Bild: N. J. Schmidt

TTIP in Rumänien: Skepsis der Zivilgesellschaft

Sigmar Gabriel hat die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) zwischen den USA und der EU für gescheitert erklärt. Auch Frankreich und Österreich haben sich für einen Abbruch der Verhandlungen ausgesprochen. Die rumänische Regierung gab sich bisher betont amerikafreundlich, die Zivilgesellschaft äußert Kritik.

Sigmar Gabriel hat die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) zwischen den USA und der EU für gescheitert erklärt. Auch Frankreich und Österreich haben sich für einen Abbruch der Verhandlungen ausgesprochen. Die rumänische Regierung gab sich bisher betont amerikafreundlich, die Zivilgesellschaft äußert Kritik.

In Rumänien gäbe es eigentlich keine Bedenken zu TTIP, so Präsidentialberater Laurențiu Ștefan auf einer Diskussion zum Freihandelsabkommen im Juni. Diese Haltung prägte die Veranstaltung.

Die Parlamentarische Kommission für Europäische Angelegenheiten und die Amerikanische Botschaft in Bukarest hatten zwar Vertreter der Zivilgesellschaft eingeladen. Hauptsächlich sprachen jedoch Regierungsvertreter, amerikanische Diplomaten, rumänische Vertreter bei der EU und Handelsvertreter der USA. Auch Think Tanks und Unternehmenssprecher kamen zu Wort.

Kommunikation und Symbolik

Symbolisch war die Frage, in welcher Sprache die Veranstaltung abgehalten werden sollte. Letztlich einigte man sich aus technischen Gründen auf eine Konsekutivübersetzung. Der rumänische Wirtschaftsminister und Vizepremier der technokratischen Regierung, Costin Borc sprach Englisch. Einige seiner Kollegen bestanden jedoch darauf, Rumänisch zu sprechen, da es sich um eine Diskussion mit dem rumänischen Volk handeln sollte.

Die Redner sprachen über die Vorteile des Freihandelsabkommen für Rumänien und der EU. Die Diskussion mit der Zivilgesellschaft - der eigentliche Anlass der Veranstaltung - beschränkte sich auf zwei kritische Beiträge.

Amerika-Skepsis und Kommunismuskritik

Bogdan Hossu, Vorsitzender der Gewerkschaft „Cartel Alfa“, sprach eindeutig gegen TTIP sowie den undurchsichtigen Prozess und die Inhalte des Abkommens. Neben den Schiedsgerichten argwöhnte er zu sinkenden Umweltstandards - immerhin hätten die USA das Kyoto-Protokoll immer noch nicht ratifiziert. Außerdem habe der rumänische Präsident ein Referendum in Aussicht gestellt, jedoch nie umgesetzt. Ingesamt sei es besser, wenn solche Verträge bilateral geschlossen würden - nicht über die EU. Denn es sei noch zu viel im Argen in den Beziehungen zu den USA - etwa die Visa-Politik. Es sei an der Zeit, dass die USA Rumänien endlich als gleichwertigen Partner behandelten.

Als der Moderator ihn zwischendurch unterbrach, um dafür zu sorgen, dass einige seiner „Fragen“ auch beantwortet würden - reagierte der Gewerkschaftler allergisch: „Ich würde gerne mein Statement beenden, ohne vom Podium aus unterbrochen zu werden wie auf einem kommunistischen Parteitag“.

Rumänien - ein unsicherer Partner?

Alexandru Surcel vom Verein „Romania VIE“ kritisierte vor allem, dass multinationale Konzerne vor der Zivilgesellschaft in die Verhandlungen eingebunden würden. Außerdem seien Schiedsgerichte unnötig - immerhin funktioniere doch der Rechtsstaat auf beiden Seiten des Atlantiks wunderbar. Auch Investorschutz sei vor allem ein Instrument, um sich bei Freihandelsabkommen mit unzuverlässigen Staaten abzusichern. Er nannte die amerikanische Visa-Politik als Schwachstelle der bilateralen Beziehungen und stellte damit implizit in den Raum: Rumänien gelte in den USA als unsicher.

Missverständnisse und Strategie

Die amerikanischen Diplomaten legten daraufhin dar, wie leicht es für Rumänen sei, ein Visum für die USA zu bekommen. Dass es noch kein Visa-Waiver-Programm gibt, liege nur noch an einigen Kennzahlen, die zu hoch angesetzt seien, sagte der stellvertretende Botschafter Dean Thompson.

Die amerikanische Seite gab sich auch alle Mühe, die Kritik an TTIP zu widerlegen. Kate Kalutkiewicz, eine der TTIP-Verhandlungsführer, versuchte in Sachen Schiedsgerichte und Investorschutz zu beschwichtigen. Für TTIP würde ein neues Modell angewendet - keine Regierung müsste wegen einer Klage ihre Gesetze ändern. Die USA und die EU schickten sich gerade an, „global die stärksten Arbeits- und Umweltschutzstandards voranzutreiben“. So könnte ein transatlantischer Wirtschaftsraum als Vorbild gelten. Damit betonte sie die strategische Relevanz des Projekts.

TTIP - beschlossene Sache?

Wenige Tage nach der Debatte erhielten alle Teilnehmer eine persönliche Danksagung der Organisatoren, die folgende Passage enthielt: „ich bin zuversichtlich, dass die Debatte substantiell zu einer realistischeren Vorstellung von TTIP […] und seinen Auswirkungen auf unser Land beitragen hat“ - auch das verstärkte den Eindruck der Veranstaltung: es ist schon beschlossene Sache.

Offenbar hat die Kritik in manchen europäischen Ländern jedoch Wirkung gezeigt. Ob sich nach Frankreich, Österreich und eventuell Deutschland auch die rumänische Regierung von dem Abkommen abwendet?

Freihandel ja, Intransparenz nein

Grundsätzlich ist die rumänische Gesellschaft positiv eingestellt gegenüber Amerika, der EU, Marktwirtschaft und Freihandel. Doch beim Thema TTIP entsteht bisweilen der Eindruck, da hecken bürgerferne Beamte im Geheimen etwas aus, das Volk habe kein Mitspracherecht und Sorgen würden abgetan. Darauf reagieren die Menschen zu Recht argwöhnisch. Denn das erinnert sie an Erfahrungen aus dem (Post-)Kommunismus.

Die Skepsis der Bevölkerung richtet sich nicht gegen Freihandel an sich – denn dessen Vorteile sind hinreichend bekannt. Vielmehr geht es um konkrete Details des Abkommens und das Gefühl, übergangen zu werden. In Rumänien spielt zwar das Thema TTIP keine so große Rolle wie in deutschen Medien. Doch wenn das Abkommen noch Erfolg haben soll, braucht es Rückhalt in der Bevölkerung. Dafür wäre nicht nur bessere Kommunikation, sondern auch eine stärkere Einbeziehung der Zivilgesellschaft sinnvoll.

<emphasize>(c) Nikolas J. Schmidt</emphasize>


Schlagworte: #Rumänien #TTIP #Gabriel

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