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Aus jungen Männern werden Jünger

Zwei Jünger des Johannes treffen auf Jesus. Sie fragen: «Wo wohnst du?» Jesus nimmt sie mit. Diese beiden Jünger spüren etwas Neues. Sie haben einen Vorgeschmack auf das bekommen, was sie in Ewigkeit erwartet. Sie sind Jesus näher gekommen.

Jesus spricht: «Kommt und seht!» Kommen und sehen – darum geht es in der Begegnung mit Jesus. Eines der erstaunlichsten Phänomene in den Evangelien ist der Blick. Der Blick eines Menschen verrät nicht nur etwas über die Person, die er sieht. Der Blick verrät vor allem etwas über die Person, die betrachtet. Blicke haben eine Bedeutung. Nicht umsonst findet Meditation mit Hilfe von Betrachtungen statt: Bildbetrachtung, Schriftbetrachtung, selbst Musik kann man betrachten. Und davon hängt Bedeutung ab: Betrachte ich die Bibel als bloßes Zeitdokument oder betrachte ich sie als Heilige Schrift. Wer die Bibel als ein naturwissenschaftliches Handbuch betrachtet, der geht auf jeden Fall falsch damit um. Er hat den falschen Blick. Für jeden Sachverhalt gibt es einen richtigen Blick. Und der wichtigste Sachverhalt sind Personen, Menschen aus Fleisch und Blut. Und darum geht es hier. Der Evangelist Johannes will unseren Blick schärfen. Es gibt drei Blickarten: der Blick des Täufers, der Blick der Jünger, der Blick Jesu.

In der Liturgie blicken wir mit den Augen des Täufers  

Jesus geht an Johannes vorbei. Was sieht er? «Seht, das Lamm Gottes!» Der Täufer trifft sozusagen ins Schwarze. Er erkennt zwei Momente zugleich: Bei diesem Menschen handelt es sich nicht um irgendeinen, sondern um Gott im Menschen. Er ist der größere, der das Menschsein übersteigt, weil er der größte überhaupt ist, nämlich Gott. Und er erkennt Jesus als das Lamm. Das Lamm wurde beim Auszug aus Ägypten geschlachtet und so das Symbol für den leidenden Messias, den Gottesknecht, dessen Leben ausgelöscht werden wird, als Tausch, als Lösegeld, um die verlorene Menschheit aus der Knechtschaft in das gelobte Land zu führen, um die wahre Freiheit der Kinder Gottes zu bringen. Johannes erkennt sofort: das wird am Kreuz enden. Dieser Mensch wird mehr tun als alle anderen, denn er ist Gott. So wie das Lamm die Speise der Israeliten war, um aus Ägypten auszuziehen, so wird er selbst zur Speise der Erlösten.
Die Kirchen des Ostens nennen den Herren der Eucharistie in seiner Brotgestalt Lamm. In der Liturgie nehmen wir den Blick des Täufers an: Wir sehen nicht nur Brot, sondern das Lamm Gottes. Daher sprechen wir auch das Agnus Dei zum Brechen des Brotes. Dieses Lamm wurde am Kreuzaltar zerbrochen. Es ist das gleiche Lamm, von dem am Ende, in der Geheimen Offenbarung des Johannes die Rede ist. Er sieht Jesus vom Himmel mehr.

 

Jesus erkennen lernen

Die beiden Jünger sehen Jesus, doch sie sind noch nicht so weit wie der Täufer. Sie sehen Jesus und rufen ihn Rabbi an. Noch sehen sie ihn nicht als Messias. Eine wichtige Person, ja. Aber die wichtigste? Nein. Vielleicht wäre es zu schön um wahr zu sein, die Wirklichkeit zu kühn. Doch dann, am Ende des Tages, wissen sie: Er ist es wirklich. Kneif mich! Er ist es wirklich. Sie haben nicht irgendjemanden gefunden, sondern den Messias, den Herrn.
Diese beiden Jünger sind das Muster für alle Jüngerschaft. Sie kommen von einem, der Jesus richtig gesehen hat und sein bestes gab, dies seinen Schülern zu vermitteln. Doch sie sehen noch nicht so gut. Taufe, Kommunion, Firmung. Wer hat nicht etwas von Jesus gehört und hält ihn nicht für einen „tollen Typen“, für ein Ideal, für einen Großen der Geschichte, für einen Rabbi? Doch dann: Eine Begegnung mit ihm. Er lädt ein zu seiner Wohnung. «Und sie blieben jenen Tag bei ihm.» Das ist das entscheidende. Wer seine Wohnung gefunden hat und bei Jesus ruht, der entdeckt das entscheidende. Dann wandelt sich der Blick. Er ist mehr als ein toller Typ, ein Ideal, einer der Großen, ein Rabbi. Er ist mein Licht und mein Heil. Er ist die Erfüllung aller Hoffnung. Er ist der Retter, der Herr.
In der Kirche gibt es oft Menschen, die wie die beiden Jünger eine vage Ahnung haben von Jesus. Wie viele warten auf die Begegnung mit Jesus? Und das sagt etwas über den Blick auf die Christen um uns herum aus: Nicht abschreiben, sondern zu Jesus führen. Sie halten ihn für jemanden. Er ist nicht egal. Aber er ist noch nicht Nummer Eins. Der Blick heißt nicht Verachtung oder ähnliches, sondern Sehnsucht nach vorne. Auf dass sie erkennen: Er ist der Messias, der Herr.

Was wollen wir eigentlich?

Der dritte Blick: Jesus selbst. Er blickt zwei Male. Zuerst bemerkt er die Jünger und schaut sie an. Und er fragt: «Was wollt ihr?» Jesus übertölpelt nicht. Er stülpt nichts über. Er übergibt an die Jünger und damit an uns. Sein Wunsch ist es, alles zu geben, was gebraucht wird. Ganz egal wer fragt. Er fragt uns! Das Problem liegt nicht auf Gottes Seite. Wir müssen das Herz an unsere Brust legen und fragen: Was sollen wir eigentlich erbitten? Das ist die wichtigste Frage! Was wollen wir eigentlich? – Die Jünger hatten den richtigen Riecher: «Wo wohnst du?» Wie oft wissen wir nicht, worum wir bitten sollen! Mit der Antwort der Jünger gehen wir definitiv nicht falsch. Und Paulus spricht uns sogar zu, dass der Heilige Geist für uns eintritt, wenn wir nicht wissen, worum wir bitten sollen. Es ist ja ein langes Thema: «Auf den ersten Blick» haben wir viele Sorgen und Bitten, die wir mit Freude vor Gott bringen. Doch im Angesicht Jesu zerrinnen unsere Sorgen und Bitten häufig als irrelevant. Wir bitten gerne um Plunder, den wir gar nicht brauchen, ja, der uns eher von Gott wegführt als zu ihm hin. Bitten ist in der Tat eines der schwierigeren Themen des Christen.

Der Meister erkennt, was im Jünger steckt

Beim zweiten Mal schaut Jesus auf Simon. Er blickt ihn an und gibt ihm einen neuen Namen. Das ist ein höchst merkwürdiger Vorgang. Jesus hat ihn ihm etwas gesehen, was sonst keiner gesehen hat. Ein Name gibt an, wer jemand ist. Er gibt Simon einen neuen Namen und damit ein neues «Wer». Von nun an ist er Simon Petrus, der Fels. Der Blick Jesu verändert den Menschen. Der von Gott angeschaute Mensch bekommt ein erneuertes, größeres Dasein. Gewiss, er bleibt Simon, aber er wird auch mehr als Simon. Und diese Erhebung, diese Veränderung seiner Existenz kann jeder erleben, der sich von Jesus anblicken lässt.


Kategorie: Kirche

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