Jesuitenkirche Mannheim, Foto: explizit.net

Barock: Die Antwort auf die Reformation

Nach dem Dreißigjährigen Krieg gab es in Europa nicht nur Lutheraner, Reformierte und Katholiken, sondern auch zwei unterschiedliche Kulturen. Die Katholiken hatten mit dem Konzil von Trient und energischen Päpsten nicht nur ihre Kirche „reformiert“, sie hatten auch eine neue Ausdrucksform gefunden, die wir mit dem Wort „barock“ kaum angemessen erfassen. War macht den Barock so anders als die Reformation: Die katholische Erlösungsgewissheit

Das Mittelalter war universal: Naturwissenschaften, Technik, Universitäten

Im 13. Jahrhundert wurden die Kathedralen gebaut. Es gab auch eine Bildungsinitiative mit  Universitätsgründungen, zuerst in Italien, Frankreich und Spanien. Die erste im Deutschen Reich  war 1347 Prag.  Diese Wissenschaftsorganisation hatte die scholastische Lehrmethode mit Thesen, welche dann  begründet werden mussten, hervorgebracht. Es entstanden in den theologischen Summen große wissenschaftliche Werke. Die Naturerkenntnis wie die Technik machte große Fortschritte. So wurde in Norditalien die Brille erfunden, Italiener bauten auch ein Banksystem in der Weise auf, dass man in einer Stadt einzahlen und in einer anderen abheben konnte, es gab für Handelsleute Versicherungen und eine erste Wirtschaftsunion, die Hanse. Theater, Musik und auch eine Romanliteratur mit dem „Nibelungenlied“ und „Tristan und Isolde“ als den bekanntesten Werken. Von großer Bedeutung waren die Wallfahrten ins Heilige Land, nach Rom und nach Santiago de Compostella. Entscheidend war die Entwicklung der Städte, die ab etwa 1000 begann und als Kulturzentren die Abteien ablösten.

Reformation beendet die mittelalterliche Universalität

Diese Epoche hatte sich mit der Spätgotik so differenziert, dass Nebenfragen das theologische Denken bestimmte. Die Reformation war eine Antwort auf eine innerlich schwache Kirche, die ihren Gipfelpunkt 300 Jahre vorher erreicht hatte. Luther hat mit dem Ablasswesen und dem Reliquienkult aufgeräumt. Die Reformationszeit dauerte bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieg, der nur am Ende ständiger Streitigkeiten und Kriege zwischen Kaiser und Fürsten stand. Schon vorher hatte die römische Kirche ihr Reformprogramm mit den 3 Sitzungsperioden des Trienter Konzils zwischen 1545 und 1563 auf den Weg gebracht. Man kehrte nicht zum Mittealter zurück, sondern fand eine neue Synthese.

Der Barock ist nicht barock

Die kreative Antwort auf die Reformation war der Barock. Verwenden wir das Adjektiv, dann steht „barock“ für geschwollene Formen und Verspieltheit. Aber der Barock ist ernster zu nehmen. Wenn man sich dieser Ausdrucksform nämlich über die Musik nähert, dann kommt man dem inneren Baugesetz dieser Kunstform näher. Eine Fuge hat eine strenge Form, sie folgt ganz bestimmten Regeln und Tonmustern. Das ist an den Kirchen dieser Epoche nicht so leicht zu erkennen. Diese sind aber nach mathematischen Gesichtspunkten gebaut. Die Barockarchitekten konnten nämlich Kurven berechnen und komponierten aus Ellipsen, Hyperbeln und anderen geometrischen Modellen die Fassaden und die Innenräume. Barock heißt auch Bildung, viele Gymnasien wurden betrieben. Weiter waren die Naturwissenschaften integriert. An vielen Schulen gab es ein Observatorium. Immerhin konnte damals ein Papst Gregor 1582 den Kalender reformieren, um ihn wieder dem Lauf der Erde um die Sonne anzugleichen.  Es wurden einfach 10 Tage ausgelassen. Der Barock war nicht bloß eine architektonische Stilrichtung, sondern umfasste alle Künste wie auch die Ingenieurskunst. Als der Barock sich im Rokoko zergliederte, wurde er von der französischen Revolution hinweggefegt und ist eigentlich nur noch mit seiner Musik geblieben. Die katholische Kultur hat nach den Napoleonischen Kriegen nicht am Barock angeknüpft, sondern am Mittelalter. Die vielen Kirchen, die in den industrialisierten Regionen gebaut wurden, sehen wie spätgotische Kirchen aus. Auch wurde der Theologe des 13. Jahrhunderts, Thomas v. Aquin zur bestimmenden Größe des katholischen Lehrbetriebs. 

Heilssicherheit des Barock

Wer in eine Barockkirche betritt, wird wie in einer gotischen Kathedrale nach vorne geführt und von einem Altarbild angezogen. Es entfaltet fast immer die Aufnahme Mariens in den Himmel. Das ist sicher eine Antwort auf die Todeszeit des Dreißigjährigen Krieges, als etwa ein Drittel der Bevölkerung in den Kriegswirren den Tod fand. Es ist aber auch das katholische Lebensgefühl: So wie Maria wird dem Gläubigen der Himmel versprochen. Im Barock kommt uns der Himmel entgegen, so entwerfen es die Deckengemälde. Der Barock konnte sich in der protestantischen Gestimmtheit nicht durchsetzen. Denn lutherisch ist die Unzufriedenheit mit der menschlichen Natur wie sie ist. Ähnelt der Barock in seiner Kraft zur Synthese doch eher dem 13. Jahrhundert als der existentiellen Zerrissenheit, die mit dem 14. Jahrhundert einsetzt. Für den Calvinismus ist zu erwähnen, dass dieser die Musik aus dem Gottesdienst verbannt und auf eine noch rigorosere Kultur der Einfachheit setzt. Es gibt auch eine deutliche Akzentverschiebung der religiösen Kultur. Liegt in den Kirchen der Reformation der Akzent auf dem Wort, so im Katholischen auf dem Sakrament, das ja im Materiellen mit Brot, Wie und Öl die Ankunft der Heilszusage zum Ausdruck bringt. Der Barock situiert den Tabernakel, in der Gotik als Sakramentshäuschen an einer Seite im Chor aufgestellt.

Protestantisch angesichts des politischen Umbruchs

Noch ein Blick auf die Gegenwart, die sich gerade, ähnlich den Reformationsjahren, von einer Epoche, wir nennen sie die Moderne, verabschiedet und wie zur Zeit Luthers neue Kommunikationstechniken zur Verfügung stellt: ob evangelisch oder katholisch, von Luther wie vom Barock sollte man ablesen, dass man die technischen Möglichkeiten einfach nutzt. Die Aufgabe erschöpft sich nicht darin, mit Internet, Social Media, Digitalkamera, Musikdownload zurechtzukommen, sondern sie mit christlichen Inhalten aufzuladen. Da sind wir heute meilenweit von dem Engagement und der Kreativität Luthers entfernt.

Die neuen politischen Strömungen sind rückwärtsgewandt

Die Zeitläufe stehen gegen die von Luther entwickelte Strategie der Reform. Denn die neuen politischen Strömungen wollen nicht nach vorne, sondern zurück. Das war 2013 noch nicht abzusehen. Inzwischen ist "konservativ" nicht mehr bewahrend und damit katholisch getönt. Die neuen Bewegungen gegen Europa, gegen Globalisierung greifen das Protestmotiv zwar auf, sie sind aber nicht im Sinne der Reformation protestantisch. Denn protestantisch ist nicht ein Protest gegen neue Entwicklungen gewesen, sondern Protest gegen ein minimalistisches, auf Gewohnheiten reduziertes Christentum. Wie wir die neuen Herausforderungen mit Sprachkraft und neuen Gestaltungsimpulsen aufnehmen, das zeichnet sich noch nicht ab. Für die Lutheraner ist die Herausforderung größer, weil die neuen politischen Bewegungen in den lutherisch-reformatorisch geprägten Ländern in Europa und den USA wirksam werden, während die katholische Kirche nicht mehr in Europa, sondern in Lateinamerika oder Afrika ihre Aufgaben sieht. Europa spielt im Katholizismus eine immer geringere Rolle. Entscheidend wird es jedoch sein, ob das Christentum, dem sich viele Chinesen zuwenden, in diesem Land auf Dauer bestimmend werden kann. Die Chancen stehen nicht schlecht, denn es gibt in China keine spirituell und intellektuell starke Religion, die wie in Indien das Christentum ein marginales Phänomen bleiben lässt.

Der kurze Blick auf andere Kontinente zeigt eines deutlich: anders als zur Zeit Luthers wird die Zukunft des Christentums nicht mehr in Europa entschieden. 

Link: Barock-Auferstehungskirchen 


Kategorie: Religion

Kommentare (0)

Keine Kommentare gefunden!

Neuen Kommentar schreiben

Zum Seitenanfang