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Abendmahl braucht Kirche

Können Protestanten bei einer Fronleichnamsprozession mitgehen? Können Katholiken in einem protestantischen Gottesdienst das Abendmahl empfangen? Die Hürde wollen die Kirchen in Deutschland nehmen. Warum ist das so schwierig? Eine sozialpsychologische Analyse erklärt die Schwierigkeiten vielleicht besser als das theologische Gespräch.

Fronleichnam heißt, dass der in der Hostie gegenwärtige Christus segnend durch Straßen und Felder getragen wird. Die konsekrierten Hostien werden in katholischen Kirchen aufbewahrt, in evangelischen nicht. Da brennt kein rotes Licht vor dem Tabernakel, dafür liegt die Bibel aufgeschlagen auf dem Altar, denn Jesus ist auch in seinem Wort präsent. Konsekration heißt, dass ein Priester die Worte Jesu über die Hostien gesprochen hat. Im katholischen Verständnis ist damit die Hostie gewandelt. Sie bleibt nach außen gleich, ist aber in ihrer Substanz Gegenwart Jesu. Hier liegen zwei Probleme.

 

1.    Woran erkennt man, dass die konsekrierte Hostie nicht bloß ein Stück Brot ist?

2.    Warum gibt es in der Westkirche seit über 1.000 Jahren keine Einigung, welche Realität die konsekrierte Hostie hat?

Die Hostie unterscheiden

Das Abendmahl geht auf Jesus zurück. Am Vorabend seiner Hinrichtung hat er es einmal gefeiert und dann den 12 Aposteln den Auftrag gegeben, es fortzuführen "zu seinem Gedächtnis." Das haben die Jünger Jesu gemacht, am ersten Tag der jüdischen Woche, dem Tag der Auferstehung Jesu. Während dieser Feiern haben die Jünger und die Frauen, die zu der Gemeinschaft gehörten, Jesus gesehen. Die zwei Jünger, die nach Emmaus unterwegs sind, erkennen Jesus am Brotbrechen, so der frühchristliche Bezeichnung für die Eucharistiefeier.
Solange das im engen Kreis derjenigen geschah, die Jesus kannten und so lange die Gefährten noch lebten, die mit Jesus unterwegs waren, sicherten diese, dass in Brot und Wein Jesus gegenwärtig ist. Aber es kam in Gemeinden, in der kein Apostel den Bezug zu Jesus sicherte, zu Misständen. In Korinth musste Paulus eingreifen, s. das 11. Kapitel in seinem ersten Brief an die Korinther.

 

Missbrauch, d.h. das Mitnehmen, Ausspucken u.a. der Hostie, scheint heute kein Problem zu sein. Worin das Problem bestehen könnte, kann man sich an folgender Möglichkeit klar machen. Bäckereien und Cafés ziehen sonntags etwa zur gleichen Zeit, in der die Kirchen zum Gottesdienst einladen, viele Gäste an. Nun könnte ein frommer oder geschäftstüchtiger Inhaber auf die Idee kommen, über einen Korb von Brotstücken die Einsetzungsworte Jesu zu sprechen und die Brotstückchen zu verteilen. Das wäre ein vergleichbares Verhalten, das Paulus bei der Korinther Gemeinde monierte. Für Katholiken wäre klar, dass das keine Hostien sind, es sei nur, der Inhaber habe die Priesterweihe empfangen. Dann wäre es eine Provokation. Dann müssten die gläubigen Katholiken dafür sorgen, dass die Brotstücken nicht einfach weggeworfen werden. Auch für Protestanten wäre das untragbar, sie würden genauso dafür sorgen, dass sich das nicht wiederholt. Aber was würden sie von den Brotstückchen halten: Sie würden den Realitätsgehalt mehr in den Glauben der Menschen verlegen. Ohne Glaube des Empfangenden keine Gegenwart des auferstandenen Jesus in der Hostie. Damit sind wir bei Punkt 2, nämlich der Realitätsgehalt der Hostie wie des konsekrierten Weins.

Der Streit um die Realität

Schon 500 Jahre vor Luther kam es im Frankenreich zu tiefgehenden Auseinandersetzungen über die Realität der Hostie. Ist sie wirklich der Leib Christie, ist der Wein tatsächlich zu Blut geworden. Man führt das auf das Realitätsverständnis der Germanen zurück, die am liebsten reales Fleisch und reales Blut im Kelch gesehen hätten, obwohl das ja beim ersten Abendmahl schon nicht der Fall war. Im Hochmittelalter fand man eine Erklärung, die das Brot äußerlich Brot sein ließ, welches aber im Kern, in seiner "Substanz" zum Leib Christi, der Wein zum Blut Christi geworden war. Trans-Substantiation ist der theologische Fachausdruck dafür.
Das führte dann zur Verehrung der Hostie. Nicht mehr das Mahl, für das Brot und Wein eigentlich bestimmt waren, stand im Mittelpunkt der Frömmigkeit. Der Augenblick der Wandlung, wenn der Priester die Hostie den Gläubigen zeigt, wurde in der Monstranz festgehalten. Monstranz kommt von dem lateinischen Verb "monstrare" - zeigen. Es war, wie an den gotischen Kathedralen deutlich, ein Zeitalter des Auges, sehen war das, worin sich Frömmigkeit ausdrückte. Luther hat dann das Zeitalter des Wortes eingeleitet, Calvin hat das radikalisiert, indem im Bildersturm alle Malereien und Heiligenfiguren aus den Kirchen entfernt wurden. Sich von Gott kein Bild machen.

 Die Kompetenz, die Wandlungsworte zu sprechen

Auch wenn die Gotik das Schauen zum Grundvollzug der Eucharistie gemacht hat, das Wort blieb konstitutiv für die Messfeier. Wann sind diese Worte aber wirksam? Weil das Brot nach außen Brot bleibt, der Wein Wein, musste den Gläubigen die Sicherheit gegeben werden, dass nach der Wandlung die Hostie eine andere ist als vorher. Bliebe das unklar oder würde damit Schindluder getrieben, wäre das Vertrauen verspielt. Auf jeden Fall muss der Kreis derjenigen, die das dürfen und dann auch "können", eingegrenzt werden. nur diesen konnte das hohe Gut der Gegenwart Christi anvertraut werden. Um diesen Personenkreis von den anderen zu unterscheiden, konnten sie nicht einfach, wie heute die Kommunionhelfer, ernannt werden, sondern mussten durch die Handauflegung eigens dafür instand gesetzt werden, also etwas Zusätzliches erhalten. Das geschah nicht erst im Mittelalter, sondern bereits in der Urkirche, wurde aber im Mittelalter noch einmal deutlicher konturiert. Als dann die Reformation die Laien und die Gemeindeleiter nicht in ihrer priesterlichen Funktion, sondern als Prediger profilierte, war der Unterschied zum mittelalterlichen Messverständnis gegeben.

Die Kirche garantiert die Eucharistie

Führte die mittelalterliche Auseinandersetzung zu der besonderen Kompetenz des Priesters, der die Wandlungsworte nicht nur sprechen, sondern in Brot und Wein wirksam werden lassen kann, würde deutlich, dass das nicht eine individuelle Fähigkeit sein kann, sondern in den Rahmen der Kirche eingebettet sein muss. Niemand kann sich selbst zum Priester machen, nur die Kirche. Die Kirche als Ganze trägt die Gegenwart Jesu in Brot und Wein durch die Zeit. Sie handelt durch die geweihten Personen, aber diese kommen nicht wie von außen, sondern handeln in der Gemeinde stellvertretend für Christus. Man kann katholisch akzentuiert sagen: "Es hängt am Priester". Aber den Priester gibt es nicht ohne Kirche. Letztlich handelt Christus in der Kirche, vor allem wenn es um das Heil des Menschen geht. Das wird an der frühen Praxis der Kirche deutlich. Sie entsteht immer wieder aus diesem Mahl, zu dem man mit der Taufe Zutritt erhält.

Das katholische und das evangelische VerständnisDas Zweite Vatikanische Konzil hat, im Rückgriff auf die Theologie der ersten Generationen, die Verbindung zwischen Kirche und Messe neu herausgestellt und so die Engführung des Mittelalters auf die Wandlung erweitert. Da für die Kirchen der Reformation das Wort im Zentrum steht, gibt es zumindest große Mentalitätsunterschiede. Kirche entsteht zuerst einmal aus dem Wort. Das Wort muss nicht so an einen bestimmten Personenkreis gebunden werden, da es verbindlich in dem Buch festgehalten ist, während die Eucharistie immer neu “entsteht“. Zwar kann das Wort nicht einfach in dem Buch bleiben, es muss verlesen und ausgelegt werden, jedoch ist die Bewahrung des Wortes nicht so empfindlich wie die ständig neue Feier der Eucharistie. Zudem kann der Gläubige viel besser erkennen, ob das Wort vom Prediger ihn zu Christus führt als der Teilnehmer am Abendmahl, ob ihm nur Brot, oder der Leib Christi gereicht wird.

 

Da sowohl das Wort wie die Eucharistie nur im Rahmen der Kirche verkündet bzw. gefeiert werden können, braucht es Verständigung über die Kirche. Erst dann wird man auch das Abendmahl in gleichem Verständnis feiern können.


Kategorie: Kirche

Kommentare (1)

  1. Walter am 14.06.2017
    "blinder Fleck"...
    "... ihr aber seid das auserwählte Geschlecht, die königliche Priesterschaft, das heilige Volk, das Volk des Eigentums, dass Ihr verkünden sollt die Wohltaten dessen,der Euch berufen hat von der Finsternis zu Seinem wunderbaren Licht;
    die ihr einst nicht e i n Volk wart,nun aber Gottes Volk ... und in Gnaden seid." ( Petrus 2,9-10).

    Was also spricht dagegen, dass z.B. eine vielbeschäftigte Familienmutter dann, wenn die Familie endlich einmal zusammenkommt die eucharistischen Worte spricht und Brot und Wein austeilt, wie es uns der Herr gezeigt und zur Nachahmung empfohlen hat ?

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