Ihm ist der Atem ausgegangen. Die Lunge war sein empfindliches Organ, er hatte nur noch einen Lungenflügel. Welchen Atem hat er in die Welt gebracht? Freude am Evangelium heißt seine erste Enzyklika. Die Enzyklika zur Pariser 2015 beginnt nicht mit dem Bedrohlichen, sondern mit dem Wort Lob, Laudatio si, Lob der Schöpfung. Die Synoden, die er einberief, hat er von Vortrags- zu Zuhör-Seminaren umgeformt. Die Teilnehmer mussten sich gegenseitig zuhören, nicht, was der andere denkt, sondern was er erlebt hat. Bei der Familiensynode erzählten sich die Sprachgruppen ihre persönliche Familiengeschichte. Das gab dem Ganzen eine größere Nähe zur Wirklichkeit als wenn das Ideal einer christlichen Familie nicht auf die Realität hin beschworen, sondern, wie so oft, im Himmel der Ideen hinterlegt wird.
Sein letztes großes Werk galt dem Atem des Heiligen Geistes. Er hatte die Verantwortung für eine Institution übernommen. Der Auftrag der Kardinäle war die Entmachtung der vatikanischen Ministerien. Auslöser war der Diebstahl von Schriftstücken vom Schreibtisch von Papst Benedikt XVI. durch Bestechung des Kammerdieners, dem der damalige Papst eigentlich hätte vertrauen müssen. Die Kardinäle der Weltkirche konnten sich durch dieses Versagen der römischen Kollegen mit dem Argument durchsetzen: Warum kann ein Kardinal in Rom mir Vorschriften machen, wie ich mein Amt ausübe? Er hat diese Umorientierung anders als erwartet gemacht.
In jedem Bistum, vor allem wenn die Verwaltung wie in Deutschland, über viel Geld verfügt, würde eine Reform nicht wie die des Papstes angegangen. Es würde der Verwaltung die Aufgabe gestellt, sich selbst zu mehr Service und weniger Vorschriften hinzuentwickeln. Bei einem solchen Ansinnen käme nur mehr Verwaltung heraus. Der Papst setzte ein Gremium aus Kardinälen der Weltkirche ein, das in mehreren Sitzungen einen Reformvorschlag entwickelte. Damit rückt das Ministerium für Soziales an die erste Stelle. Weiter begrenzte er die Zeit für die Tätigkeit auf fünf Jahre. Die Beamten der vatikanischen Kongregationen, so werden die Ministerien benannt, kommen seit Paul VI. aus den Diözesen der Weltkirche. Die Leitung des Dikasteriums für die Ordensleute, ein anderer Begriff für ein vatikanisches Ministerium sowie Verwaltung des Vatikanstaates, hat er jeweils einer Frau anvertraut.
Als erster Papst aus der Dritten Welt hat er den Blick der Armen auf die Kirche gerichtet. Das entspricht der Entwicklung der Katholischen Kirche. Während sie in Europa mit immer größeren Geschwindigkeiten an Relevanz verliert, wächst sie in Asien und Afrika. Sie ist Hoffnung der Armen, so in Indien der Kastenlosen.
Auf das schwierige Amt ist Franziskus in seinem Orden vorbereitet worden. Mit 37 Jahren wurde er Provinzial in Zeiten der Militärdiktatur, sozusagen der Bischof der Ordensgemeinschaft. Die argentinische Provinz war finanziell in einem desolaten Zustand, obwohl das Land solide aus dem Zweiten Weltkrieg hervorgegangen war, weil es mit seinen Exporterlösen keine Waffen produzieren musste.
Nach seiner Zeit als Provinzial war er bei einem Teil der Mitglieder nicht wohl gelitten. In einer Zeit des Laissez-faire stand er für die strikte Anwendung der Vorgaben des Ordensgründers. Er wurde zu einer einfachen Tätigkeit in die Provinzstadt Córdoba abgeschoben. Papst Johannes Paul II. hat ihn auf den Bischofsstuhl der Hauptstadt berufen. Er wurde zum Sprecher der lateinamerikanischen Bischofskonferenz, CELAM. Diese Erprobungen seiner Leitungskunst gaben ihm die Sicherheit, den Dialog mit anderen Kirchen und Religionen zu intensivieren und das schwierige Thema Sexualität sowie neue Partnerschaften Geschiedener anzugehen. Obwohl er kein „Liberaler“ war, war der Petersplatz am Mittwochvormittag immer voll von Menschen aus der ganzen Welt. So vielfältig wie vom ersten Pfingstfest in der Apostelgeschichte wird berichtet, sein Lächeln wirkte belebend, sobald er im Papamobil durch die Reihen fuhr. Jetzt blickt er lächelnd auf seine Kirche. Ein anderer wird den Hirtenstab jetzt übernehmen, ob dieser die Reformansätze von Papst Franziskus aufgreifen oder wieder zurückfahren wird, wird sich dann zeigen …
Lesetipps zum 12. Pontifikatsjubiläum von Papst Franziskus von Chefredakteur Christian Schnaubelt:
https://explizit.net/kirche/artikel/12-jahre-papst-franziskus-ein-blick-zurueck-teil-1/
https://explizit.net/kirche/artikel/12-jahre-papst-franziskus-ein-blick-zurueck-teil-2/
Dr. Eckhard Bieger SJ
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