konnte sich die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft und aus dieser dann die Europäische Union entwickeln.
Das zentrale Thema "Selbständigkeit"
Bleibt man Erklärungsmodell "Ehe", dann ist der Streit ums Haushaltsgeld nur ein Symptom für mangelnden Ehewillen. Der wurde bei dem Montanvertrag schon deutlich. England schloss sich nicht an, weil es keine Hoheitsrechte an die Luxemburger Behörde abgeben wollte. Natürlich gibt man in einer Ehe einen Teil seiner Selbständigkeit auf. Aber doch nicht, um sich selbst zu beschneiden, sondern um gemeinsam mehr unternehmen und vor allem Kinder haben zu können. Jedes Familientreffen macht deutlich: Die Paare mit Kindern haben es nicht leichter, aber lebendiger, vor allem mit den Enkeln, da ja deren Eltern die Hauptverantwortung übernommen haben.
Die Konsequenzen - Verlust an Macht in der EU
Da England nie richtig eingestiegen ist, kann es die Erfolge der EU nicht auf seine Fahnen schreiben und auch diese nicht genießen. Es war ja dann auch nicht England, das den "Halbstarken" Tsipras zur Räson gebracht hat, nachdem seine Onkels sich und ihre Klientel aus dem Konto der EU-GmbH reichlich versorgt hatten. Im Vergleich waren die Zugeständnisse, die Thatcher und ihre Nachfolger für Zahlungen aus der EU-Kasse durchgesetzt hatten, nur spärliche Rinnsale. Wenn man nicht wirklich Einfluss in Europa hat, dann will man auch nicht zahlen. Die andere Seite der Medaille: Wenn man nicht in die eigene Tasche greifen will, dann hat man auch nicht wirklich etwas in die Waagschale zu werfen. England ist im Streit um das "Haushaltsgeld" stecken geblieben. Im Vergleich zu einer Ehe hieße das, dass das Eigenheim eben Sache des Partners ist, der den Kredit aufgenommen und sich stark genug gefühlt hat, diesen auch abzubezahlen. Wenn die Konflikte zunehmen, dann zieht eben der aus, der den Kredit nicht abzahlen will. Die Konsequenz für England ist noch härter. Im Kampf um die Nachfolge Camerons geht es nicht zuletzt darum, wer der geschäftsführenden Gesellschafterin der EU-GmbH gewachsen ist. Die Demütigung ist noch größer als die Niederlage gegen Island. Junker ist ja nur Geschäftsführer, Merkel diejenige, die jetzt England die Bedingungen diktieren wird. Das Land wird wirtschaftlich nicht so viele Nachteile hinnehmen müssen, aber der Finanzplatz London ist hin. Es ist ganz im deutschen Interesse, den Finanzplatz London entmachten. Nicht alles muss nach Frankfurt ziehen, aber die Kontrolle über die Geldströme sollte in den Euroraum gezogen werden. die Gelder, die die EU an englische Universitäten bisher für Spitzenforschung hat fließen lassen, können im übrigen Europa auch gut gebraucht werden. nicht mehr.
England muss sich den USA anschließen, Europa verlegt seinen Schwerpunkt nach Osten
Dem Duo Frankreich - Deutschland redet jetzt niemand mehr rein und das ganze Europa verschiebt sich nach Osten. In der Ukraine und nicht zuletzt in Russland liegt die Zukunft Europas. Unter den drei Außenministern, die in Kiew die Absetzung des Präsidenten Janukowytsch einleiteten, war der Dritte nicht der englische, sondern der polnische Minister.
Ob England von seinen privilegierten Beziehungen zu den USA so profitieren kann wie früher, hängt ja davon ab, ob der neue Präsident, die neue Präsidentin weiter den pazifischen Raum zum Hauptinteressengebiet der USA sehen oder wieder den Atlantik zum zentralen Meer machen wird. Die EU wird ihren eigenen Weg in dem Verhältnis zu Russland suchen können. Die Kraft, es mit Russland aufzunehmen, setzt ein geeintes Europa voraus. Europa sollte sich nicht zum Gehilfen der US-Politik gegenüber Russland machen, England bleibt nichts anderes übrig.
Ohne England kann Europa eine Datenschutzstrategie entwickeln
England spielt mit USA bei der Überwachung der Daten das gleiche Spiel. Die Kabel, die den europäischen Datenverkehr auf amerikanische Server leiten, werden schon mal in England angezapft. Nimmt man noch die laxe Gesetzgebung in Irland hinzu, dann sind die beiden Inselstaaten das größte Hemmnis, Datenschutzrichtlinien nach europäischem Werteverständnis durchzusetzen. Wenn England mit dem Brexit notwendig zu einem Satelliten der USA wird, dann ist es doch für die Unabhängigkeit Europas ein Vorteil, wenn das Land in europäischen Interessen nicht mehr mit entscheiden kann.
Für England stehen weitere Konsequenzen auf dem Abwicklungsplan:
Abschied von den Gräbern
Anders als z.B. Spanien hat England seine Soldaten in die meisten europäischen Kriege geschickt. Vom Siebenjährigen Krieg wie von den Kämpfen gegen Napoleon gibt es keine Soldatenfriedhöfe mehr, wohl aber aus den Weltkriegen des 20. Jahrhunderts. England war wichtig, wer es an seiner Seite hatte, so das Preußen Friedrich d.Gr. und dann später die Koalition gegen Napoleon, hatte am Ende den Gegner niedergerungen. Gleiches gilt für die beiden Weltkriege. Warum lässt die ältere Generation der Briten die Gräber zurück und warum ein Europa, das die inneren Kriege überwunden hat?
Die jungen Briten
Wer Englisch kann, ist in Europa zu Hause. Dieses funktionierende Esperanto lässt eigentlich Engländer überall zu Hause sein. Sie sind sozusagen schon da, wo die Altersgenossen aller anderen Sprachfamilien noch hinkommen müssen und inzwischen weithin schon sind. So können sich die jungen Ukrainer bereits englisch verständigen, wenn sie klug sind, lernen sie auch Deutsch. Nicht erst die Wahlanalysen zum Brexit zeigen, dass die jungen Briten in Europa zu Hause sind. Man trifft sie ja schon überall. Sie werden Europa fehlen. Deshalb sollten bei allen Überlegungen die Zukunft, und das sind für Europa die europäisch denkenden und fühlenden Jungen, an erster Stelle stehen.
England muss sich an die USA anlehnen. Gewinnt es, wenn es Angela Merkel gegen Donald Trump austauscht?
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