Ukraine-Statue, Kiew Majdan, F: E.B.

Wahlen in der Ukraine – fünf Parteien haben Chancen

2019 ist in der Ukraine eine Zeit der Wahlkämpfe. Ende März wurde Wolodymyr Selenskyj zum neuen Staatsoberhaupt gewählt. Parlamentswahlen finden am 21. Juli statt, drei Monate früher als es in der Verfassung der Ukraine vorgeschrieben ist. Wodurch ist es bedingt? Und gibt es tatsächliche Gründe dafür?

Die nächsten ukrainischen Parlamentswahlen hätten am 27. Oktober 2019 stattfinden müssen. Nachdem der neue Präsident Wolodymyr Selenskyj am 20. Mai sein Amt angetreten hatte, kündigte er die Auflösung des Parlaments der VIII. Legislaturperiode an. Als Hauptgrund für die Auflösung des Parlaments wurden die fehlende Mehrheit der Koalition und das geringe Vertrauen in die Regierung ins Feld geführt.  62 Angeordnete reichten beim Verfassungsgericht eine Anklage wegen der frühzeitigen Auflösung des Parlamentes ein.

Die Koalition war zerbrochen

Am 17. Mai hat die Fraktion “Volksfront” ihren Austritt aus der Koalition bekanntgegeben. Nach der ukrainischen Verfassung hat das Parlament, die Werchowna Rada 30 Tage Zeit, um eine neue Koalition zu bilden. Erst danach hat der Präsident das Recht, die vorgezogenen Wahlen anzusetzen. Selenskyj behauptet allerdings, es gebe keine Koalition seit 2016, als die Fraktionen „Selbsthilfe“, „Vaterland“ und Radikale Partei Oleh Ljaschkos bereits die Koaltion verlassen hatten. Die übrigen politischen Kräfte -  “Volksfront” und der Block Petro Poroschenko - die die Koalition bildeten, konnten mit Hilfe fraktionsloser Abgeordneter weiter regieren. Umstritten ist vor allem die rechtliche Seite, da nicht gesetzlich festgelegt ist, dass eine Koalition über die Mehrheit von 226 Abgeordneten verfügen muss, noch dass das Parlament frühzeitig aufgelöst werden kann. Das Verfassungsgericht stellte fest, dass das Auflösungsdekret des Präsidenten nicht verfassungswidrig ist.

Die Partei des Präsidenten

Der Wahlkampf ist in vollem Gang. Die Parteien stellen ihre Programme und Kandidaten vor, die Ukrainer überlegen sich. Zurzeit kann man von fünf politischen Kräften ausgehen, die Fünf-Prozent-Hürde überwinden werden. Die letzten Umfragen weisen auf die hervorragenden Chancen der Partei von Wolodymyr Selenskyj  "Diener des Volkes" hin, die die absolute Mehrheit erringen könnte. Mit der Unterstützung von mehr als 40% stellt sie alle anderen in den Schatten. Auf dieser Liste finden sich viele neue Gesichter, die früher unbekannt waren, wie zum Beispiel ein Ringer Dschan Belenjuk oder ein Vorstandsvorsitzende einer Mediengruppe Oleksandr Tkatschenko.  Das Partei legt den Schwerpunkt auf die „Ausrottung“ der Korruption, weiter stehen die Digitalisierung der staatlichen Dienstleistungen und die Einführung einer Krankenversicherung im Programm . Die Option für eine Zusammenarbeit mit NATO und EU sei unverändert geblieben.

Die Partei der Ostukraine

Die politische Kraft "Oppositionelle Plattform - für das Leben" hält nach wie vor ihre Positionen. Die Partei, die hauptsächlich aus den ehemaligen Anhängern des Präsidenten Viktor Janukowitsch besteht, nimmt überraschenderweise den zweiten Platz im Ranking ein. Selbst der Name von Wiktor Medwedtschuk, dem ukrainischen Oligarchen und Vertrauten des russischen Präsidenten Wladimir Putin, scheint die Wählbarkeit der Partei nicht zu beeinträchtigen. Im Mittelpunkt des Programms stehen die friedliche Beilegung des Konflikts im Donbas und wirtschaftliche Stabilität in der Ukraine.

Die Europapartei

Den dritten Platz teilen jetzt  “Europäische Solidarität” von Petro Poroshenko und “Golos” (“Stimme”) angeführt vom ukrainischen Rock­sän­ger und Akti­visten Swja­to­slaw Wakart­schuk. Beide Parteien gehören zum demokratischen Lager und setzen sich für europäische und euroatlantische Integration ein. Unter den Mitgliedern der “Europäischen Solidarität” finden sich sowohl die Anhänger des vorigen Präsidenten als auch die ehemaligen Parteigänger der “Volksfront”. Darüber hinaus sind auch die Vertreter der Krimtataren Mustafa Dschemiljew und Achtjom Tschijgos Kandidaten dieser Partei. Poroschenko tritt für eine Beitritt zur Nato und der EU bis spätestens 2023 ein.

Bandleader stellt sich zur Wahl

Es war erwartet worden, dass der Frontman der ukrai­ni­schen Band “Okean Elsy”, Swja­to­slaw Wakart­schuk für das Amt des Präsiden kandidieren würde. Jetzt hat der Sänger bekannt gegeben, dass er mit einer eigenen Partei “Golos” ins Parlament einziehen will. Zurzeit steht zu erwarten, dass der Musiker mit der Unterstützung von etwa 7% sein Ziel erreicht. Viele Aktivisten, Geschäftsleute, Beamten und Journalisten unterstützen die Partei. Die Experten schätzen die Kandidatenliste ziemlich positiv ein, da die Partie auf Fachleute setzt.

Julia Timoschenko

Eine von der alten Garde in der ukrainischen Politik  gibt ihren politischen Kampf nie auf. Die letzten Umfragen beweisen, dass Julia Timoschenko mit ihrer “Vaterlandspartei” die 5%-Hürde auch überwinden könnte. Als Grundlage für ihr Programm dient das vor den Präsidentenwahlen ausgearbeitete Wirtschaftskonzept. Außerdem kann man auf der Wahlliste solche Namen finden, wie Serhij Taruta, der ukrainische Unternehmer sowie Walentyn Nalywajtschenko, der ehemalige Chef des Sicherheitsdienstes der Ukraine. 

Die Favoriten der kommenden Parlamentswahlen stehen mehr oder weniger fest. Mit Rücksicht aber auf die unvorhergesehenen politischen Prozesse in der Ukraine muss man das Ergebnis der Wahl abwarten. So bunt das Parlament auch zusammengesetzt sein wird,  eine starke Koalition muss die lebenswichtigen Reformen effektiv durchsetzen.

Nach der Verfassung der Ukraine hat das ukrainische Parlament  450 Sitze. Die Abgeordneten werden durch  allgemeine, gleiche, direkte und geheime Wahl für 5 Jahre gewählt. Die Hälfte (225) der Abgeordneten kommen über die landesweiten Parteilisten ins Parlament. Jede Liste muss die 5%-Marke überschreiten. Die andere Hälfte der Abgeordneten wird direkt gewählt, ihnen reicht eine relative Mehrheit der Stimmen. Wahlberechtigt sind alle ukrainischen Bürger, die zum Zeitpunkt der Wahl 18 Jahre alt  sind. Im Zusammenhang mit der Annexion der Halbinsel Krim und den bewaffneten Auseinandersetzungen in der Ostukraine können die Einwohner dieser Gebiete nicht an den Wahlen teilnehmen. Das sind etwa 12% der Bevölkerung. Aus demselben Grund werden statt der 225 Abgeordneten nur 199 nach dem Mehrheitswahlsystem gewählt.



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