Gottesdienstteilnehmer sind in großer Zahl zu den Übertragungen abgewandert
Vor der Pandemie lag die durchschnittliche Zuschauerzahl allein für das ZDF bei 780 Tsd.. während Corona waren es 1 Million, jetzt sind es 890 Tsd. Die fehlen wohl zu einem guten Teil in den Kirchen. Es gehen alle nicht alle, die nicht mehr gezählt werden, „verloren“. Die Zählungen sind auch deshalb nicht zutreffend, weil die Katholiken nicht mehr jeden Sonntag zur Messe gehen. Es gibt also mehr Kirchgänger, als die, die am nächsten Sonntag gezählt werden können.
Da es in mehreren Sendern und im Deutschlandfunk, im WDR und NDR-Radio ebenfalls Übertragungen gibt und viele Gemeinden nach der Pandemie weiter streamen, kann man von 2 Millionen Gottesdienstteilnehmern am Bildschirm ausgehen.
Die mediale Vermittlung gelingt überraschenderweise
Der Auszug in Richtung Bildschirm ist nicht erst durch die Pandemie bedingt. Schon in den neunziger Jahren stellte die Zuschauerforschung des ZDF fest, dass sich die Zuschauerzahlen von 360 Tsd. auf 800 Tsd. je Übertragung durchschnittlich erhöht hatten. Es war die einzige Sendung, deren Zuschauerzahl nach Einführung der Privaten Sender gewachsen war. Ich war damals der kirchlich Verantwortliche. Wir konnten uns das nicht erklären. Ich habe auch keine Erklärung dafür gefunden, dass Gottesdienst im Fernsehen genügend Zuschauer findet, das Theater jedoch nicht, obwohl Theater wegen seiner Handlung für das Fernsehen besser geeignet ist. Das Einzige, was ich als Erkenntnis sagen kann, ist uns durch einen Liturgieprofessor vermittelt worden, nämlich zu der klaren Form zurückzukehren, die der geniale Papst Gregor I. am Ende der Antike entwickelt hat. Dramaturgisch hat die in Deutschland entwickelte Messe einige Stolpersteine, die wir ausräumen konnten. Auch hat die in Deutschland nach dem Konzil gefundene Form eher einen belehrenden als einen feierlichen Charakter. Das schafft Distanzierung, wenn der Zelebrant einem Lehrauftrag folgt. Das wird von afrikanischen und asiatischen Katholiken nicht als authentisch erlebt. Aber das erklärt nicht die beträchtliche Zunahme der medialen Beteiligung. Vielleicht ist es doch das religiöse Gen, das im Gottesdienst seinen Ausdruck sucht. Wenn diese religiöse Erklärung zutrifft, dann ist die Abwendung von der Gemeinde doppelt problematisch.
Christlicher Gottesdienst heißt Gemeinschaftserfahrung
Obwohl Jesus viel alleine gebetet hat, stiftete er den christlichen Gottesdienst als gemeinschaftliche Feier. Von Anfang an bildeten sich die Gemeinden um diese Mahlfeier. Gautama Buddha sendet die Menschen in die Kontemplation, der Hinduismus kennt Tempel, zu denen die Gläubigen jedoch einzeln hinzutreten. Eigentlich ist die christliche Form der Zugehörigkeit ein starkes Motiv, sich einer solchen Gemeinde anzuschließen. Irgendetwas scheint da aber nicht mehr zusammenzupassen. Dabei schauen die Menschen nicht für die Übertragung inszenierte Gottesdienste, sondern die gleichen, an denen sie in ihrer Nachbarschaft teilnehmen könnten. Die Zuschauer folgen wie bei einem Sportwettkampf einem realen Ereignis. Die katholischen Gottesdienste müssen daher auch immer live übertragen werden. Zudem sind die Zuschauer nur Gäste, es feiert die Gemeinde, die sich im Kirchenraum versammelt hat. Die Zuschauer singen eben nicht mit und sind nicht „da“, wo sich die Gegenwart Jesu ereignet. Sie nehmen vermittelt durch das Medium teil. Dass die Zuschauer zu diesen Gottesdiensten in Beziehung bleiben, zeigt sich auch daran, dass die für das Fernsehen mit besonderen Effekten "aufgehübschte" Feier nicht ihre Zuschauer findet. Es werden auch nicht wie in Frankreich die Prediger eingeflogen, allenfalls erhalten die Chöre Unterstützung. Eine Orchestermesse ist von den Zuschauern wenig gefragt.
Die Gründe herausfinden, die vom Gang in die Kirche abhalten
Ist es dann nur Bequemlichkeit, sich über den Fernseher oder den Computer einem Gottesdienst zuzuschalten? Oder spielt die fehlende Empfangskultur in der typisch deutschen Gemeinde eine Rolle und fühlt man sich fremd im Kirchenraum? So hört man es von Katholiken anderer Muttersprache. Als Zuschauer muss man nicht die Blicke anderer aushalten und kann sich auch nicht auf einen falschen Platz setzen. Katholiken aus anderen Ländern, die ich in einer englischsprachigen Gemeinde treffe, wundern sich, warum die Deutschen sich so distanziert zeigen. Sie seien es gewohnt, dass sie begrüßt werden, wenn sie das erste Mal in einer Kirche am Gottesdienst teilnehmen. Das alles bleiben Vermutungen.
Was die maßgebenden Gründe sind, kann man letztlich nur von den 110.000 erfahren, die beim Bildschirm geblieben sind.
Was wird aus der Eucharistie?
Das Sakramentale, konkret Brot, Wein und Wasser sollten nicht medialisiert werden, indem man z.B. den Ritus ändert oder auf die Idee verfällt, dass der Zelebrant auch über das Fernsehen das Brot vor dem Fernsehapparat konsekriert. Die katholische Kirche gibt Entscheidendes auf, wenn sie diejenigen, die nicht zur Kommunion gehen können, aus dem Blick verliert. Eine Diakon- oder Priesterweihe wie eine Hochzeit könnte man auf dem Bildschirm verfolgen, weil das Sakrament nicht von allen Gottesdienstteilnehmern empfangen wird. Anders die Eucharistie. Hier ist jeder eingeladen, auch die am Bildschirm. Dieses Sakrament gliedert die einzelnen tiefer in die Kirche ein und baut Kirche auf. Zudem sind die Übertragungen, anders wie eine Show, eine Serienfolge oder ein Krimi nicht in einem Drehbuch entwickelt, sondern Abbild der Realität, so als würde Schulfernsehen mit live übertragenen Unterrichtsstunden aus realen Schulen bestritten.
Die zuschauenden Gottesdiensteilnehmer zurückgewinnen
Da die Gottesdienste, an denen man vermittelt durch den Bildschirm teilnimmt, die von der katholischen Kirche gefeierten sind und diese nicht vom Fernsehen produziert werden, verlieren die Gemeinden ihre Mitglieder nicht an die Medien. Für den Schritt zurück in den Kirchenraum dürfte zu motivieren sein. Denn die auf den Bildschirm übertragene Feier ist immer reduziert. Es fehlt das Zusammensein mit anderen. Der Kirchenraum könnte, so wie in den mittelalterlichen Liturgien, durch Prozessionen mehr einbezogen werden, Gespräche mit den Nachbarn in der Bank, überhaupt mehr Beteiligung würden auch den Zielen der Liturgiereform des letzten Konzils entsprechen. Auch folgt nicht eine andere Sendung, sondern die Gottesdienstbesucher können mit den anderen Im Gespräch bleiben. Wahrscheinlich werden Gläubige auch weiterhin Übertragungen ansehen, aber es ist nicht unrealistisch, Viele für die Feier in der Kirche zurück zu gewinnen.
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