Foto: hinsehen.net E.B.

Waldgeruch

Ein Garten grenzt oft an einen Wald. Der Wald ist geheimnisvoller, vor allem, wenn er keinen Forstbetrieb kennt. In solche Waldstücke zieht es besonders die Kinder, während Erwachsene den etwas geordneteren Garten vorziehen.

Ein Stück Wald ist zu meinem Grundstück dazugekommen ist. Der Wald ist wild und in den vergangenen Jahren hat er alles Strauchwerk, den Baumschnitt und das Unkraut, das nicht in den Komposter passte, aufgenommen. Eine Fläche von 70 qm habe ich schon geräumt, gerodet und freigelegt. Dick liegt das Herbstlaub auf dem Boden. Den Zaun, den ich an einer Stelle mit Klammern verschlossen habe, öffne ich und kann mit leichten Schritten den weichen Waldboden betreten. Ich schiebe meine Füße, die in grünen halbhohen Gummistiefeln stecken, durch das trockene Laub. Es raschelt, knistert, duftet ein wenig modrig nach Moos, nach verrotteten Wurzeln und nach gesunder schwarzer Erde. Ein Hauch von Pilzgeruch liegt in der Luft. Diese Düfte und das raschelnde Laubgeräusch sind mir aus Kindheitstagen sehr vertraut. Meine Schritte auf dem weichen Waldboden und der Geruch, der mir in die Nase steigt, holen mich in die Vergangenheit zurück.

Der Wald war schon immer mein Zuhause.

Es ist erstaunlich, dass ich jetzt im Alter dieses Kindheitsgefühl wieder spüre. Nie in meinem Leben habe ich mich so frei und unabhängig gefühlt wie damals als Kind und jetzt wieder im Alter - in diesem Garten. Ich rieche den Duft, nehme das Farbenspiel der Sonnenstrahlen auf, die sich in den Zweigen der Bäume brechen und ihre Schatten auf den Waldboden werfen. Ich lasse die Stille auf mich wirken. Ich scheine in meinen Erlebnisraum als Kind einzutauchen. Der Wald war mein Spielplatz, mein Erlebnisfeld, mein Kinderzimmer und mein Lehrmeister. Hier habe ich mir schon Vieles angeeignet, was ich später auch beruflich nutzen und weiter entwickeln konnte.
Sobald ich meine Schulaufgaben fertig hatte, war ich draußen. Ich baute mir Hütten aus Zweigen und Laub, die ich mit einem Vorgarten noch erweiterte. Meine Eigenheime, meine Beete. Gepflanzt wurden Veilchen und Schlüsselblumen, die ich aus den Wiesen ausgrub. Ich konnte es wachsen sehen, lebte mit den Pflanzen, den Tieren und den unterschiedlichen Jahreszeiten. Ganz selbstverständlich war das für mich. Ich gehörte dort hin.
Oft kniete ich auf dem weichen Boden und beobachtete die Ameisen mit ihren schweren Lasten, wie sie über das vermoderte Laub zu ihrem Bau eilten. Manchmal begegneten mir die schwarzen Hirschkäfer mit ihren großen gezackten Zangen oder ich fand die rotgrünlichen Galläpfel, die unter den Eichenblättern klebten. Ich sehe noch die kleine Fliegenlarve in der Kugel.

Haustiere der Kindheit

Auch Maikäfer gehörten in meiner Kindheit ganz selbstverständlich dazu. Sie faszinierten mich mit ihren braunen Panzern, den klebrigen Füßchen, mit denen sie sich auf der Haut festhielten, so dass man sie nicht abschütteln konnte. Sie waren so zutraulich und blieben auf der Hand sitzen, hatten keine Angst, auch wenn sie in manchen Jahren zur Plage wurden und wir sie entsorgen mussten.
Alle diese Tiere, Pflanzen und Dinge aus der Natur gehörten zu meinem Leben als Kind, ich redete mit ihnen und bezog sie in mein Spiel mit ein.
In Gläsern mit Schraubverschluss und Grünzeug zum Fressen hatten die Käfer bei mir ein „Zuhause“. Natürlich habe ich Löcher in die Deckel geschlagen, damit sie Luft bekamen. Ich erweiterte je nach Jahreszeit meinen Haus-Zoo mit Kaulquappen aus dem Bach, den Schnecken von der Wiese, den Blindschleichen und Hirschkäfern. Ich konnte sie versorgen, ernähren, beobachten und fühlte mich ihnen nahe. Sie lebten mit mir, ich lebte mit ihnen. Nicht immer überlebten sie.
Manchmal gelang es aber, die Kaulquappen bis zum kleinen Froschstadium durch zu kriegen. Das machte mich glücklich, weil ich sie dann wieder aussetzen konnte. Natürlich weiß ich heute, dass diese Art von Tierhaltung nicht tiergerecht war, aber damals waren sie meine Haustiere.

Der Wald ist voller Beeren

Ab Juni war ich als Kind mit den Blechmilchkannen, die schon überall kleine Dellen hatten, in den Lichtungen zum Erdbeersammeln. Die kleinen roten Beeren mit manchmal noch etwas gelblicher Spitze schmeckten hervorragend, süß, eben richtig nach Walderdbeeren. Meistens brachte ich sie nach Hause für den Nachtisch mit Milch und Zucker. Aber manchmal nahm ich sie auch mit in meine Hütte und lud die Freundin zum " Essen" ein. Ich fühlte mich als Achtjährige so erwachsen, wie meine Mutter, die eine Familie mit 6 Kindern zu versorgen hatte. Himbeeren, Brombeeren, Heidelbeeren lösten die Erdbeerernte ab. Es war ganz selbstverständlich, dieses Beerenobst zu pflücken. Heute, mit dem Fuchsbandwurm, muss ich mich überwinden, im Wald die kleinen roten oder blauen Beeren direkt vom Strauch zu pflücken. Die Angst, mir etwas einzufangen, hindert mich daran, den unvergleichlichen Geschmack dieser wilden Früchte zu genießen. Ich greife dann lieber auf Gezüchtete zurück, die aber oft ihren typischen Geschmack verloren haben. Schade, denn dass die Natur uns zu jeder Jahreszeit ernähren kann, ist auch damit ein wenig verloren gegangen.

Jeder Garten atmet einen Geist



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