Die "Survivors" - Foto: Luan Mar

Inas - Foto: Luan Ma

Neue Hoffnung in Erbil

Im Rahmen des explizit.net - Monatsthemas "Frieden" berichten die kath.de - Redakteurinnen Lena Hermann und Carolina Graef Alarcón von ihrer Begegnung mit den “Survivors" des IS: Acht Frauen von der katholischen Universität Erbil. Eine Geschichte von Tapferkeit und Widerstandsfähigkeit.

Ein bemerkenswerter Schimmer der Hoffnung erleuchtet die dunklen Schatten, die die Leben von acht tapferen Frauen umhüllen. Diese "Survivors";, wie sie genannt werden, haben sich aus den Klauen der Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) befreit und suchen nun an der katholischen Universität Erbil (CUE) in den kurdischen Autonomiegebieten im Nord-Irak nach neuen Perspektiven.

Inmitten der Herausforderungen und Schrecken haben diese acht Frauen beschlossen, nicht nur für sich selbst, sondern auch für ihre Gemeinschaft eine Brücke in die Zukunft zu bauen. An der CUE setzen sie sich das Ziel, eine akademische Grundlage zu legen, um anderen Jesiden Hoffnung zu schenken, Unterstützung zu bieten und ihre Stimme zu erheben. Dank eines Stipendiums der Universität und der tatkräftigen Unterstützung der Spendenaktion "Helfen bringt Freude" der "Schwäbischen Zeitung" haben diese Frauen seit Dezember 2022 einen Ort gefunden, an dem sie nicht nur sicher sind, sondern auch auf Unterstützung zählen können. Unter den Stipendiatinnen befindet sich auch Inas, eine junge Frau von außergewöhnlicher Stärke.

Eine Geschichte von Tapferkeit und Widerstandsfähigkeit

Als wir Inas in der beeindruckenden Eingangshalle der Universität begegnen, strahlt sie Ruhe und Gelassenheit aus. Doch hinter ihrer Fassade verbirgt sich eine Geschichte von beispielloser Tapferkeit und Widerstandsfähigkeit. Inas studiert internationale Beziehungen und trägt dazu bei, dass ihre Geschichte nicht nur als Überlebensbericht, sondern auch als Quelle der Inspiration für eine hoffnungsvollere Zukunft dient.

Die Schrecken des Genozids, der im August 2014 begann, hallen bis heute nach. Der IS überfiel das Siedlungsgebiet der Jesiden im Shingal-Gebirge und tötete Tausende von ihnen. Besonders Frauen und Mädchen wurden Opfer schwerwiegender Misshandlungen und Sklaverei. Diesen Völkermord erkannte der Bundestag als solchem an, doch die Gräuel dauern fort – etwa 3000 Mädchen und Frauen befinden sich immer noch in der Gewalt des IS.

Inmitten dieser Tragödie steht Inas, eine junge Frau von 21 Jahren, die den brutalen Überfall als Kind miterlebte und dessen Narben sie bis heute begleiten. "Ich war gerade elf Jahre alt und habe geschlafen. Sie kamen in der Nacht, um unser Leben zu rauben", erinnert sich Inas. Eine ruhige, sternenklare Nacht wurde zur Zeugin der Zerstörung, als der IS am 3. August 2014 in ihr Dorf einfiel, um die jesidische Gemeinschaft zu vernichten und die Bewohner als "Ungläubige" zu entführen oder zu töten. Inas' Geschichte ist geprägt von unvorstellbarem Leid, aber ihre Entschlossenheit, sich von den Schatten der Vergangenheit zu befreien, manifestiert sich in ihrem Streben nach Bildung. Durch ein Stipendium an der katholischen Universität Erbil und die Unterstützung der Spendenaktion "Helfen bringt Freude"; hat Inas seit Dezember 2022 einen sicheren Ort gefunden, um ihre Ausbildung voranzutreiben.

Inas Geschichte der Flucht

Inas' Gesicht spiegelt die Schwere der Vergangenheit wider, während sie über die Flucht ihrer Familie aus den Fängen des IS spricht, hat sie Tränen in den Augen. In der Dunkelheit verharren sie, bevor sie im Morgengrauen den riskanten Schritt zur Flucht wagen. Inas' Mutter trifft eine entschlossene Entscheidung und schneidet Inas die Haare ab. Die Erinnerungen an diese Zeit sind für Inas schmerzhaft, aber sie erzählt überraschend gefasst: "Sie sagte mir, dass ich mich wie ein Junge verkleiden muss und nannte mich fortan Elias, um mich vor dem IS zu schützen."

Diese scheinbar einfache Geste war der erste Schritt auf Inas' Weg zu einem Überleben inmitten des schrecklichen Terrors. Im Morgengrauen bricht die Familie in Richtung des Shingal-Gebirges auf, doch der IS spürt sie auf und zwingt sie gewaltsam zur Trennung. Die einzige Option, um zu überleben, besteht darin, zum Islam überzutreten. Inas, ihr kleiner Bruder und ihre Mutter geraten in Gefangenschaft und werden an einen unbekannten Ort verschleppt. Nach einer grausamen Zeit der Ungewissheit gelingt es ihrem Vater, sie zu finden, doch auch er wird entdeckt und gefangengenommen. Gemeinsam durchleben sie wiederholte Folter und leben in ständiger Angst. Die Sorgen nehmen kein Ende.

Inas streicht über ihre Handrücken und reibt ihre Hände aneinander. "Meine Schwester durfte erst wieder zu uns zurückkehren, als sie Abschnitte des Korans auswendig aufsagen konnte." Trotz der Freude über die Wiedervereinigung lebt die Mutter in ständiger Angst, dass Inas' wahre Identität als Mädchen enthüllt werden könnte. Inas erzählt: "Die IS-Soldaten haben uns immer wieder bedroht, dass sie wüssten, dass wir noch ein weiteres Mädchen in unserer Familie - also mich - haben." Angesichts dieser Bedrohung beschließt die Familie, dass die Flucht dringender denn je ist.

Von der Flucht in die Freiheit

Nach Wochen des Hoffens und Bangens ergibt sich endlich die Gelegenheit: Über ein Handy nehmen Inas und ihre Familie heimlich Kontakt zu einem Onkel auf, der einen Schleuser organisiert, um ihnen bei der Flucht zu helfen. In einer Nacht, als die Wachen abgelenkt sind, wagt die Familie gemeinsam mit anderen jesidischen Gefangenen den Ausbruch in die Dunkelheit. Insgesamt 33 Personen setzen alles daran, dem Schrecken zu entkommen, und starten den qualvollen Marsch ins Shingal-Gebirge. "Die Kälte war erbarmungslos, und Pausen waren nur selten möglich." Das verzweifelte Weinen von Inas' kleinem Bruder wird zur Gefahr, aber aus Todesangst greift ihre Mutter zu Schlafmitteln, um ihn ruhig zu halten. Inas kämpft mit schmerzhaften Erinnerungen, während sie die dramatischen Ereignisse schildert. Tage lang laufen sie durch die Finsternis. Als sie sich Kurdistan nähern, verstecken sie sich vorsichtshalber, bis ein Lichtsignal vom Schleuser ihre Sicherheit bestätigt. Endlich in Kurdistan angekommen, sind sie frei. Der 28. April 2015 wird für Inas zum "neuen Geburtstag", der Tag ihrer Wiedergeburt. Die Freude und Erleichterung über die Sicherheit sind überwältigend. In dieser Nacht kann niemand vor Aufregung und Freude schlafen, und Inas beschreibt sie als die schönste Nacht ihres jungen Lebens.

Heute, fest entschlossen, ihr Studium der internationalen Beziehungen voranzutreiben, hat Inas einen klaren Lebenszweck vor Augen: sich für Gerechtigkeit und die Rechte der jesidischen Gemeinschaft einzusetzen. Ihr Ziel nach dem Studium ist es, auf internationaler Ebene gegen die Auswirkungen dieses Fanatismus anzukämpfen. In Kurdistan fühlt sie sich willkommen und ist dankbar für die Unterstützung, die sie erfährt. Inas' Augen strahlen trotz der glasigen Fassade Stärke aus – ihre Geschichte ist ein ergreifendes Zeugnis für menschliche Stärke und Hoffnung, selbst in den dunkelsten Stunden. Ihr Kampf für Gerechtigkeit ist ein Aufruf, sich gegen Gräueltaten zu stellen und diejenigen zu unterstützen, die von ihnen betroffen sind. Auch ihre Kommilitoninnen teilen diesen Entschluss und sind bereit, sich für die Rechte ihrer Gemeinschaft einzusetzen, getragen von der Überzeugung, dass das persönliche Glück an das ihrer Menschen gebunden ist. Besonders beeindruckend von den Studentinnen war die Aussage “was ist unser persönliches Glück wert, wenn wir wissen, dass unser Volk leidet - wir müssen etwas tun”.

Text: Lena Herrmann Carolina Graef Alarcón
Foto: Luan Ma


Kategorie: Monatsthema

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