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Geht es mit der Familie bergab?

Am längsten Tag des Jahres, am Fest Johannes des Täufers, lehrt uns das Evangelium den tiefen geistlichen Zusammenhang von Eltern und Kindern. Es legt den Grund frei, warum Familien, jetzt und auch vor tausend Jahren, in die Abwärtsspirale hineingeraten. Die Kinder übertreffen dann die Eltern nicht, sondern sie erreichen weniger. Warum fragt dieser Konmentar?

Die Preisfrage lautet: Wie kommt es zu einem Johannes der Täufer, der größte der Propheten, der alle anderen übersteigt? Das Evangelium nennt uns die Rahmenbedingungen: Beide Eltern sind gerecht. Beide führen einen Lebenswandel nach den Geboten Gottes. Sie sind Eltern nach dem Herzen Gottes.

Welcher Christ kann von sich behaupten, sich an die Weisungen Gottes zu halten? Wer bemüht sich um alles und nicht nur um das, was er mag und was er ausreichend verstanden hat? Wer vertraut trotz seiner Schwächen auf das Wort des Herrn? Eltern, die dem Herrn in allem folgen, sind nach dem Herzen Gottes. Sie allein beschenkt er mit Kindern vom Schlage eines Johannes. In unseren Tagen trennen wir diesen Zusammenhang auf. Die Familie ist keine Einheit. Es gibt nur Generationen, die zeitlich versetzt leben. Die Nachkommen sind für ihr eigenes Glück verantwortlich. So als gäbe es keinen Zusammenhang zwischen Eltern und Kindern.

Familie als Einheit

Das Evangelium lehrt uns anderes. Es gibt einen Zusammenhang. Die Gnade der Kinder hängt zu einem großen Teil von den Eltern ab. Das hat zwei Gründe: Der Mensch hat nichts aus sich. Er hat sich nicht selbst gemacht. Was er als Mitgift bekommt, hat er von seinen Eltern. Und da gilt ein philosophisches Grundprinzip: Die Wirkung ist nie größer als ihre Ursache. Das bedeutet: Was das Kind von seinen Eltern empfangen hat, ist weniger, als die Eltern selbst haben. Die Eltern sind mehr als das Kind.

Der andere Grund kommt aus der Theologie: Die Liebe der Familie ist dreifaltig. Die Eltern sind in ihrer Liebe Abbild des dreifaltigen Gottes. Gott Vater liebt Gott Sohn und Gott Sohn Gott Vater. Die Liebe, die beide verbindet und aus ihnen hervorgeht, ist der Heilige Geist. So ist es auch mit der Familie: Die Liebe von Vater und Mutter geht über das Kind. Aus ihrer Verbindung, ihrer Liebe, geht das Kind hervor. Das Kind, die Liebe von Vater und Mutter, hat nichts aus sich, sondern alles von Vater und Mutter. Es hat alles, was Vater und Mutter miteinander in der Liebe gemeinsam haben. Es hat nichts in sich, was nicht vorher schon Vater und Mutter gemein hätten.

Dysfunktionale Familien

Im besten Fall hat das Kind also genauso viel wie die Eltern. Soweit reicht die Natur. Aus sich heraus kann das Kind niemals die Eltern übersteigen. Je weniger die Eltern sich bemühen, desto weniger kann sich auch das Kind bemühen. Bleiben die Eltern hinter ihren Möglichkeiten, so bleibt es auch das Kind. Denn die Möglichkeiten des Kindes hängen von den Möglichkeiten der Eltern ab. Daher neigen Familien von Natur aus dazu, bergab statt bergauf zu streben.

Ein Beispiel: Eltern, die von der Arbeit heimkommen und den Abend mit leichter Fernsehunterhaltung ausklingen lassen, müssen sich nicht wundern, wenn die Nachkommen nach der Schule keine Hausaufgaben mehr machen und ihre Sachen in die Ecke werfen. Wer mag es ihnen verübeln? So haben es ihre Eltern ihnen vorgelebt.

Wer diesen Zusammenhang beachtet, sieht auch die Probleme der Jugend klarer: Viele Kinder gehen studieren. Die Eltern halten sich oft hier heraus und sagen: Das ist dein Problem. Doch das ist eine Lüge. Wenn die Probleme der Kinder nicht zugleich die Probleme der Eltern sind, dann hat das Kind keine Möglichkeit, sich diesen Problemen siegreich zu stellen. - Die Eltern sagen: Du bist erwachsen und frei. Was sie wirklich meinen: Wir wollen uns aus unserer Verantwortung herausziehen. Dabei halten sie sich für "moderne, freiheitliche, fortschrittliche Eltern." Das Gegenteil ist der Fall.

Der Gnade den Boden bereiten

Aber was muss passieren, damit die Geschichte der Familie nicht ein Weg des Abstiegs, sondern der Erhöhung wird? Dieses Geheimnis nennen wir Gnade. Wenn der Boden bereitet ist, trifft Gott auf Bedingungen, dass er mit seinem Geist wirken kann. Diese Gnade führt auf Wege, die über die Wege der Eltern hinausführen. Wie geschieht das? Der Weg der Gnade folgt dem Geist und der Kraft des Elija und des Elischa. Elischa, der Nachfolger Elijas, vollbrachte doppelt so viele Wunder. Er hat seinen Vorgänger weit überstiegen. So ist es auch in der Familie.

Damit die Kinder die Eltern übersteigen, können die Eltern den Weg vorbereiten. Ohne ihre Hilfe kann die Gnade kaum Fuß fassen. Aber was letztlich über die Eltern hinaus hebt, liegt nicht in ihrer Hand, sondern in der Hand Gottes durch die Gnade.

Und dennoch haben nicht nur die Kinder Anteil an der Gnade. Auch die Eltern haben durch die Kinder Anteil an deren Gnade, wenn sie die Wege der Kinder aufnehmen in ihrer Wege. Wenn die Eltern die Probleme ihrer Kinder aufnehmen in ihr Leben und sie sich zueigen machen, dann wachsen auch die Eltern mit den Kindern. Andererseits helfen sie damit auch den Kindern, dass ihre Probleme gelöst werden. Denn wenn die Eltern die Möglichkeiten erweitern, dann "vererbt" sich das auch auf die Kinder.

Damit schließt sich der Kreis: Was die Eltern gemein haben, geht hinein in das Kind. Und was die Eltern über das Kind erhalten, wird auch ihnen selbst zu Eigen. Dann haben wir eine Familie, die sich gegenseitig nach oben zieht und ziehen lässt: In Natur und Gnade.

Ein Kommentar von Johannes Wahl


Kategorie: Religion

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