1. Herr Andres, Sie nehmen aus der Perspektive der jungen Katholik:innen am Jubiläum der Synodalen Teams in Rom teil. Was sind Ihre Erwartungen / Forderungen / Hoffnungen an den weiteren synodalen Prozess in der Weltkirche, aber auch in Deutschland?
Wir nehmen wahr, dass auch Papst Leo den Weg zu einer synodaleren Kirche weitergehen will. Das begrüßen wir sehr. Wir sind davon überzeugt, dass die Zeichen der Zeit wahrgenommen, anerkannt und für die Zukunft der Kirche gedeutet werden müssen. Für uns als BDKJ bedeutet Synodalität nicht nur zuzuhören oder Dialogrunden zu veranstalten, sondern echte Beteiligung aller Gläubigen an der Weiterentwicklung der Kirche. Für uns geht es dabei insbesondere auch um die Beteiligung von Lai*innen und vor allen jungen Menschen. Dabei darf es eben nicht nur beim Reden bleiben, sondern es muss Macht und Verantwortung geteilt werden und mehr Menschen, besonders Lai*innen und auch junge Menschen, müssen aktiv mitentscheiden können. Hier wird es sicherlich auch Unterschiede in den Ortskirchen geben. In Deutschland haben wir eine lange Tradition an Gremien, die bisher überwiegend beraten haben. Hier wünschen wir uns in Zukunft mehr Verantwortung und die Möglichkeit, auch die Entscheidung gemeinsam zu treffen. Dies sind Wünsche und Hoffnungen, die ich auch von Menschen aus anderen Ortskirchen wahrgenommen habe.
2. Der BDKJ hat in einer Stellungnahme in dieser Woche "echte Teilhabe" junger Menschen "in der Politik, wie auch in der Kirche" gefordert. Wie sollte diese aus Ihrer Sicht aussehen? Und was sind die Forderungen der katholischen Jugend in den deutschsprachigen Ländern und den USA, die sich in Rom getroffen haben.
Wir erleben oft, sowohl in der Politik als auch in der Kirche, dass mehr über junge Menschen gesprochen wird als mit ihnen. Das muss sich ändern. In den Jugendverbänden, aber auch schon an vielen anderen Orten, übernehmen junge Menschen ganz selbstverständlich Verantwortung und haben die Möglichkeit, nicht nur zu beraten, sondern Entscheidungen zu treffen und sie dann umzusetzen. Sie sind bereit, das auch in der Kirche zu tun. Daher sollten Verantwortungsträger*innen in Kirche aktiv auf junge Menschen zugehen und sie einladen, in Zukunft gemeinsam Verantwortung zu tragen und gemeinsam zu entscheiden. Ich erlebe hier im Austausch mit Vertreter*innen aus der ganzen Welt, dass diese Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung nicht nur in Deutschland der Fall ist, sondern auch an vielen anderen Orten.
Für die Forderung, dass junge Menschen beteiligt werden müssen, dass also mit ihnen und nicht nur über sie gesprochen wird, erlebe ich hier viel Zuspruch, unabhängig von Alter und Herkunft meiner Gesprächspartner*innen. Vereinzelt nehmen an synodalen Prozessen auch heute schon junge Menschen teil, aber es müssen noch deutlich mehr sein. Sie sind Gegenwart und Zukunft unserer Kirche, das muss sich auch an der Beteiligung in Entscheidungsprozessen zeigen.
Auch wenn man auf inhaltliche Themen schaut, gibt es oft Gemeinsamkeiten. Der Einsatz für die Gleichberechtigung aller Geschlechter, das Teilen von Macht in der Kirche und auch die konsequente Aufarbeitung sexualisierter Gewalt sind keine Erwartungen, die nur junge Menschen in Deutschland an die Kirche haben, sondern die auch an anderen Orten der Weltkirche gefordert werden. Neben diesen Gemeinsamkeiten zeigen mir die Tage in Rom aber auch: Es braucht in den Ortskirchen unterschiedliche Lösungen und auch unterschiedliche Geschwindigkeiten. Unsere Kirche ist sehr vielfältig, das sollten wir als eine unserer Stärken ernst nehmen.
3. Fühlen Sie durch das Jubiläum der Synodalen Teams und der Begegnung mit Papst Leo XIV. eher Rückenwind oder eher Gegenwind in der Frage der Teilhabe junger Menschen an der Mitgestaltung der (kath.) Kirche und was nehmen Sie davon mit zurück nach Deutschland?
Ich nehme sehr viele Eindrücke aus Rom mit nach Deutschland. Ermutigend war zu hören, dass viele Menschen aus allen Kontinenten Veränderungen in der Kirche wünschen. Viele teilen die Themen, die wir auch in Deutschland diskutieren, und wünschen sich einen Fortschritt.
Ich habe auch erlebt, dass Papst Leo realistisch auf die Herausforderungen schaut, die wir auf unserem Weg zu einer synodaleren Kirche zu meistern haben. Mir scheint es wichtig, gemeinsam darauf zu schauen, wie dies gelingen kann. Dabei ist es wertvoll, verschiedene Perspektiven zu berücksichtigen und viele Stimmen zu hören und voneinander zu lernen, so wie wir es in diesen Tagen in Rom schon begonnen haben.
In vielen Gesprächen ist mir hier die Sorge begegnet, dass wir als Kirche in Deutschland Synodalität „überdemokratisiert" verstehen würden. Hier müssen wir weiterhin dafür werben, dass synodale Prozesse nur dann gelingen, wenn sie eine gute Verbindung aus geistlichen und demokratischen Elementen schaffen. Es geht nicht um politisches Taktieren, sondern um die Suche nach Konsens, nach Ergebnissen, die alle im Blick haben.
In den letzten Tagen habe ich es wieder einmal erlebt, wie bereichernd es ist, mit Menschen aus verschiedenen Kontexten in den Austausch zu kommen, einander zuzuhören, voneinander zu lernen, zu diskutieren und gemeinsam nach Wegen in eine gute Zukunft zu suchen. Als Kirche müssen wir ein Ort sein, wo Menschen sich ohne Angst einbringen können und so verschiedene Perspektiven und Expertisen in den Entscheidungen berücksichtigt werden können. Diese Vielfalt in den Prozessen sicherzustellen ist und bleibt eine Herausforderung, aber es lohnt sich immer wieder, sich ihr zu stellen.
Für die Zukunft wünsche ich mir, dass mehr, v. a. auch junge Menschen, so positive Erfahrungen mit der Kirche und im Dialog mit unterschiedlichen Menschen aus aller Welt machen können und so mehr von der Vielfalt unserer Kirche erleben können.
Volker Andres ist Bundesvorsitzender des BDKJ. Der BDKJ ist Dachverband von 17 katholischen Jugendverbänden mit rund 660.000 Mitgliedern. Er vertritt die Interessen von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Kirche, Staat und Gesellschaft.
Das Interview führte Christian Schnaubelt, Chefredakteur und Herausgeber der Portale explizit.net und kath.de.
Foto aus Rom: BDKJ-Bundesstelle
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