Drei Könige, Ravenna Sant'Apollinare Nuovo Foto: hinsehen.net E.B.

Weihnachten begründet die Würde der Person tiefer

Warum ist Weihnachten nicht nur ein Fest für die Mitglieder der Kirchen: Durch das Kind in der Krippe wird die Würde jedes einzelnen tiefer verankert.

Das Fest muss etwas in sich tragen, was über die Kirchenräume hinausragt. Denn hätte Jesus nicht auch für unsere Generation eine große Bedeutung, dann müsste unsere Aufmerksamkeit doch den Kindern gelten, die im abgelaufenen Jahr geboren wurden. Seine Bedeutung erschließt sich erst in mehreren Schritten. Die Chirstenheit hat bis ins fünfte Jahrhundert darum gerungen, wie sie Jesus verstehen soll. Am Ende stand ein vertieftes Bild vom Menschen, die Person-Würde. 

Menschen gewinnen eine unwiederbringliche Bedeutung

Das Kind wurde erwartet, als der Messias, der Gesalbte, der Christos. Die Hirten wie die Vertreter der Heiden, die Drei Weisen, begrüßten ihn. Für Herodes ist er Rivale. Denn wenn ein Nachkomme Davids geboren wurde, war der Königstitel für Herodes dahin, der eben nicht aus königlichem Geschlechte stammte, sondern von Gnaden Roms sein Amt erhalten hatte. Als der erwachsene Jesus ein politisches Amt ablehnte, sich aber trotzdem als König verstand, ging es um eine Ebene jenseits der Politik. Bis heute trennt das Juden und Christen, denn für die Juden ist der Erweis für den Messias, dass dieser das Reich Davids wiederherstellt. Da sind wir in der Gegenwart angelangt, denn diese Hoffnung bestimmt die Politik des Staates Israel. Diejenigen, die nicht zum jüdischen Volk gehören, können aber mit Recht fragen, welche Bedeutung dieses Kind heute noch haben soll. Dazu eine erste Beobachtung: Einige Menschen haben für mein Leben eine Bedeutung. Sie behalten diese Bedeutung über den Tod hinaus. Mein Leben wäre anders verlaufen, ich hätte viel oberflächlicher gelebt. Weil ich von diesen Menschen geachtet und ernst genommen wurde, konnte ich Vertrauen ins Leben gewinnen. Hat Jesu eine vergleichbare Bedeutung, auch für diejenigen, die sich nicht einer christlichen Kirche zugehörig fühlen:

Im Kind das Göttliche erkennen

Wenn Jesus eine unwiederbringliche Bedeutung haben soll, wenn er mehr ist als ein Prophet, dann kann er diese Bedeutung nicht von Menschen haben. Er muss die Vollmacht anderswoher haben, von da, wo auch wir unseren Ursprung haben. Deshalb wird das Kind als Immanuel verkündet, „Gott mit uns“. Dieses Versprechen wird allerdings anderes eingelöst als seine Jünger es erwartet haben. Sie hatten sich Jesus mit der Erwartung angeschlossen, dass er als neuer König die römische Besatzungsmacht hinauswerfen und das Reich Davids wieder aufrichten wird. Für sie war der Karfreitag die totale Enttäuschung. Wahrscheinlich waren es die Frauen, die Mutter, Maria von Magdala und die anderen, die in der Hinrichtung nicht das Ende seiner Mission gekommen sahen, weil sie nicht an seiner Herkunft von Gott zweifelten. Es war nun genau die Frage, wie dieser Jesus zugleich Mensch wie von göttlicher Natur, Gottes Sohn, sein kann. An dieser Frage entwickelte sich ein neues Verständnis vom Menschen. Auch wenn viele in Jesus nicht den Sohn Gottes sehen können, so die Muslime, gibt es etwas, das von diesem Verstehen des Göttlichen in Jesus ausgeht. Es ist die Überwindung der Vorstellung, dass der Mensch zusammensetzt ist, aus Materiellem und Geistigem. Der Mensch ist eben nicht nur eine Zusammensetzung aus Leib und Seele, sondern das Körperliche und das Seelische haben in der Person ihren Einheitspunkt.  Für uns liegt die Würde jedes einzelnen in seinem Personsein begründet.

Für das Kind in der Krippe musste die Philosophie weiter entwickelt werden

Für Jesus, wenn er zugleich Sohn Gottes und richtiger Mensch sein sollte, führte das damalige Bild vom Menschen in Widersprüche. Die griechische Konzeption sah den Menschen aus Materie und Seele zusammengesetzt. Wenn man Jesus zugleich als Menschen wie als Sohn Gottes sieht, dann läuft diese Vorstellung darauf hinaus, dass die Seele mit dem göttlichen Logos identisch ist und der Leib dann nur Verkleidung des Göttlichen sein kann. Damit verlor aber die Kreuzigung ihre Bedeutung. Jesus war jedoch wirklicher Mensch, die Menschen konnten ihn berühren. Als lebendiger Mensch mit einem Leib musste er auch eine menschliche Seele haben. Aber dann gab es plötzlich Zwei, den Sohn Marias und den Sohn des himmlischen Vaters. Das war aber auch nicht möglich, denn seine Zuhörer hatten nie den Eindruck gewonnen, aus ihm sprächen zwei unterschiedliche Stimmen. Es musste einen anderen Einheitspunkt geben. Das neue war der Personbegriff, um Jesus als menschlich und göttlich zu sehen, der doch Einer ist.
Für das Bild vom Menschen lässt der Personbegriff uns verstehen, dass wir nicht unser Leib „sind“, sondern diesen „haben“, wie wir auch Geist haben. Wir sind nicht einfach aus zwei Teilen zusammengefügt. Wir sprechen heute vom Personkern. Dieser Begriff konnte jedoch erst gebildet werden, als ein tieferes Verstehen von Jesus mit dem bisherigen Menschenbild nicht zu gewinnen war.

Die Würde des Menschen wird Weihnachten tiefer begründet

Das Kind in der Krippe steht nicht in der Verfügung des Menschen. Es ist Maria und Joseph nur anvertraut. In seinem Personkern ist er auf Gott bezogen und damit der menschlichen Macht entzogen. Das ist dann auf jeden Menschen zu übertragen. Es war nämlich nur ein kleiner Schritt im Verstehen, dass mit der Menschwerdung Jesu die ganze Menschheit vergöttlicht wurde. Hier berühren sich Christentum und Hinduismus, der von der Vergöttlichung des Menschen überzeugt ist. Dieser lange Verstehensprozess kam zu einem ersten Abschluss 451 mit dem Konzil von Chalcedon. Der Personbegriff, der also nicht nur die Seele meint, gibt bis heute Europa eine viel sichere Basis für die Menschenrechte als z.B. das Menschbild Chinas. Das kann den Einzelnen nur als einen unter Vielen sehen. Vertieft hat sich in den letzten 200 Jahren das Verständnis der Freiheit, dass diese Befähigung nicht den Naturgesetzen unterliegt und auch keine bloße Funktion von Hirnströmen ist. Die Freiheit entspringt dem Personkern. 

Weihnachten – den göttlichen Funken entdecken

Weihnachten wird in einem tieferen Verständnis des Menschen auch heute wirksam. Diese Wirkung geht von einem tieferen Verständnis des Menschen aus, welches mit dem Personbegriff durch die Geschichte getragen wird. Weihnachten „passiert“ mir also dann, wenn ich im anderen das Besondere, das Unzerstörbare, den göttlichen Ursprung erblicke. Zum göttlichen Kind ist dann der Zugang nicht mehr so schwierig, denn das Kind in der Krippe eröffnet uns den Zugang zu dem göttlichen Funken im anderen.  

Eckhard Bieger S.J. 

Weihnachten bedeutet: Alles, was wichtig ist, bekommen wir umsonst



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