Wenn man heute sagen kann, dass Maria die in der Kunstgeschichte am häufigsten dargestellte Person ist, so ist das auch deshalb möglich, weil sie das Kind auf den Armen trägt und auf der Weltkugel steht. Sie musste in ihrer Zuordnung zu Jesus einen lange Wartezeit bis zum Konzil von Ephesus durchlaufen, das im Jahr 431 tagte. Vor diesem Konzil gab es in den Kirchen österliche Darstellungen Jesu, oft als Hirte. In Ravenna und Rom sind die Mosaiken und Fresken in manchen Kirchen noch erhalten. Maria hatte noch keinen Platz gefunden. Mit dem Konzil von Ephesus begannen Ikonenmalerei und Bildhauer, die Mutter Jesu darzustellen, viele Jahrhunderte immer mit dem Kind. Erst seit dem 19. Jahrhundert gibt es Darstellungen, die nur Maria zeigen.
Das Zueinander von Menschheit und Gottheit in Jesus
Das Konzil war eine Etappe auf dem 200 Jahre langen Weg, Jesus, den Sohn Gottes, der Mensch geworden ist, angemessen und entsprechend den Ansprüchen der griechischen Philosophie zu begreifen. Wie ist die Einheit von Gott und Mensch zu denken? Verbirgt sich der Sohn Gottes hinter der Menschengestalt oder ist der göttliche Sohn gegenüber der Menschengestalt so überwältigend, dass diese völlig überstrahlt wird. Diese Interpretationen waren überwunden. Wenn Jesus ganz Mensch und ganz Gottes Sohn ist, kam die Frage auf, ob es zwei Individuen, der Sohn des himmlischen Vaters und der Sohn Marias. Dafür konnte man sich nicht auf die Evangelien berufen, denn aus diesen kommt Jesu dem Leser als einer entgegen, er tritt mit Autorität auf und lebt aus dem Gespräch mit dem Vater. An dieser Einheit des Individuums wurde festgehalten, es musste aber mit der damals erarbeiten Vorstellung vom Menschen in Einklang gebracht werden. Der Mensch wurde als ein durch die Seele belebter und geformter Körper gesehen. Aber wie besteht die menschliche Seele, neben dem Sohn des Vaters, der vor aller Zeit gezeugt, nicht geschaffen ist. Um die Einheit zu bewahren, war das Konzil erst einmal auf die damalige Vorstellung angewiesen, die das geistige Individuum in der Seele lokalisierte. Aber das Individuum war ja Jesus. Wir sagen heute zu diesem Kern des Individuums nicht mehr Seele, sondern Person. Dieser Begriff stand dem Konzil noch nicht zur Verfügung. Deshalb machte man die Vorstellung an Maria fest. Es standen zwei Begriffe zur Verfügung: Gottesgebärerin, Theotokos oder Christusgebärerin. Würde man sich für Christotokos entscheiden, dann könnte der Eindruck entstehen, der von Maria Geborene sei nicht auch Sohn Gottes. Deshalb Gottesgebärerin, Gottesmutter ist seither eine Anrede Marias, sie hat den Titel jedoch Jesu wegen. Direkt nach dem Konzil wurden in Konstantinopel und Rom die ersten Darstellungen Marias mit dem Kind geschaffen, die dann Ehrenplätze in den Kirchen erhielten.
Entwicklung des Personbegriffs
Es dauerte dann noch fast 20 Jahre, bis das Konzil von Chalcedon den Begriff „Person einführte. Person ist die Mitte des Individuums, sie ist Träger der göttlichen wie der menschlichen Natur Jesu. Für das Verständnis des Menschen bedeutet Person, dass diese nicht die Seele „ist“, sondern wie den Körper eine Seele hat. Die Einheit von Materiellem und Geistigem im Menschen ist damit neu und strikter gedacht. Das Person erst die philosophische Bedeutung durch das Ringen um das Zueinander von göttlicher und menschlicher Natur in Jesus entstanden ist, wird daran deutlich, dass der Begriff vorher für die Maske der Theaterschauspieler gebraucht wurde, denn per-sonare heißt nämlich nur „hindurchschallen“. Es erhielt als Substantiv erst allmählich die umfassende Bedeutung, mit der das Besondere des Menschen bezeichnet wird.
Tausend Jahre ohne Crucifixus
Das Kreuz war im ersten Jahrtausend noch weitgehend nicht darstellbar. Der Erlöser, der wie ein Verbrecher am Kreuz hingerichtet wurde, das konnte im römischen Reich nicht als Erkennungszeichen der Christen dienen. Das Kreuz als Zeichen war möglich, aber ohne den Crucifixus, den ans Kreuz genagelten. Erst mit der Kreuzesverehrung des Mittelalters, die vor allem durch Franz v. Assisi geformt wurde, konnte das Kreuz im Chorraum aufgerichtet werden.
Krönung Marias als neues Motiv
Maria rückt im Barock in den zentralen Punkt des Kirchenraumes, auf den die Perspektive hinläuft. Im Gemälde des Hochaltars wir ihre Erhöhung, oft verbunden mit der Krönung dargestellt. Das wohl auch als Reaktion auf die Todesernte des dreißigjährigen Krieges.
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