Was ist los zwischen den Brüdern? Warum mögen sie sich nicht - die griechisch-katholische Kirche in der Ukraine und die zum Moskauer Patriarchat gehörenden Gemeinden in der Ukraine. An der Theologie liegt es wohl nicht. Ein Streit zwischen Brüdern ist nicht leicht beizulegen, besonders wenn sie gleichzeitig Nachbarn sind. Die Beziehungen zwischen der russischen-orthodoxen und griechisch-katholischen Kirche scheint das noch mal zu bestätigen.
Der mit dem Papst verbundene Erzbischof kritisiert die Aussagen zur Ukraine
Der Erzbischof von Kiew, Sviatoslav Shevchuk, das Oberhaupt der griechisch-katholischen Kirche in der Ukraine, hat die gemeinsame Erklärung des Papstes und Moskauer Patriarchen, wo sie über Ukraine sprechen, scharf kritisiert. Besonders missfiel ihm, dass die Deklaration nichts darüber sagt, dass der Patriarch von Moskau eine Seite in dem Konflikt in der Ukraine sei. Mit dieser Meinung ist er nicht allein in der Ukraine.
Die Orthodoxen dagegen meinen, dass es sie sind, die in dieser Frage Zugeständnisse gemacht und auf die Forderungen verzichtet haben, die sie früher als Bedingung für ein Treffen mit dem Papst stellten.
Warum sind die Beziehungen zwischen der Unierten Kirche in der Ukraine und dem Moskauer Patriarchat so angespannt? Um das zu verstehen, muss man in die Geschichte blicken.
Zugehörigkeit zu Konstantinopel, mongolische Herrschaft
Die Kirche in der Ukraine gehörte ursprünglich zum Patriarchat von Konstantinopel. Das Oberhaupt dieser Kirche war der Metropolit von Kiew.
Im 13. Jahrhundert, nach dem Einfall der Mongolen, gingen die Länder, die vorher einen Staat, die Kiewer Rus, bildeten, unterschiedliche Wege. Der Westliche Teil, so Galizien, wollte schon damals zu Europa gehören. Der Fürst von Galizien, Daniil, hat im Jahr 1240 vom Papst seine Königskrone erhalten. Der nordöstliche Teil, das künftige Russland, wurde ein Teil des von der „Goldenen Horde“ kontrollierten Gebietes. Russland trat dann auch das Erbe des mongolischen Reiches in der asiatischen Steppe an. Galizien und Russland erhoben den Anspruch auf das Erbe der Kiewer Rus und damit auf Kiew selbst. Schon damals wurden die Wurzeln des heutigen Konflikts zwischen den Ukraine und Russland gepflanzt.
Litauisch-polnische Herrschaft
Im 13. Jahrhundert konnten die Fürsten von Litauen und späteren polnischen Könige die westlichen Teile der ehemaligen Kiewer Rus unter ihre Kontrolle bringen. Gleichzeitig siedelte der Kiewer Metropolit in das aufstrebende Moskau um, da Kiew seine politische Bedeutung verloren hatte.
Da im westlichen Teil der ehemaligen Kiewer Rus schon immer eine prowestliche Orientierung vorherrschte, waren einige Bischöfe und Adelige dort nicht abgeneigt, eine von der katholischen Kirche und den katholischen Königen Polens angestrebte Union mit dem Papst einzugehen. Im Jahre 1595 wurde die Kirchenunion von Brest geschlossen. Die orthodoxen Gläubigen konnten die byzantinische Liturgie beibehalten, verpflichteten sich aber, den Papst anzuerkennen. Das wurde von vielen Orthodoxen nicht akzeptiert, was später auch zu blutigen Auseinandersetzungen führte, besonders im 17 Jahrhundert während der Kosakenrevolte, da die Kosaken sich als Beschützer der Orthodoxie gegen die polnische Unterdrückung sahen.
Polnische Teilung – Zugehörigkeit der Ukraine zu Russland
Nachdem Weißrussland und der größte Teil der heutigen Ukraine nach der Teilung Polens von Russland annektiert worden waren, kamen auch viele griechisch-katholische Gläubige unter die Herrschaft der Zaren. Nach 1859 wurden die in Weißrussland lebenden Angehörigen dieser Kirche zum größten Teil der Orthodoxen Kirche einverleibt. Die griechisch-katholische Kirche im heutigen westlichen Teil der Ukraine blieb bestehen, da dieser Teil des Landes zuerst zu Österreich-Ungarn gehörte und nach dem Ersten Weltkrieg polnisch blieb.
Als diese Gebiete 1945 ein Teil der Sowjetunion wurden, begann die Zeit der Verfolgung. Die Bischöfe und Priester wurden verhaftet, kirchliche Gebäude beschlagnahmt und die Gläubigen der russisch-orthodoxen Kirche unterstellt. Ob es Absicht Stalins war, den Keil zwischen zwei Kirchen noch weiter zu treiben? Das ist sehr wahrscheinlich. Wenn es so war, ging sein Plan erst nach dem Zerfall von Sowjetunion völlig auf.
Die Spannungen entstanden neu nach der Unabhängigkeit der Ukraine
In der Sowjetzeit haben sich die Gläubigen beider Kirchen gegenseitig unterstützt. Lubomir Huzar, der ehemaliger Großerzbischof der ukrainischen griechisch-katholischen Kirche hat sich in seiner Rede auf dem Kongress “Kirche in Not” 1994 “ausdrücklich im Namen aller ukrainischen Unierten bei der Russischen Orthodoxen Kirche” bedankt. Diese Russische Orthodoxe Kirche, so der Großerzbischof, hat “in schwierigen Zeiten und unter vielfachen Verdächtigungen unsere unierten griechisch-katholischen Kirchenstrukturen innerhalb ihrer orthodoxen Strukturen in Zeiten schrecklicher Verfolgung aufbewahrt.”
Der ehemaliger orthodoxe Bischof von Leningrad, Nikodim, der als einziger Vertreter der Russisch-Orthodoxen Kirche der Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils beiwohnte, erinnerte sich, dass seine Kirche in ihren Priesterseminaren einige unierte Priesterkandidaten hatten. Obwohl die unierte Kirche in der Sowjetunion verboten war, wurden sie von niemandem verraten.
Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion wurde die ukrainische griechisch-katholische Kirche wieder unabhängig. Gleichzeitig brachen die alten Konflikte wieder auf. Die von Stalin im westlichen Teil der Ukraine beschlagnahmten Kirchengebäude wurden, oft auch mit Gewalt, von den Russisch-Orthodoxen zurückgeholt.
Gleichzeitig wurde die orthodoxe Kirche in der Ukraine in mehrere Patriarchate gespalten. Es gibt Gemeinden, die dem Moskau Patriarchat angehören. Weiter gibt es auch eine “Ukrainische Orthodoxe Kirche”, die von dem selbsternannten Patriarchen Filaret Denisenko gegründet wurde. Es gibt auch eine “Ukrainische Autokephale Kirche”, die nach dem ersten Weltkrieg in der Ukraine gegründet wurde und im Exil weiterbestand. Nach 1991, als die Ukraine unabhängig wurde, kam sie wieder ins Land.
Nach den Ereignissen von 1989 gerieten die Beziehungen zwischen den griechisch-katholischen und den orthodoxen Gläubigen in einen Teufelskreis von Tat und Rache, Aktion und Reaktion. Die Russische Orthodoxe Kirche konnte das Vorgehen der Unierten bei der Inbesitznahme ihrer Kirchen nicht akzeptieren. Bis vor kurzem war die Frage der Kirchengebäude eine der größten Hindernisse in den Beziehungen zwischen der unierten und der orthodoxen Kirche. Deshalb war die Verurteilung der Besetzung der kirchlichen Gebäude durch die Unierten seitens des Vatikans die Bedingung der Orthodoxen für das Treffen mit dem Papst.
Die griechisch-katholischen Gläubigen, die sich nicht unierte Christen, sondern in Verbindung mit Rom stehende Orthodoxe nennen, haben das Moskau Patriarchat für eine Art von Kreml-Agenten gehalten. Die Orthodoxen des Moskau Patriarchats wurden auch dann, als die Beziehungen zwischen Russland und Ukraine, wenn nicht gerade herzlich, aber noch friedlich waren, mit Misstrauen betrachtet. Besonders im Westen des Landes waren die Beziehungen zwischen den Orthodoxen des Moskau Patriarchats und des Griechisch-Katholischen aufs Äußerste gespannt. Im westlichen Teil der Ukraine sind die Gemeinden des Moskauer Patriarchats fast verschwunden.
Der Majdan-Aufstand und die politischen Gegensätze
Nach den Ereignissen von 2014-2015 auf dem Majdan, Umsturz der Regierung, „Wiedereingliederung“ der Krim durch Russland und dem Beginn des Krieges in der Ostukraine haben sich die Spannungen deutlich verschärft. Die Gewalt brach wieder auf. Die Orthodoxen beschuldigen die Unierten, dass sie weiter ihre Kirche besetzen, Gottesdienste stören und Priester angreifen. Die Unierten sagen, dass die Orthodoxen von Moskau Patriarchat die Aggression gegen ihr Land ideologisch unterstützen. Als der Patriarch von Bulgarien die Unierten darum gebeten hatte, die Orthodoxen von Moskau Patriarchat in der Ukraine nicht zu unterdrücken, hat man ihm geantwortet – warum hat er geschwiegen als die Kirchen der Unierten auf der Krim beschlagnahmt wurden?
Das größte Problem in den Beziehungen zwischen allen diesen Kirchen besteht, außer im Ehrgeiz mancher ihrer Oberhäupter, darin, dass sie sich zu stark mit bestimmten politischen Kräften identifizieren, so dass der politische Konflikt sofort zu einem Konflikt zwischen den Kirchen wird. Die Beziehungen zwischen den Griechisch-Katholischen und Orthodoxen, die nicht zum Moskau Patriarchat angehören, so die autokephale Orthodoxe Kirche in der Ukraine, sind viel besser. Viele Gläubige machen keinen Unterschied zwischen den beiden.
Perspektiven für das Verhältnis der Kirchen in der Ukraine
Eine Verbesserung der Beziehungen zwischen den Kirchen hängt einerseits davon ab, ob die Beziehungen zwischen Russland und Ukraine sich normalisieren. Gleichzeitig sind die Kirchen selbst verpflichtet, die Verantwortung für die Versöhnung zu übernehmen. Aber um das tun zu können, sollten sie sich von den allzu engen Beziehungen zum jeweiligen Staat und zu nationalistischen Gruppierungen befreien. Hier liegt eine große Chance für die Römische Kirche, die in den Konflikt zwischen den Brüdern nicht verwickelt ist und die jetzt Beziehungen zu beiden unterhält. Ob es der Kirche in Rom es gelingt. die Brüder zu versöhnen, hängt auch von diesen selbst ab.
Vladimir Pachkov
Radio Vatikan berichtet am 14.2.16
Großerzbischof von Kiew, Sviatoslav Schewtschuk: Die Internetseite seiner Kirche zitiert ihn mit der Einschätzung, dass die gemeinsame Erklärung von Papst und Patriarch an der Stelle, wo sie sich auf die Ukraine bezieht, „tiefe Enttäuschung unter zahlreichen Gläubigen unserer Kirche und unter ukrainischen Bürgern hervorgerufen“ habe…… Die während des Kirchengipfels auf Kuba unterzeichnete Erklärung enthalte „Halbwahrheiten“ und „indirekte Unterstützung des Heiligen Stuhls für die Aggression gegen die Ukraine“. Der Text spreche … nicht aus, dass die Ukraine von ihrem Nachbarland angegriffen worden sei.
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