In der Zeit der Repression und Verfolgung des Nationalsoazialismus ging es darum, die Gottesdienste, die Seelsorge aufrecht zu erhalten sowie um die Erhaltung der Pfarreien. Es sollte auch nicht mit Widerstandsmaßnahmen das Martyrium gewählt werden. Es war das sog. Prinzip Bertram, des Breslauer Kardinals, der Vorsitzender der Bischofskonferenz war.
Die kirchliche Presse wurde verboten, ebenso lösten die Nazis die Verbände auf, um die Katholiken in ihre Organisationen zu integrieren. Damit ist ein bestimmtes Kirchenbild vorgegeben: Kirche als Pfarrei. Mit einem Konkordat versuchte man den Selbsterhalt der Kirche und ihrer Strukturen zu retten. Das führte zu einem Rückzug der Kirche auf sich selbst und zur Beschränkung auf die Pfarrei. Es gab kaum ein Schuldbewusstsein der Kirche nach der Diktatur. Ganz klar trat sie gegen eine Kollektivschuld der Deutschen ein.
Vertreibung und Neuaufbruch führen zu Kirche in der DDR
Die konfessionelle Landschaft Deutschlands wird stark verändert. In den Osten Deutschlands, früher Mitteldeutschland, kommen Millionen, zumeist katholischen Flüchtlinge und Vertriebene. Viele wandern nur durch und gehen weiter Richtung Westen. In der Sowjetzone entstehen sehr viele neue Seelsorgestellen, von denen heute wieder viele verschwunden sind. Kirchen werden gebaut. Mit den Vertriebenen sind auch Geistliche vor allem aus Schlesien gekommen. Das hat nicht nur einen starken schlesischen Einfluss auf die Kirche im Osten zur Folge, sondern ist ein wichtiger Grund, dass diese Katholiken sich mit dem Land, dem früheren Mitteldeutschland, nicht in der Weise identifizieren wie das die evangelischen Christen getan haben und tun. Das hängt nicht nur mit der Universalität, der Katholizität der Kirche zusammen, wie oft gesagt wurde, sondern schlicht damit, dass dieses Land eben nicht Heimat war, sondern Fremde, in der man auch nicht immer willkommen war. Erst gegen Ende der DDR-Zeit wandelt sich das, was in der Stellungnahme gegen die Ausreise des aus Schlesien stammenden Bischof Wanke deutlich wird.
In den ersten Jahren nach dem Zusammenbruch gibt es zur Bewältigung der Nazizeit einen religiösen Neuaufbruch. Bei dieser Neubesinnung haben die Christen und christliche Werte einen großen Einfluss, sogar der Osten ist nicht gleich antikirchlich und atheistisch. Im Westen entsteht durch den parlamentarischen Rat eine Verfassung, die die katholische Sozilallehre mit der evangelischen Sozialethik und der liberalen Staatsauffassung verbindet.
Die Ulbricht-Zeit:
Der Katholischen Kirche im Osten wie im Westen ist ein klarer Antikommunismus eigen. Bischof Otto Spülbeck von Dresden äußert sich beim Katholikentag 1956:
"Aber wir leben in einem Haus, dessen Grundfesten wir nicht gebaut haben, dessen tragende Fundamente wir sogar für falsch halten. Und wenn wir jetzt in diesem Haus miteinander leben, so kann unser Gespräch nur bedeuten - verzeihen sie mir die Banalität, aber ich habe es so gesagt - wer macht in diesem Hause die Treppe sauber? Damit soll keine Abwertung der ernsten Gespräche zwischen Staat und Kirche gemeint sein, sondern es soll nur handgreiflich ausgedrückt werden, dass grundsätzliche Gespräche zwischen den beiden Partnern nicht möglich sind. ... Dieses Haus bleibt uns ein fremdes Haus. Wir leben also nicht nur kirchlich in der Diaspora, sondern auch staatlich."
Bei dieser grundsätzlichen Haltung ist die Katholische Kirche geblieben. Das macht ihre Stärke, aber auch ihre Schwäche aus, denn sie war nicht in der Lage, irgendeine Bewegung in das System zu bringen. Auch die Evangelische Kirche ist zunächst genauso antikommunistisch, bis sich der linke Flügel der Bekennenden Kirche immer mehr in den Vordergrund drängt.
- Im Osten geht man zuerst davon aus, dass der Kommunismus nicht lange dauern wird. Man versucht zu "überwintern". Die Kirche wird noch gar nicht getrennt erlebt.
- Ein Glück für die Katholische Kirche im Osten besteht darin, dass es keine staatlichen Eingriffe bei der Besetzung der Bischofsstühle und anderer kirchlicher Leitungspositionen gibt. Dennoch besteht die Angst, dass das nicht so bleibt. Darum werden viele Bischöfe und Weihbischöfe ernannt.
- Es geht auch um die Priesterausbildung. Erst am 5. Juni 1952 wird das Priesterseminar in Erfurt eröffnet. Danach entstehen auch Noviziate der Orden.
Verfolgung unter Ulbricht
Der Partei- und Staatschef war ein harter Gegner der Kirchen und ein Stalinist. Es gab Auseinandersetzung, vor allem um die evangelischen Studentengemeinden und die Junge Gemeinde. Stalinstadt (heute: Eisenhüttenstadt) sollte die erste Stadt werden, in der es keine Kirche gibt.
Die Universitätskirche in Leipzig sowie die katholische Kirche in Rostock lässt Ulbricht sprengen. Gegen die Jesuiten wird ein Prozess geführt, der so genannte Biesdorfer Prozess. Die Patres Frater, Müldner, Rueter und Menzel sowie die Seelsorgehelferin Martha Baer wurden mit Gefängnisstrafen belegt.
Der Druck auf die Gläubigen wurde härter: Christen werden von bestimmten Berufen ausgeschlossen und konnten, ohne an der Jugendweihe teilzunehmen, nicht studieren.
Positionierung der Kirche gegenüber dem Staat
Die Katholische Kirche bleibt bei der grundsätzlichen Ablehnung. Diese prinzipielle Haltung kommt am deutlichsten im Kampf gegen die Jugendweihe zum Ausdruck. Zuerst war die Evangelische Kirche lauter und schriller. Jedoch hat das evangelische Kirchenvolk nicht mitgezogen, so dass die Kirchenleitung vorsichtig wurde. Das hat ihr dann wieder den Vorwurf der Weichheit, ja Kollaboration eingetragen. Die Katholische Kirche blieb bis zum Schluss so prinzipiell eingestellt. Das hatte auch Unbeweglichkeit zur Konsequenz. In praktischen Fragen war man aber zum Gespräch bereit.
Man kehrte zum Grundsatz der Nazizeit zurück: Es geht um das Überleben und den Erhalt der normalen Seelsorge. Darum wurden Proteste und Einflussnahme nur auf dem sog diplomatischen Weg geäußert, jedoch bei offener Verletzung von Menschenrechten wird auch öffentlich Stellung bezogen, so mit einem Hirtenbrief zur Erziehung.
Kardinal Bengsch fasste das in folgendes Bild: Daniel in der Löwengrube hat die Löwen weder gestreichelt noch am Schwanz gezogen.
Die Erfahrungen lassen sich so zusammenfassen:
Die Kirche in Diktaturen ist in ihrem Leben gehemmt. Die Unfreiheit verhindert Kreativität. Das Leben wird nur bewahrt, aber es geht nicht weiter. Darum sind sehr viele von den östlichen Kirchen auf dem Stand vor dem Konzil stehengeblieben. Denn je mehr man vom allgemeinen geistigen Strom abgeschnitten war, umso stärker kam es zu diesen Konsequenzen:
- - Man bewahrt und bleibt stehen.
- - Der Westen wird verdächtigt, zu liberal und freiheitlich zu sein. Den Christen dort wird unterstellt, dass sie nicht mehr „richtig“ glauben.
Deshalb der Dank an die Medien und Dank an die Menschen, die uns besucht und so die Verbindung aufrecht gehalten haben.
Heute knüpft man dort an, wo man aufgehört hat. Das führt zu großen Problemen der Kirchen im Osten. Die psychischen Folgen sind Angst und Misstrauen gegen Fremdes. Aber auch großes Vertrauen und enger Zusammenhalt untereinander. Es ist deshalb für zugereiste Westdeutsche sehr schwer, in die Gemeinden in den Neuen Bundesländern hineinzukommen.
Leitbild ist die geschwisterliche Gemeinschaft, die zum Bild der familiären Kirche führt. Es gibt eine große Nähe zu den Bischöfen. Der Bischofsmantel wird als Schutzmantel erlebt und führt auch dazu, dass die Bischöfe alles und jedes unter ihren Mantel zu bekommen suchen. Das ermöglicht auch eine Drohung durch Bischof Braun in Magdeburg an kritischen Arbeitskreis Halle, den Mantel zu entziehen und sie der Stasi auszuliefern.
Im Westen verläuft die Entwicklung sehr anders. Es kommt zu einer starken Institutionalisierung der Kirche, die durch die wachsenden Kirchensteuereinnahmen ermöglicht wird. Die Katholiken identifizieren sich mit dem Staat und seinen Vertretern, vor allem mit der CDU, weil dieser viele Elemente der katholischen Soziallehre übernimmt.
Der Autor, Thomas Gertler, ist im katholischen Eichsfeld aufgewachsen, Mitglied des Jesuitenordens geworden. Er hat über „Gaudium et Spes“ des Zweiten Vatikanischen Konzils promoviert, war bis 1998 in Erfurt und wurde dann mit Leitungsaufgaben im Orden betraut.
Links: Modul: Kirche in der DDR Beiträge auf explizit.net und hinsehen.net über die Kirche in der DDR Hier geht es zu den Links
1. Kirche in der DDR- die Vorgeschichte
Der Prozess der deutschen Einheit hat uns zu Bewusstsein gebracht, dass wir im Osten und Westen in 40 Jahren nicht nur unterschiedliche Erfahrungen mit der Gesellschaft und dem Staat, sondern auch mit Kirche gemacht haben. Wir haben beide Kirchen unterschiedlich gestaltet. Dafür zuerst ein Rückblick auf die Jahrzehnte, ehe die Katholiken in zwei sehr verschiedenen deutschen Staaten lebten. Hier zum Weiterlesen
3. Mauerbau, Konzil, Studentenrevolte und Synoden
Kirche in der ehemaligen DDR - heute knüpft man dort an, wo man aufgehört hat. Das führt zu großen Problemen der Kirchen im Osten. Die psychischen Folgen der Diktatur sind Angst und Misstrauen gegen Fremdes. Aber auch großes Vertrauen und enger Zusammenhalt untereinander. Hier die Zeit bis 1968. Hier zum Weiterlesen
4. Die neue Kirchenpolitik Honeckers und der Anfang vom Ende
Die Ostpolitik von Willy Brandt führt zum Grundlagenvertrag, ohne dass sich damit für die Christen wie auch für die DDR-Bürger Entscheidendes änderte. Die marxistische Philosophie hatte bereits mit der Niederschlagung des Prager Frühlings ihre Überzeugungskraft endgültig verloren. Vorausgegangen waren neue Ansätze. Der Staat erlaubte Synoden und Treffen ähnlich den Katholikentagen. Hier zum Weiterlesen
5. Die Wende und die Nachwendezeit
Die Wende ging von den christlichen Gemeinden aus. Sie hat die staatlichen Strukturen verändert und die Herrschaft des Kommunismus beendet. Sie hat auch die Kirchen in den Neuen Bundesländern verändert. Sie war vor allem eine Erfahrung der Menschen im Osten. Hier zum Weiterlesen
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