Foto: dpa / picture-alliance

Zum Tod Adolfo Suárez‘

(explizit.net) Mit Adolfo Suárez ist vor wenigen Tagen der letzte der drei Aufrechten von uns gegangen, die, beim Überfall auf das spanische Parlament vor gut dreißig Jahren dem Kommando des Obersten Tejero, sich zu Boden zu werfen, nicht Folge leisteten und damit ihr Leben für die junge spanische Demokratie riskierten. Aber es gab in jenen dramatischen Momenten noch eine vierte Person im Parlament, die das Kommando ignorierte - den Kameramann des staatlichen Fernsehens nämlich!

(explizit.net) Mit Adolfo Suárez ist vor wenigen Tagen der letzte der drei Aufrechten von uns gegangen, die, beim Überfall auf das spanische Parlament vor gut dreißig Jahren dem Kommando des Obersten Tejero, sich zu Boden zu werfen, nicht Folge leisteten und damit ihr Leben für die junge spanische Demokratie riskierten. Aber es gab in jenen dramatischen Momenten noch eine vierte Person im Parlament, die das Kommando ignorierte - den Kameramann des staatlichen Fernsehens nämlich!

Und da in spanischen Familien der Fernseher nur selten abgeschaltet wird, sondern im Hintergrund mitläuft, konnten Millionen in einer Live-Sendung während des Mittagessens verfolgen, wie erklärte Demokraten, unter ihnen der spätere Ministerpräsident Felipe González, sich vor den Schüssen der Putschisten unter ihre Pulte verkrochen.

Andere dagegen, wie der Regierungschef Adolfo Suárez, sein greiser Innenminister, der General im Ruhestand Gutiérrez Mellado sowie der Chef der spanischen Kommunisten, Santiago Carrillo - Männer also, die erst sehr spät zur Demokratie gefunden hatten, missachteten das Kommando und boten den erklärten Feinden der Demokratie ihre Stirn.

Wer hätte sich wohl vorstellen können, dass Männer wie Suárez und Gutiérrez Mellado, in früheren Jahren militante Mitglieder der faschistischen Falange, sich jäh in einem Boot wiederfinden könnten mit Santiago Carrillo, dem langjährigen Chef der spanischen Kommunisten!

Aber, wie gesagt, es gab noch diesen Vierten im Bunde, der das Kommando, sich zu Boden zu werfen, ignorierte - den Kameramann des staatlichen spanischen Fernsehens!

Und so wurde eine ganze Nation Zeuge, wie der über siebzigjährige Gutierrez Mellado sich auf den mit einer Pistole herumfuchtelnden Obersten stürzte und ihn wütend anfauchte, er möge gefälligst den Blödsinn lassen und ihm sofort die Waffe aushändigen!

Denn eigentlich war die Sitzung ja dazu bestimmt gewesen, den Abgeordneten Lepoldo Calvo Sotelo zum Nachfolger von Adolfo Suárez zu wählen. Der noch amtierende Ministerpräsident lief seinen Minister nach, um ihn vor dem Schlimmsten zu bewahren. Der zierliche ältere Herr jedoch mit der dicken Hornbrille war in seinem rasenden Zorn nicht mehr zu stoppen.

Der Chef der spanischen Kommunisten, Santiago Carrillo, der, bei einem Gelingen des Putsches, wohl als allererster hätte um sein Leben bangen müssen, blieb aufrecht in seiner Bank sitzen, das Geschehen fest im Blick und steckte sich, wie´s schien, in aller Seelenruhe einen „pitillo“ an, wie er seine geliebten Gauloise zu nennen pflegte.

Endgültig aber wurde das Geschehen zur Posse, als der baumlange putschende Oberst, um seinem Kommando energisch Nachdruck zu verschaffen, die besagte Pistole immer noch schussbereit in der Rechten, seinen Vorgesetzten, den Innenminister, in den Schwitzkasten nahm, um den weit Älteren zu Boden zu ringen.

Genau dies aber war der Moment, als der Putsch lautlos zusammenbrach - als nämlich eine ganze Nation voller Staunen zusehen musste, wie sich ein riesiger Oberst der Guardia Civil vergeblich abmühte, einen ihm körperlich weit unterlegenen Gegner zu Fall zu bringen - während die Gefolgsleute des Obersten, aus Furcht, andere könnten dem Beispiel des tobenden Ministers folgen, mit ihren Maschinenpistolen wahllos in die Stuckdecke ballerten.

Die Abwicklung des missglückten Putsches 23-F, wie er nach dem Datum, dem 23. Februar 1981, genannt wird, sollte danach nur noch wenige Stunden beanspruchen. Und als auch die Panzer, die bereits Städte wie Valencia in ihrer Gewalt hatten, sich dank der Intervention des Königs in die Kasernen zurückzogen, konnten die Spanier wieder erleichtert aufatmen.

Nicht zuletzt aber sei hier auch des Kameramanns Pedro Francisco Martín gedacht, der unbeirrt auf der Galerie seiner Arbeit nachging und damit ein kleines Wunder in der Geschichte des staatlichen spanischen Fernsehens vollbrachte.

<emphasize>Luis Miehe</emphasize>



Kommentare (0)

Keine Kommentare gefunden!

Neuen Kommentar schreiben

Zum Seitenanfang