Wolfgang G. Schwanitz

Explizit.net ist ein aktueller Marktplatz der Ideen. Die Beiträge des katholischen Portals sind oft eigenwillig, analytisch und unabhängig. Da die Grundwerte auch in der aktuellen Globalsicht stimmen, trage ich gern dazu bei.

Geboren 1955 in Magdeburg, Studium der Arabistik und Ökonomie in Leipzig bis 1982. Dort promoviert. Dann Forschungsgruppenleiter für Geschichte des Nahen und Mittleren Osten an der Akademie der Wissenschaften in Ostberlin. Seit der deutschen Einheit als Mittelosthistoriker Forschung und Lehre in Amerika, Mittelost und Europa über die Beziehungen dieser drei Regionen sowie über Araber, Amerikaner, Juden und Deutsche. Autor von vier und Editor von zehn Bänden zur mittelöstlichen Beziehungsgeschichte, darunter deutsche Islam- und Mittelostpolitik.

Beiträge von Wolfgang G. Schwanitz

Ägyptische Blutwoche

(explizit.net) Dies ist ein Krieg gegen islamistische Terroristen, sagen Anhänger der Coupvolte. Nein, erwidern Muslimbrüder, sie führten Krieg gegen den „Staatsterror“. Beide Seiten bedienen sich der blutigen Gewalt, meinen Dritte, um die Macht zu verteidigen oder zu erringen, wobei Islamisten ihre Chance verspielt und ihre wahre Natur gezeigt haben. Im Horror um den „Islamistentag des Zorns“ am Freitag und von 1.000 Toten bis Sonntag entbrennt ein bitterer Kampf.

Teheraner Verwirrspiele

Nachdem Irans Präsident Hasan Ruhani am Sonntag, den 4. August, im Teheraner Shura-Rat seinen Amtseid ablegte, sprach er zum Westen: der Dialog, nicht Boykotte seien die einzige Lösung. Niemand könne dem iranischen Volk die nuklearen Rechte nehmen. Die Islamische Republik strebe nach Frieden und wende sich gegen den Regimewechsel von außen. Aber wie paßt denn all dies zum Revoltenexport als Staatsdoktrin, zur Rede seines Vorgängers Mahmud Ahmadinejad am 2. August, Israel zu eliminieren, der Judenstaat habe kein Platz in der Region, zu Ruhanis Worten am 5. August, Israel wäre lange eine Wunde im Körper der Islamwelt - spricht so wohl ein Moderater?

Botschaftsschließung und Terror

(explizit.net) Führer der al-Qaida und ihrer Ableger möchten den August zum Terrormonat machen, indem sie in Mittelost westliche Einrichtungen angreifen. Das war am Freitag das Fazit aus Lausch- und Webaktionen am Potomac. Sonntag wurden gefährdete US-Vertretungenin 22 Islamländern bis zu einer Woche geschlossen. London, Paris und Berlin zogen nach, indem sie Repräsentationen im Jemen schlossen. Al-Qaidachef Aiman az-Zawahiri rief am Dienstag in Websites auf, auch als Antwort auf Drohnen in Pakistan und Jemen anzugreifen. Als Auftakt gelang es al-Qaida im Juli, ihre Jihadis aus den Gefängnissen zuholen, darunter hunderte im Irak und Pakistan sowie über 1.000 im libyschen Benghazi.

Kairiner Blutsamstag

Einen blutigen Samstag gab es in Ägypten. In Nasr City habe die Polizei an diesem Tage 70 Muslimbrüder erschossen. Innenminister Muhammad Ibrahim bestritt diese Angaben. Webvideos und Fotos beweisen es, wie beiderseitig Waffen wirkten: aus den Reihen der Demonstranten ist geschossen worden, auf die Polizei – ein Video zeigt einen sehr stark verwundenten Polizeioffizier -, die massiv Tränengas einsetzte und zurückschoß. Seit der Absetzung von Präsident Muhammad Mursi überstieg die Totenzahl nun 100 Menschen.

Abbas und Netanyahu: Mehr als „Ja-Nein“ ?

(explizit.net) Israelis und Palästinenser stimmten jüngst einer Grundlage zu, in Direktgespräche über mögliche Friedensverhandlungen einzutreten. Dies verkündete am Freitag Amerikas Außenminister John Kerry, der in seiner emsigen Reisediplomatie in vier Monaten von einer Seite zu anderen pendelte. Laufe alles wie geplant, würden sich Beteiligte in einer Woche oder so in Washington DC treffen. Das galt als Wink zur geforderten Freilassung von Palästinensern in israelischen Gefängnissen. Weitere Forderungen: Grenzen vor dem Krieg vom Juni 1967 gelten wie ein Siedlungsstopp als Verhandlungsbasis. Auf beiden Seiten mehren sich die Kritiker und der gesamte Plan hängt noch an einem Seidenfaden.

Ägypten: Coupvolte, Sphinx und Lady Liberty

(explizit.net) Seit durch den demokratischen Staatsstreich Tamarrud, eine „Coupvolte“, der zeitweilige Präsident Adli Mansur am Nil amtiert, überschlagen sich die Ereignisse. In ihrer weiten Störaktion enthüllten die Muslimbrüder wieder ihr extremes Gesicht. „Wir wollen nicht Demokratie, sondern Islam“, stand auf einem ihrer Plakate. In der Tat trieb die Art ihrer Regierung alle zur Islamokratie. Dies mißglückte ihnen nicht nur, sondern viele Regenten müssen nun um ihr weiteres Schicksal bangen, mißachten sie den Volkswillen. Das zählt doch zur Demokratie. Ägyptische Rebellen gaben ihr wieder Chancen in Mittelost. Wie dereinst die Protestierenden in Osteuropa, die auch alle „Normen“ durchbrochen haben.

Demokratischer Staatsstreich in Kairo

(explizit.net) Ägyptens Militär hat Muhammad Mursi am letzten Mittwoch abgesetzt, die Verfassung aufgehoben und am Folgetag den Chef des Obersten Verfassungsgerichts Adli Mansur als Präsident des Übergangs eingesetzt. Ein Jahr brauchen alle für ein neues Grundgesetz und Wahlen. Dahinter steht Verteidigungsminister Abd al-Fattah as-Sisi, seit einem Jahr auch Führer der Streitkräfte. Er war es, der den demokratischen coup d'état lenkte: Nach Ablauf eines zweitäigen Ultimatums, in dem die Krise durch den Dialog aller Seiten bewältigt werden sollte. Mursi habe alle Chancen voll verpaßt. Die TV-Zuschauer sahen neben as-Sisi den Großscheich Ahmad at-Tayyib der al-Azhar-Universität, den Koptenpapst Tawadurus II. und Muhammad al-Baradai. Die Kairiner jubelten auf dem Befreiungsplatz, Islamisten wüteten. Bis zum gestrigen Sonntag forderte „Rache“ über drei Dutzend Tote und tausend Verletzte.

Adieu Muhammad Mursi

(explizit.net) In Ägypten wächst die Unzufriedenheit mit den Muslimbrüdern. Gegen den Präsidenten aus ihren Reihen wird demonstriert. Die Probleme sind nicht erst in letzter Zeit entstanden. “Unser Präsident Mursi” lauteten Plakate der einen, “Verdufte Versager” die der anderen Seite. So viele Menschen trieb es Sonntag in Kairo und im Nilstaat um, dass man es wohl mit den fünf Millionen vergleichen mag, die sich in den Trauerzug für Präsident Abd an-Nasir am 1. Oktober 1970 eingereiht hatten. Er wollte das Pyramidenland modernisieren und säkular den Islam aus der Politik halten. Eine gewisse Illusion. Schon der Nachfolger Anwar as-Sadat holte Muslimbrüder aus den Gefängnissen. Er bedurfte ihrer, um das Sowjetmodell abzustreifen. Er öffnete Ägypten 1974 dem Weltmarkt, was die Kluft zwischen Arm und Reich vertiefte. 1979 schloss er Frieden mit Israel. Islamisten ermordeten ihn.

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