Er hat viele, so auch den Autor dieses Nachrufs, theologisch begleitet. Mitschriften seiner Vorlesungen wanderten Bereits in den sechziger Jahren durch andere Fakultäten. Er war schon in jungen Jahren als Theologe nicht nur von Studenten gefragt. In Bonn Professor geworden, nahm der legendäre Kölner Kardinal Frings ihn als seinen persönlichen Berater mit zum Konzil. Theologe ist er auf dem Papststuhl geblieben. Auf einmal wollten die Deutschen sein erstes Buch über Jesus lesen. Es lag in Stapeln sogar in der Bahnhofsbuchhandlung. So wurde er zum Erfolgsautor. Seine leichte Sprache, die ihn vom begriffsschweren Nachdenken Karl Rahners und anderen unterscheidet, verbindet sich mit seiner Vorliebe für Mozart zu einem freundlichen Bild. Seine Einführung in den Glauben wird weiter viel gelesen. Mir hat das schmale Bändchen „Tochter Sion“ die Gestalt Marias neu erschlossen. Tröstlich ist seine Eschatologie zu lesen, in der nicht der richtende Gott, sondern der Erlösende erkennbar wird.
Neue Synthese des Katholischen
Wer seine Schriften gelesen und sein zurückhaltendes Auftreten verfolgt hat, wundert sich über das Image des Panzergenerals, des düsteren Repräsentanten der „heiligen Inquisition“, bis hin zu dem Verdacht, er könne das Konzil rückgängig machen. Das ist die Reaktion der weiter Vorwärtsdrängenden auf seine Entscheidung, sich von den Entwicklungen der marxistisch inspirierten Studentenrevolte zu distanzieren, mit der sich der kirchliche Aufbruch nach dem Konzil vermischt hatte.
Er wechselte aus dem turbulenten Tübingen in das ruhigere Regensburg, seine Herkunftsdiözese. Eine neue Synthese des Katholischen fand er mit seiner theologischen Arbeit für die nachrückenden Jahrgänge allerdings nicht, wohl konnten viel mehr Menschen mit seiner Theologie etwas anfangen als ihm seine Kritiker zutrauten. Das zeigte sich an einer Sendung mit ihm, die den höchsten Zuspruch von den Produktionen der Kirchenredaktion erhielt.
Panzergeneral?
Der polnische Papst setzte auf ihn, ernannte ihn zum Erzbischof von München und dann zum Präfekten der Glaubenskongregation. Für die deutschen Professorenkollegen eine Provokation, einer von ihnen könnte über ihre Lehre bestimmen. Das blieb im Raum stehen, ohne dass es zu einem größeren Konflikt gekommen wäre. Das Image des Panzergenerals, so ein Kenner der Szene, erhielt er durch den zweiten Mann seines päpstlichen Ministeriums, den Salesianer-Pater Bertone, den er als Papst zum Kardinalstaatssekretär erhob. Diese Wahl nannte sogar Kardinal Meisner eine Fehlentscheidung.
Die Herausforderung seines Amtes als Leiter des Vatikanischen Grundsatzreferates und dann als Papst war der sexuelle Missbrauch. Hier hat er entschieden Position bezogen, einige Altfälle, wie den des Gründers der Legionäre Christi, aufgearbeitet und die Regelungen für die ganze Kirche verschärft. Hier zeigt sich, dass er nicht der Konservative war, der deshalb nicht durchgegriffen hätte, weil es dem Image der Kirche schaden könnte, sondern der die Opfer im Blick hatte und sich mit diesen auch getroffen hat; ein Beispiel, dem nur ein Teil der Bischöfe gefolgt ist.
Ambivalentes Verhältnis zu Deutschland
Sein Verhältnis zu Deutschland bzw. das Verhältnis der Deutschen zu einem deutschen Papst blieb schwankend, von der Überschrift, der ihm vorher schon zugetanen Bild-Zeitung „Wir sind Papst“, dem Zuspruch der Jugend beim Weltjugendtag in Köln 2005 und seiner eigenen Skepsis, die gegenüber seiner Herkunftskirche blieb. Mit den deutschen Bischöfen kam es zu er merklichen Distanz, als er sich bei einem Deutschlandbesuch ablehnend zur Kirchensteuer äußerte. Allerdings auch der polnische Papst, über viele Jahre von der begeisterten Zustimmung seiner Landsleute getragen, war am Ende seines Pontifikates von Polen nicht mehr so begeistert, hatte sich doch Konsumfreude an die Stelle nationaler und kirchlicher Begeisterung geschoben. Kaum registriert wurden die Reisen Benedikts XVI. in die säkularisierten Länder Großbritannien und Tschechien. Hier gewann er Respekt und dann Hochachtung durch seine Ansprachen, ebenso durch die im Bundestag 2011.
In die Geschichte eingegangen ist er durch seinen Rücktritt und dass er das Papstamt wirklich in die Hände seines Nachfolgers übergeben hat.
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