Allein das Erzbistum Köln hat einen größeren Etat als der Vatikan. Inzwischen lacht man wie anderswo über das "dumme deutsche Geld". Gezählt wird international nämlich nicht mehr wie zur Zeit Luthers an erster Stelle das Geld, sondern die junge Generation und dann noch einmal die Priester- und Ordensberufen. Und hier wird das Problem deutlich: Dem Gremium gelingt kein Dokument zum Priestertum, das irgendwie zündet. Im Vergleich zur Reformation und ihrem Protagonisten Luther wird deutlich, dass der Synodale Weg in dieselbe Eintönigkeit führt, die die Katholische Kirche nicht mehr von der Konsumgesellschaft unterscheidet. Das zeigt sich nicht zuletzt an der Umwidmung des Advents in eine Glühwein-, Lebkuchen- und Einkaufsatmosphäre. Wenn die Katholische Kirche die auf Wohlbefinden ausgerichtete Gesellschaft nur etwas reduziert abbildet, brauchen engagierte junge Leute etwas Anderes als befreiten Sex. Für die Ehe bietet die Bischofssynode mehr Zukunftsfähiges, nämlich die Idee einer lebenslangen Partnerschaft und einen klosterähnlichen Raum, in dem Kinder nicht nur groß werden, sondern zu stärken Persönlichkeiten reifen. Das läuft dem Zeitgeist entgegen und ist doch, nach soziologischen Umfragen, die Wunschvorstellung der jungen Generation. Den katholischen Familien in der DDR ist das im Kommunismus gelungen oder woher sind die Persönlichkeiten gekommen, die nach der Wende politische Verantwortung übernommen haben. Bei 3% Katholiken waren und sind es überproportional viele Katholiken, nicht nur in der Politik.
Deshalb verliert sich der Synodale Weg
1. Er setzt anders als Luther wie auch das Konzil keine Themen, die in den Gemeinden und Gruppen etwas in Bewegung setzen könnten. Früher, noch bis in die achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts, führten Theologie und Gemeindeleben die Menschen zusammen. Sie sind deshalb gekommen, weil die Religion Gestaltungskraft hatte. Die Themen Sexualität und Machtmissbrauch, die der Synodale Weg sie gewählt hat, bieten nichts Neues, was nicht schon längst ausprobiert worden wäre. Mehr Beteiligung von Frauen in Leitungspositionen wird erst dann reizvoll, wenn sich neue Gestaltungsräume öffnen. Das Eindämmen von Machtmissbrauch bleibt eine Forderung, solange nicht nur vorgetragen, sondern mit Leitungskräften trainiert wird, wie man Macht so strukturiert, das Neues entsteht.
2. Im real existierenden deutschen Katholizismus haben die im Moment die „Macht“, die verhindern können. Nach meiner Beobachtung gibt es in den Gremien eine unausgesprochene Norm, die aus der EU bekannt ist: Wenn jemand dagegen ist, dann scheint die Sache problematisch und wird auch dann auch oft nicht gemacht. Aber neue Initiativen entstehen meist nicht in Sitzungen. So etwas wie "Kolping" entsteht nicht in gewählten Gremien. Verdächtig ist die Entschuldigung: „Wir würden ja eine ganz andere, viel lebendigere Kirche "machen", wenn man uns ließe. Wieso ist das einer Teresa von Avila oder einer Mary Ward gelungen, denen ja mehr Gegenwind aus der Kirche entgegenblies als heutigen Innovatorinnen.
3. Hinter verschlossenen Türen: Luther wie das letzte Konzil waren Medienereignisse. Die Leser und Zuschauer konnten einen Prozess verfolgen, ein Hin und Her, das zu Ergebnissen führte. Von irgendeinem Ringen des Synodalen Weges bekommt man nichts mit. Auf den Fußball übertragen wäre das so, als würde man von einer Weltmeisterschaft nur das Halbfinale und das Finale zeigen. Die werden aber erst interessant, wenn man die Mannschaften verfolgen konnte, wie sie sich bis ins Finale durchgekämpft haben. Bei dem Dokument zur groß angekündigten neuen Sexualmoral wird die Zahl 17 genannt, also eine sehr begrenzte Zahl von Personen, die das Dokument erarbeitet haben, die man aber nicht genannt bekommt. Ich habe versucht, in meinem Umkreis Leute zu finden, die die Dokumente gelesen haben. Sie sagen nur, dass sie warten, was in der Zeitung steht. Da war bei Luther und dem letzten Konzil mehr los.
4. In den Vorrunden des Zweiten Vatikanischen Konzils gab es das Ringen zwischen den sog. Konservativen und den Neuerern. Das Ringen war deshalb spannend, weil der Ausgang offen war. Die Neuerer erwiesen sich am Ende als die eigentlich Konservativen. Denn die sich als konservativ Verstehenden dachten im theologischen Modell des 19. Jahrhunderts, die Neuerer haben die Bibel als Ausgangspunkt für die Dokumente durchgesetzt und die Theologen der frühen Kirche in den Anmerkungen untergebracht. Wo legt der Synodale Weg die Bibel neu frei?
5. Als das Dokument über die Sexualität bei den Bischöfen nicht die notwendige Zustimmung fand, wurden diese öffentlich kritisiert. Damit hat z.B. die Präsidentin des obersten Laiengremiums vom Thema abgelenkt. Anstatt das Fernsehen und die Zeitung zu nutzen, ihre Position zu den strittigen Themen zu artikulieren, hat sie den Streit mit den Bischöfen thematisiert. Das ist nicht neu, Journalisten wie ihre Leser und Hörer sagen: Das kennen wir doch. Spannend würde es, wenn beide Seiten, auch innerhalb der Bischofskonferenz, um die Sache ringen würden. Stattdessen fahren die Bischöfe nach Rom. Da waren die Konzils Theologen und Bischöfe beim Konzil einfach geschickter und vornehmer.
Mehr Ringen um Konsens
Die Neuerer verstehen offensichtlich Demokratie in der Kirche so, dass die Mehrheit genügt. Eine Kirche muss jedoch alle mitnehmen und kann nur etwas verabschieden, worüber Einigung erzielt wurde. Wo das nicht gelingt, bleibt die Frage offen. Jürgen Habermas hat dafür eine kommunikative Konzeption entwickelt: Solange die Argumente austauschen, bis sich die Wahrheit herausschält und dabei niemanden in der Freiheit der Meinungsäußerung beeinträchtigen und ihn nicht als Person diskreditieren. Das gilt für Konservative nicht weniger als für Neuerer. Auch für den Vatikan. Die Abfertigung der deutschen Bischöfe erfreut ihre Gegner, auf der von Habermas beschriebenen Ebene lief es wohl nicht ab.
Das Dilemma, das das Konzil hinterlassen hat
Dass irgendetwas mit den Priestern schon länger los ist, zeigte sich schon direkt nach dem Konzil. Die Seminare der Diözesen und die Studienhäuser der Orden leerten sich und viele Priester legten ihr Messgewand ab. Eine Zeit lang fiel das nicht ernsthaft auf, weil von der Priesterschwemme der dreißiger Jahre die meisten noch ihren Dienst taten. Dann kam allerdings noch der Geburtenrückgang hinzu, so dass junge Männer heute nicht mehr in eine größere Gruppe von Priestern eintreten, sondern letzte Reste bewahren sollen, indem sie an vielen Orten hin und wieder Messe für eine überalterte Gemeinde feiern.
Das Konzil hat für die Priester nichts Neues zustande gebracht. Es ist ihre ungeklärte Konstellation, nämlich wie es mit denen aussieht, die zwischen Bischöfen und den Laien stehen. Die Laien, von griechisch Laos, Volk, wurden mit dem Bild für die Kirche als dem durch die Zeit wandernde Volk Gottes wiederentdeckt. Ebenso wurde die Rolle der Bischöfe als Nachfolger der Apostel in ihrer Eigenständigkeit als die eigentlichen Hirten herausgestellt. Sie gehören wesensnotwendig zu einer Kirche, die sich als apostolisch bezeichnet. Ein Bistum braucht notwendig einen Bischof, es gibt Bistümer ohne Priester, wohl in Zukunft auch in Deutschland. Es wird sich zeigen, ob die vom Synodalen Weg konzipierte Kirche Priester überhaupt noch braucht. Auf jeden Fall, so die seit Jahrzehnten wiederholte Forderung des obersten Laiengremiums, sollten sie verheiratet sein. Bei 50% Singles in den Großstädten?
Es lockt kein neues Land
Was ist das Neuland, zu dem sich die deutsche Kirche nicht freiwillig, sondern durch den tiefgreifenden Wandel aus ihren bisherigen, von Priestern gewarteten geistigen Behausungen aufmachen muss? Wird Heiligkeit, die möglichst enge Beziehung zu Gott, die Hoffnung auf eine im Himmel geschenkte Endgültigkeit die Grundlage, die durch die Sakramente bestätigt wird? Oder genügen dafür Worte, wie es die Evangelischen Kirchen zeigen? Das war schon im 16. Jahrhundert kontrovers und ließ Petrus Canisius sich u.a. für die katholische Version entscheiden.
Die Mitglieder der Synode haben nicht die Statur, in Neuland, ökologisch und ökumenisch vorzustoßen. Der Vatikan muss keinen Sturm wie im16.Jahrhundert erwarten. Allerdings kann er die Priesterfrage nicht liegen lassen. Der Vatikan kann sich den größeren Problemen, der ökologischen Herausforderung, China und nicht zuletzt Afrika zuwenden, auf deren Wirtschaftsflüchtlinge Europa auch 2022 keine Antwort hat.
Das Geld
Die deutsche Kirche gehört neben der Schweiz zur der am besten ausgestatten Regionalkirche innerhalb der Katholischen Kirche. Mit dem Geld werden nicht nur viele Kirchen und Gebäude unterhalten, sondern es können auch viele Hauptamtliche bezahlt werden. Dieses Geld fließt zwar wegen der Vollbeschäftigung weiter, jedoch werden die hohen Energiekosten und die Inflation viele zwingen, Ausgaben zu kürzen. Das wird neben den Zeitungen beide Kirchen treffen. Kirche wird in viel größerem Maße ohne die Stütze der Hauptamtlichen überleben müssen. Aber das scheint eine Synodalversammlung nicht zu interessieren, wie auch der sexuelle Missbrauch, weswegen man sich eigentlich auf den Weg gemacht hat, an einem frühen Halt vergessen wurde. Ich konnte nur wenige Zeilen dazu finden, die nicht mehr sagen, als “dass wir dagegen sind“.
Links: Der Synodale Weg lässt den Missbrauch unerledigt liegen
Sexualität als Energiequelle des Religiösen?
Inflation schlägt auf Zeitungen und Kirchen durch
Zum Priestermangel: Die leeren Seminar- und Studienhäuser werden sich nicht wie von selbst füllen, wenn die Zölibatsverpflichtung fällt. Das wird u.a. an den Krankenschwestern deutlich, die bis zur Einführung des Schichtdienstes nicht heiraten konnten und wie Diakonissen und Ordensfrauen in Wohnheimen direkt beim Krankenhaus untergebracht waren. Es gibt immer noch empfindlichen Mangel an Pflegekräften. Die Kranken gibt es weiterhin, für die Priester kommt hinzu, dass sie auf Gläubige angewiesen sind, die ihre Dienste wollen. Denn in der katholischen wie in den orthodoxen Kirchen wird der Glaube auch durch das Wort vermittelt, aber in den Sakramenten bestätigt und gefeiert. Wenn der Synodale Weg sich für eine nur aufs Wort gegründete Kirche entscheidet, braucht er in Zukunft keine Priester und muss sich auch dann nicht mehr zu einem Dokument über die Priester durchringen. Wären die Bischöfe nicht mit dem Thema „Neue Sexualmoral“ nach Rom gefahren, sondern „Perspektiven für das Priestertum“, dann wären sie nicht so (unnötig) schroff behandelt worden.
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