Höhlenkloster Kiew, Foto: explizit.net E.B.

In der Ukraine entsteht eine orthodoxe Nationalkirche

Am 11. Oktober hat die Synode beim Oekumenischen Patriarchen in Konstantinopel entschieden. Es wird eine autokephale, d.h. eigenständige Orthodoxe Kirche der Ukraine geben. Dafür musste ein Dekret von 1686 aufgehoben werden, das die Bistümer auf dem Gebiet der Ukraine dem Moskauer Patriarchen unterstellt. Tilo Krausse, Osteuropaexperte und gegenwärtig als Projektberater in der Region tätig, hat uns zu den Entwicklungen in der Ukraine detaillierte Informationen gemailt.

Nur eine Orthodoxe Kirche für die Ukraine

Offiziell geht es darum, die Gläubigen, die den beiden nicht-kanonischen Kirchen angehören, in die Gemeinschaft der anerkannten christlichen Kirchen zurückzuführen. Die 1992  vom  damaligen Metropoliten Filaret gegründete Kirche des „Kiewer Patriarchats“ wurde bisher als „schismatisch“ nicht von der Weltgemeinschaft anerkannt. Daneben gibt es noch die Ukrainische autokephale Orthodoxe Kirche, die ehemalige Auslandskirche der Ukrainer, die in den Wirren des Bürgerkriegs 1920 gegründet wurde. Nach byzantinischer Lesart soll es wieder eine „Symphonie“ zwischen Thron und Altar, also zwischen staatlicher und kirchlicher Führung geben. Dafür hatte sich der ukrainische Präsident an den Oekumenischen Patriarchen von Konstantinopel, Bartholomäus gewandt, d.h. an das für alle Orthodoxen Kirchen zuständige Oberhaupt. Nachdem dieser Antrag positiv von der Heiligen Synode des Ökumenischen Patriarchats beantwortet wurde, wird es jetzt erst einmal darum gehen, eine Ukrainisch-Orthodoxe Gesamtkirche zu schaffen. Zu dieser Vereinigungssynode sind Vertreter aller Ukrainisch Orthodoxen Kirchen eingeladen und damit ausdrücklich auch Bischöfe und die Vertreter der zum Moskauer Patriarchat zugehörigen Kirche. Diese große Vereinigungssynode soll dann frei ihren neuen Patriarchen wählen und sich einen neuen Namen geben. Offiziell soll es keine Staatskirche geben, versicherte noch einmal der ukrainische Präsident, aber de facto läuft alles darauf hinaus. Die ukrainische Regierung bedient ganz bewusst das Konzept einer Nationalkirche, die aber dem multikulturellen Charakter der Ukraine nicht entspricht. Das Szenario für die folgenden Monate könnte wie folgt aussehen:  

  • Nach der Vereinigungssynode, zu der alle Bischöfe eingeladen sind, wird eine neue, von Konstantinopel anerkannte Ukrainisch- Orthodoxe Kirche entstehen. Dieser neue Kirche, konkret ihrem neu gewählten Hierarchen wird der Ökumenische Patriarch persönlich den Tomos, die Urkunde über die Unabhängigkeit, überreichen.

  • Diese neue Kirche wird juristische Schritte einleiten, um eine Namensänderung der bisher alleinig von den anderen Kirchen anerkannten Ukrainisch- Orth. Kirche des Moskauer Pariachats einzuleiten. Diese Kirche ehemals Ukrainisch-Orth. Kirche des Moskauer Patriarchats, darf sich dann nur noch als Russisch-Orth. Kirche in der Ukraine bezeichnen bzw. als Exarchat, d.h. als Kirche außerhalb des Stammlandes fungieren.

  • Gegenwärtig sind in der Ukraine noch etwa über die Hälfte aller orthodoxen Gemeinde bei der Ukrainisch- Orth. Kirche des Moskauer Patriachats eingetragen. Die Anerkennung einer neuen, vereinten Ukrainischen Orthodoxen Kirche wird das ändern. Man rechnet damit, dass sich über die Hälfte der Gemeinden dieser neuen Kirche anschließen werden. Dafür sollen verschiedene Anreize geschaffen werden, zudem können die „Überläufer“ auf staatliche Unterstützung rechnen.

  • Als ausländische Kirche verliert die Russ.-Orth. Kirche damit automatisch alle
    Nutzungsrechte auf die sich in Staatseigentum befindlichen Klöster und Liegenschaften. Die entsprechenden Verträge werden nach und nach auslaufen bzw. gekündigt werden. Der Staretz. der Abt eines entsprechenden Klosters hat dann die Entscheidung zu treffen, ob er und sein Kloster zur neuen Ukrainischen Staatskirche übertreten oder ob sie das Kloster verlassen möchten. Dieser Übergang kann einige Jahre in Anspruch nehmen. Da die größten und wichtigsten Klöster alle der Ukrainischen Orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats unterstehen, diese aber in der Ukraine ausnahmslos Staatseigentum sind, könnte der Staat die Pachtverträge per Dekret beenden, weil es eine geeinte Ukrainisch Orthodoxe Gesamtkirche gibt, die der rechtmäßige Nutzer als Erbe der Interessen des ukrainischen Volkes wäre. Die Ukrainisch- Orthodoxe Kirche des Moskauer Patriarchats hätte dieses Privileg als ausländische Körperschaft bzw. Minderheitenkirche dann nicht mehr.  

Damit wären nach Vorstellung des voraussichtlich neuen Ukrainischen Patriarchen Filaret alle demokratischen und juristischen Voraussetzungen geschaffen, um die Moskauer Kirche zu entmachten. Filaret hat sich schon einmal vorsorglich von seiner Synode den Ehrentitel „Holy Archimandrit” über die beiden Lavra Klöster, dem Kiewer Höhlenkloster und dem Lavra Kloster von Pochejev geben lassen. Den Zusatz „Lavra“ tragen besonders bedeutsame und alte Klöster. Damit unterstehen dem neuen Patriarchen beide Klöster direkt. Noch werden die Klöster jedoch von der Kirche des Moskauer Patriachats genutzt, der Konflikt ist damit vorgezeichnet. Obwohl immer wieder berichtet wird, dass sich die Menschen in der Ukraine von der „Moskauer Kirche“ abwenden, gelang es der Kirche des Moskauer Patriarchats für die Feierlichkeiten zur 1030 jährigen Taufe des Kiewer Rus in diesem Jahr ca. 250.000 Gläubige zu mobilisieren, wobei bei der staatlichen Veranstaltung des Kiewer Patriarchats weitaus weniger Menschen teilnahmen. Das zeigt, dass der Einfluss des Moskauer Patriarchats weiter besteht und die Maßnahmen zur Errichtung einer eigenen orthodoxen Kirche darauf zielen, den Einfluss des Moskauer Patriarchats für die Gemeinden in der Ukraine einzuschränken. Eine erste Abspaltung vor allem der orthodoxen Auslandskirchen vom Moskauer Patriarchat geschah bereits 1920, weil die orthodoxe Kirche in die Wirren des russischen Bürgerkriegs hineingezogen wurde. 1992 erfolge dann die Abspaltung in der Ukraine. Die Gemeinden des neuen Kiewer Patriarchats hatten sich vorher weitgehend dem Moskauer Patriarchat zugerechnet. Neben der Auslandskirche, der Kirche des Moskauer Patriarchates und dem jungen Kiewer Patriarchats gibt es im Westen der Ukraine Bistümer, die sich bereits im 17. Jahrhundert dem Papst unterstellt hatten.  

Die politische Seite der neuen Kirche

Philaret, hat sich schon einmal weltoffen bei seinem Besuch am 19. Sept. 2018 in Washington auf der „Atlantic Council“ gezeigt. Thema dieses doch sehr politischen Besuchs war die bevorstehende Autokephalie einer neuen Ukrainischen Orthodoxen Gesamtkirche. Für einen orthodoxen Hierarchien ist es höchst ungewöhnlich an solchen politischen Veranstaltungen teilzunehmen. Er nutze dieses Podium, um sich als zukünftigen Patriarchen einer vereinten Ukrainisch Orthodoxen Kirche zu empfehlen. Präsident Poroschenko war auch zugegen und stellte dabei Metropolit Simeon von Vinnitsa and Bary vor. Metropolit Simeon kommt aus der Stadt, wo Poroschenko und Ministerpräsident Groysman ihre politische Heimat haben. Dazu kommt, das Simeon noch relative jung ist und der Ukrainisch Orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats angehört und somit der neuen Einheitskirche eine ganz andere Legitimität geben könnte. Wie auch immer, um die Namensgebung und um deren Vorsitz wird auf der kommenden Vereinigungssynode erbittert gefochten werden.  Die Bedeutung des Beschlusses der Heiligen Synode von Konstantinopel zur Erteilung der Autokephalie einer Ukrainisch-Orthodoxen Kirche ist jedoch auch in den USA unumstritten. Philaret sprach, deshalb auch von einem epochalen Sieg gegen die Russen und das Moskauer Patriachat. „In Moskau herrscht jetzt Chaos und Bestürzung, sie haben wegen unserer Autokephalie sogar den nationalen Sicherheitsrat einberufen.“ Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko bezeichnete die Frage der Autokephalie als: „weiteren Akt der Unabhängigkeitserklärung der Ukraine“. Die Autokephalie betreffe nicht nur das kirchliche Leben, sie sei eine Frage der Unabhängigkeit, nationalen Sicherheit und Staatlichkeit. Zudem sei sie ein „Teil unserer proeuropäischen und proukrainischen Staatsstrategie, die wir in den letzten vier Jahren umgesetzt haben“. Er fügte hinzu: „Das ist der Fall des Dritten Roms, des ältesten konzeptionellen Anspruchs Moskaus auf die Weltherrschaft.“ So war  es im Nachrichtendienst „Östliche Kirchen“ zu lesen. Die meisten Bischöfe der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche des Moskauer Patriachats befinden sich jetzt auf der: „Mirotvorets Liste“, einer Liste der Feinde der Ukraine, darunter der Metropolit von Kiew und der ganzen Ukraine Onuphry, Metropolit Paul of Vyshogorod and Chernobyl, Abt des Kiewer Höhlenklosters, Metropolit Vladimir von Pochaev, Abt des Pochaev Lavra Klosters, Erzbischof Philaret von Novaya Kahovka, Bischof Philaret von Lemberg, Metropolit Ephraim von Krivoy Rog, Metropolit Theodore von Kamenets-Podolsky, Metropolit Mark von Khust und Metropolit Hilarion von Donetsk. Diese Würdenträger der Ukrainischen Kirche des Moskauer Patriachats wurden alle aufgefordert, die Ukraine zu verlassen, bevor es zu spät sei. Ganz anders klingt dagegen die Versicherung des ukrainischen Präsidenten, dass niemand zu einem Übertritt in die neue Kirche gezwungen werden sollte und dass er gegen gewaltsame Kirchenbesetzungen vorgehen werde Es ist jedoch festzuhalten, dass die Liste der Feinde der Ukraine als eine halb-offizielle Seite zu verstehen ist.

Die Rolle des Oekumenischen Patriarchen

Was das Ökumenische Patriarchat dazu bewogen hat, sich auf eine solche politische Entscheidung einzulassen, ist schwer zu sagen. Das Ökumenische Patriarchat hat natürlich mit dieser Entscheidung seine historischen Privilegien unter Beweis gestellt und damit seine Macht gezeigt. Der Ökumenische Patriarch Bartholomäus sagte dazu: „Es sei die Aufgabe des Patriarchats von Konstantinopel, über die Einhaltung der kirchlichen und kanonischen Ordnung zu wachen.“ In einem anderen Statement gestand Bartholomäus, dass seine slawischen Brüder den Vorrang des Ökumenischen Patriarchats nicht anerkennen, aber dass ihnen mit der Zeit keine andere Wahl bleibe, als die Entscheidung über die neue kirchliche Ordnung in der Ukraine zu akzeptieren. Als Zeichen der Dankbarkeit erhielt das Ökumenische Patriarchat zur Nutzung die „St. Andrew’s Cathedrale“ in Kiew vom ukrainischen Parlament überschrieben. Allerdings zu einem hohen Preis! Die verlorene Einheit der „Orthodoxen Christenheit“. Die Tragweite dieses neuen Schismas ist gegenwärtig noch nicht abzuschätzen.  Prof. Dr. Thomas Bremer, Uni. Münster schreibt dazu: „Doch der Weg, auf dem die Autokephalie zur Zeit zu erreichen versucht wird – durch politische Kräfte, einseitige Handlungen Konstantinopels, Vorschläge zu einseitigen und diskriminierenden Gesetzen sowie die Verbreitung von falschen und irreführenden Informationen –, ist nicht der richtige.”

Die Spaltung wird bis in die Familien gehen

Die Errichtung einer Nationalkirche in der Ukraine ist für die Orthodoxe Christenheit ein tragisches Ereignis, insbesondere in der Ukraine und der Diaspora. Es wird viele Familien und Freundschaften entzweien und für die Mitglieder der Kirche des Moskauer Patriarchats wird es einem wahren Test des Glaubens. 

Zum Foto: Der Klosterbezirk hat mehre Kirchen, unter den Gbäuden liegen die Mönchshöhlen, in denen ab dem 11. Jahrhudnert, vergleichbar den Inklusen, Menschen in völliger Abgeschiedenheit sich dem Gebet und der Meditaiton widmeten.

Video zu den Feierlichkeiten der Taufe des Kiewer Früsten Valdimir vor 1030 Jahren

Links Beiträge zur Staatswerdung der Ukraine


Kategorie: Kirche

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