Voraussagen für Personalentscheidungen lassen sich in der Katholischen Kirche kaum machen.
Es gilt die Beobachtung, die für die Papstwahl aufgestellt wurde. Beim Konklave heißt es: Wer als „Papst“, also als sicherer Kandidat, ins Konklave geht, kommt als Kardinal wieder heraus. Vorherige Personalentscheidungen der deutschen Bischofskonferenz lassen mit Überraschungen rechnen. So wurde nicht der Regensburger Bischof Vorderholzer, vorher Theologieprofessor, sondern der Speyrer Bischof Wiesemann, vorher Jugendbischof, Vorsitzender der theologischen Glaubenskommission. Dem Kölner Kardinal Woelki hat man das Amt des Flüchtlingsbischofs nicht übertragen und es stattdessen dem gerade neu ernannte Hamburger Erzbischof Heese gegeben. Der Kardinal hat daraufhin Ämter in der Bischofskonferenz niedergelegt. Wird er dann vielleicht nach der zweiten Amtszeit von Kardinal Marx zum Vorsitzenden gewählt? Da nach den geänderten Statuten das Amt des Vorsitzenden auf zwei Perioden begrenzt wurde, steht diese Wahl für 2022 an. Es lässt sich also nur spekulieren. Mittlerweile ist eine Personalie bereits klar: Bischof Franz-Josef Bode wird neuer stellvertretender Vorsitzender. Bischof Bode tritt damit die Nachfolge von Bischof Norbert Trelle an, der vor einigen Wochen in den Ruhestand getreten ist. Bischof Bode gehört der Deutschen Bischofskonferenz seit 1991 an. Seit 1995 ist er Bischof von Osnabrück. In der Deutschen Bischofskonferenz ist er Vorsitzender der Pastoralkommission und der Unterkommission Frauen in Kirche und Gesellschaft. Von 1996 bis 2010 war Bischof Bode Jugendbischof
Aber warum ist es gerade der Vorsitzende der Bischofskonferenz, der dem Katholizismus in Deutschland das Gesicht und damit auch eine Prägung gibt? Ein Blick weiter zurück zeigt, dass das nicht so sein muss.
Die Präsenz des Laienkatholizismus hat gegenüber der Bischofskonferenz abgenommen
Es gab Zeiten, da war der Vorsitzende der katholischen Zentrumspartei häufiger in der Zeitung und im Radio als der Vorsitzende der Bischofskonferenz. Während der Laienkatholizismus sich bereits 1848 konstituierte, brachte die Bischofskonferenz bis 1867, um sich in Fulda zu treffen. Da Bayern vom Kulturkampf nicht betroffen war, zogen diese sich aus der Konferenz 1873 zurück. Erst als Reaktion auf die Kirchenverfolgung des Nationalsozialismus gab es wieder eine gesamtdeutsche Konferenz.
Der Laienkatholizismus hatte sich im Zusammenhang mit der Demokratiebewegung Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelt. 1848 war der erste Katholikentag. Katholische Abgeordnete des Paulskirchenparlamentes schlossen sich zusammen. Mit de Reichsgründung trat dann für die Reichstagswahlen 1871 eine katholische Partei an, die sich wegen ihres Platzes im Abgeordnetenhaus „Zentrum“ nannte.
War der Laienkatholizismus bis in die sechziger Jahre als Transmissionsriemen erfolgreich, um die katholische Soziallehre durch Förderung des Mittelstandes, von Wohneigentum, der Familie umzusetzen, verabschiedeten sich die Laien in den siebziger Jahren von der gesellschaftspolitischen Debatte und widmeten sich der innerkirchlichen Mitsprache bei der Liturgie, der Vorbereitung der Kinder und Jugendlichen auf Erstkommunion und Firmung, organisierten die Pfarrfeste und verzeichneten bis in die neunziger Jahre ein hohes Engagement für die damals so bezeichnete "Dritte Welt". Allerding ging die gesellschaftliche Bedeutung der Verbände und des Zentralkomitees zurück. Auch die Katholikentage haben an gesellschaftlicher Bedeutung verloren, weil sie nicht mehr das gesellschaftliche Engagement der Katholiken bündeln. Es werden Politiker eingeladen, die natürlich an den Stimmen der Kirchgänger interessiert sind, weil diese nach dem Sonntagsgottesdienst den Nachhauseweg zur Abgabe ihrer Stimme nutzen. Aber für Fragen wie Bildung, Rente, Integration u.a. haben die Katholikentage kaum noch eine meinungsbildende Funktion. Das oberste Laiengremium der deutschen Katholiken hat sich vor allem die Abschaffung des Zölibats der Priester und die Anerkennung einer Zweitheirat nach Scheidung auf die Fahnen geschrieben. Auch der neue Präsident, Thomas Sternberg. Die Lücke, die der organisierte Laienkatholizismus gelassen hat, haben die Bischöfe besetzt. Aber auch diese sind auch immer weniger gefragt. Sollte die Stimme der Laien nicht wieder mehr hörbar sein?!
Die Dynamik kommt von Rom
Nicht die letzten Päpste stehlen dem Vorsitzenden der Bischofskonferenz oder dem Präsidenten des Zentralkomitees die vorderen Plätze in den verschiedenen Nachrichtenkanälen. Sie finden sich deshalb dort, weil sie die interessanteren Themen ansprechen und glaubwürdige Herolde des Friedens sind. Der deutsche Katholizismus hat kaum etwas zu sagen, ob die Laien oder ihre „Amtskirche“. Während der jetzige Papst in den Brennpunkten des gesellschaftlichen Lebens präsent ist und den Petersplatz weiter als weltweite Bühne betreibt, auf der die Menschheitsfragen deutlich angesprochen werden, gibt es von deutschen Bischöfen kaum wirkungsvolle Inszenierungen. Die Anpassung an den protestantischen Kanzeljournalismus ist vollzogen. Pressemeldungen und allenfalls mal eine Pressekonferenz, Katholikentage, die keine 50.000 Gäste mehr haben und eher von Misereor und missio mit etwas Buntheit und Weltkirchenflair ausgestattet werden. Da war selbst der professorale Benedikt XVI. gestenreicher und konnte seinen Botschaften auch mit gelungenen Formulierungen Aufmerksamkeit verschaffen. Wer bleibt da von den deutschen Bischöfen im Gedächtnis haften? Es ist wohl zuerst der Kölner Kardinal mit seinem Engagement für Flüchtlinge.
Es ist wie bei der SPD, ganz sympathisch, aber ...
Warum soll man sie wählen? Natürlich ist auch die Katholische Kirche in Deutschland für Gerechtigkeit. Aber Gerechtigkeit ist doch erst mal nur eine Leitidee. Diese muss man auf konkrete Zustände hin zuspitzen. Das gelingt der SPD nicht. Deshalb findet sie nur Zuspruch bei ihren Stammwählern. Hat die Katholische Kirche für Deutschland ein Thema, eine Frage, ein Versprechen, warum man mit ihr gehen, ja sogar Mitglied werden soll. Ihr Potential dürfte nicht größer sein als das der SPD. Die Katholische Kirche müsste sich auf den Kern des Religiösen, die Gottesfrage fokussieren. Jeder nimmt ihr ab, dass sie Gottesdienste feiert, sich für den Religionsunterricht einsetzt, Menschen in Not begleitet. Aber gibt es frischen Wein? Es ist doch offensichtlich, um im Bild Jesu zu bleiben, dass man Angst hat, dass die alten Schläuche reißen könnten. Also bleibt man beim Gewohnten und hat dann auf die Dauer die, die sich an das Gewohnte gewöhnt haben. Aber ist das Jesus-konform?
Jenseits von konservativ und liberal – das gilt für Laien wie Bischöfe
Der Papst überrascht ja nicht zuletzt deshalb, weil er von seinem Ordensgründer Ignatius übernommen hat, sich täglich mit Jesus zu beschäftigen. Wer einfach mal jeden Tag einen Abschnitt aus dem Evangelium liest und darüber nachdenkt, wird feststellen, dass Jesus nicht in die Falle tappt, den Konservativen bzw. den Liberalen zugerechnet zu werden. Das hat Franziskus wohl Jesus abgeschaut. Die deutschen Bischöfe, so ist aus informierten Kreisen zu hören, sind immer noch in zwei Lager gespalten. Die Konservativen halten an Regeln fest und pochen darauf, dass diese in Geltung bleiben. Aber für Jesus genügten die Gebote nicht. Aber wer von den konservativen Bischöfen hat irgendwelche Spuren hinterlassen. Keine seelsorgliche oder spirituelle Initiative wird mit z.B. mit Kardinal Meisner verbunden. Und haben die sog. progressiven die katholische Kirche in Deutschland aus ihrem Stimmungstief geholt? Folgt man dem Papst in seiner Jesusorientierung, dann geht es um Intensivierung, als um ein Wachstum im Glauben, in der Hoffnung, in der Liebe, ohne dass die Regeln damit obsolet werden. Jesus fordert mehr, auch der Papst mit der Bischofssynode. Es reicht nicht das Verbot der Ehescheidung, sondern die Ehe ist so zu leben, dass die Frage nach Trennung gar nicht aufkommt, eben Wachstum, Großzügigkeit, mit Konflikten umgehen lernen. Es geht mehr darum, Verantwortung zu übernehmen, Gott so zu verkünden wie Jesus, Barmherzigkeit für den Sünder und zugleich ein Höherschrauben der Ansprüche: Wenn Du vollkommen sein willst, dann gib deine Habe den Armen.
Ohne Armut keine Jesusnachfolge
Wenn die Kirche in Deutschland sich nicht einhellig hinter den Papst stellen kann, dann ist es nicht die Zulassung erneut Verheirateter, die eine Partnerschaft verlassen haben, das Problem. Das hatten auch als konservativ geltende Bischöfe schon vor Jahrzehnten ihren Pfarrern empfohlen, nämlich mit den Paaren, die mit einem neuen Partner geheiratet hatten, zu klären, ob sie die Kommunion empfangen können. Schon Benedikt XVI. war skeptisch wegen des vielen Geldes, das in die Kirchenstruktur fließt. Wer will schon darauf verzichten, wo man doch in einer Marktwirtschaft mit Geld so viel Gutes tun kann. Aber Geld bläht nun mal immer die Verwaltung auf. Und man gewöhnt sich daran, dass etwas geschieht, wenn man Geld zur Verfügung stellt. Dann wundern sich die Bischöfe mit ihren vielen Hauptamtlichen über den Rückgang des Ehrenamtes. Wer von den gut bezahlten Hauptamtlichen kann in der deutschen Kirche glaubhaft für das Ehrenamt werben? Und es ist nun mal die Entscheidung Jesu für die Armut, die unabdingbar für die Ausbreitung des Glaubens ist - für einen deutschen Bischof nicht so einfach umzusetzen wie für einen argentinischen Kardinal.
Weder konservativ noch progressiv, sondern Jesus-konform
Das Gesicht des deutschen Katholizismus sollte eine Zuordnung "konservativ - liberal" nicht mehr möglich machen. Die Kardinäle haben den Bischof zum Papst gewählt, der in dem Vortreffen zum Konklave auf eine Intensivierung des Glaubens und ein „an die Ränder gehen“ eingetreten ist. Zudem war er der Meinungsführer der lateinamerikanischen Bischofskonferenz. Jesus-Orientierung heißt über Armut hinaus das Reich Gottes vor den Augen Menschen entstehen lassen, eben „Freude am Evangelium“. Die deutsche Kirche muss nicht Elektroautos propagieren, aber sie sollte die Enzyklika Laudato si, die die Umweltthematik als soziale Frage aufgreift, mehr Beachtung schenken. Überhaupt sollte man mit den Texten des Papstes etwas machen, bevor man in Deutschland sich aufgerafft hat, um selbst Themen zu setzen.
Dann noch das gesellschaftliche Engagement des Laienkatholizismus: Wäre es nicht im Sinne der Bischofskonferenz, wenn die Laien durch eine Doppelspitze eines profilierten Sprechers und einer profilierten Sprecherin mehr öffentliche Präsenz gewinnen? Kann man sich die Themen nicht aufteilen, damit die Bischofskonferenz ihr Profil religiös schärft und der Laienkatholizismus mit gesellschaftlichen Themen präsenter wird. Es gibt viel zu tun. Es wäre wünschenswert, wenn Bischofskonferenz und Zentralkomitee der Katholiken sich die Rollen teilen. Den Graben zwischen konservativ und reformerisch zuschütten, sich nicht primär auf die innerkirchlichen Fragen fokussieren, sondern bei den Themen sind, die die Menschen bewegen. Es gibt doch einiges, was eben die Politik nicht einfach thematisieren kann: Der Mangel an Pflegekräften, die zunehmende Zahl von Selbstmorden, überhaupt die Melancholie einer nur auf Geld ausgerichteten Gesellschaft, die technisierte Welte, Kultur und nicht nur Wirtschaft...
Ein Kommentar von Eckhard Bieger S.J.
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