Kloster Marienthal bei Wesel Foto: explizit.net

Schüler Gottes

Das Christentum unserer Tage befindet sich in der Defensive: Die Welt wimmelt von Agnostikern. Selbst wenn es Gott gibt, so bleibt er doch verborgen. Niemand hat ihn gesehen. Er ist wie der Yeti. Eine nette Theorie, aber kennen, gar wissen? Wer mag das behaupten. Und selbst wenn: Welches Recht hat das Christentum zu behaupten, es würde mehr von Gott wissen? «Wir sitzen doch alle im gleichen Boot. Um Gott zu erkennen, brauche ich niemand anderen. Wir alle sind Schüler Gottes.» - Doch so ist es nicht. Jesus sagt uns in drei Versen das Warum.

Die Haltung der Agnostiker heute war das Murren der Leute zur Zeit Jesu. Da kommt jemand mit dem Anspruch daher, Gott zu wissen. Wie kann er das? Ist er nicht von Sinnen? Der Einwand ist durchaus berechtigt. Die Leute damals waren ja nicht blöde, genauso wenig wie die Leute heute. Die Bibel selbst bringt diesen Einwand vor: „Das Auge hat nicht geschaut, o Gott, ohne Dich, was Du bereitet hast denen, die Dich lieben.“ (Jesaja 64) Man kann Gott nicht sehen, nicht erkennen, nicht wissen, wenn Gott es nicht selbst gegeben hat. Zwischen Gott und Mensch klafft ein Abgrund, den der Mensch nicht überbrücken kann, sondern nur Gott alleine. Alle menschliche Wissenschaft scheitert an diesem Graben. Sie kann keine Brücke darüber bauen. Der Agnostiker hat in diesem Sinne Recht: „Nichts Genaues weiß man nicht“ von Gott. Jeder menschliche Versuch ist zum Scheitern verurteilt.

Nun taucht aber Jesus auf und alles ändert sich. Jesus bestätigt den Agnostiker. Doch zugleich widerlegt er ihn. Denn sein Wissen ist kein Produkt menschlicher Wissenschaft. Er sagt nicht, dass er Gott durch viel Philosophie oder Andacht erkannt hat. Er redet auch nicht von mystischen Erfahrungen. Er ist kühner: „Ich komme vom Vater und bringe Kunde von ihm.“
Der Ausgriff von unten, von dem Menschen nach Gott, er scheitert. Doch der Ausgriff von oben, Gott kommt zum Menschen herunter, findet statt. Und das ist die Behauptung des Christentums. Gott selbst spricht. Niemand kennt Gott, außer der, der von Gott ist. Und Jesus behauptet genau das von sich: Ich bin von Gott. „Niemand hat den Vater gesehen außer dem, der von Gott ist; nur er hat den Vater gesehen.“

Dieser Anspruch Jesu scheidet die Welt in zwei Möglichkeiten: Entweder es gibt jemanden, der von Gott erzählen kann, weil er von Gott ist, oder es gibt niemanden, der von Gott erzählen kann, weil niemand von Gott ist. Einen der beiden Tode muss man sterben. Entweder man ist Agnostiker mit allen Konsequenzen oder man wird Schüler Jesu und somit Schüler Gottes.
Der Unterschied wiegt sehr schwer. Der Agnostiker hat keinen Lehrer. Er muss zugeben: Von den großen Fragen des Lebens habe ich keine Ahnung. Ich kann nur schweigen. Gewiss, falsche Antworten kann ich ablehnen. Aber richtige Antworten habe ich nicht. Und ich weiß auch: Ich werde sie nie haben können. Denn damit ich sie haben kann, muss Gott selbst zu mir sprechen. Er muss herabkommen zu mir. – Der Christ dagegen hat einen Lehrer. Deswegen werden die Menschen, die Jesus nachfolgen, Schüler genannt. In allen Sprachen heißen sie so außer im Deutschen. Wir sagen Jünger. Im Griechischen, Lateinischen, Englischen, Französischen, Spanischen, usw. heißen sie Schüler, disciples. Jesus ist der Lehrer von Gott, der Christ ist sein Schüler. Gott selbst spricht zum Schüler. Er hat daher Antworten auf die großen Fragen.

Doch Agnostiker und Christ sind in einem vereint: Jeder menschliche Versuch, Gott zu wissen, scheitert. Niemand kann daher von sich aus behaupten, alle wären Schüler Gottes. Niemand kann von sich aus behaupten, er wäre Lehrer von Gott. Kein Mensch kann beglaubigen, dass jemand Lehrer von Gott wäre. Wenn ein Mensch also behauptet, Gott zu wissen, dann muss man ihn ablehnen.
Doch hat nicht Jesus genau dies behauptet? Wie kann das zusammengehen? „Niemand kann zu mir kommen, wenn nicht der Vater, der mich gesandt hat, ihn zu mir führt.“ Jesus sagt deutlich, dass er nicht von sich aus spricht. Er behauptet es nicht aus sich, sondern vom Vater. Der Vater hat ihn gesandt. Zudem sagt Jesus, dass er nicht einfach ein Mensch ist, sondern dass er von Gott ist. Er ist der wahre Gottmensch. Weil er von Gott ist, kann er Kunde bringen. Dann behauptet er noch etwas sehr herausforderndes: Niemand kann sich selbst zum Schüler Gottes machen. Er bleibt bei dem Wort Jesajas. Gott muss es geben. Der Vater muss führen. Das gilt auch für den Sohn. Nur wer vom Vater geführt wird, kann zu Jesus kommen und so den Vater kennen lernen. Nicht nur jeder menschliche Ausgriff nach Gott muss fehl gehen. Auch jeder menschliche Ausgriff nach Jesus muss fehl gehen. Jesus selbst muss auf einen zugehen.
Schließlich bleibt aber das Problem: Woher wissen wir nun, dass Jesus von Gott ist? Woher, dass er der Gottmensch und damit der Lehrer ist? – Der Beweis ist empirisch: Wer Jesus in sein Leben lässt, erfährt eine Verwandlung. Sein ganzes Leben ändert sich, denn Gott zu wissen macht einen Unterschied. Sein Leben verwandelt sich von dem vergänglichen Leben zum ewigen Leben. Und der letzte Beweis für Jesus ist die Auferstehung. Nicht nur die Auferstehung Jesu selbst, sondern die Auferstehung des Schülers. „Und ich werde ihn auferwecken am Letzten Tag.“ Da mit der Auferstehung Jesu der Letzte Tag angebrochen ist, erfährt der Christ immer Auferweckung. Er weiß, wem er geglaubt hat.

Bleibt noch die Frage, warum Jesus behauptet: „Und alle werden Schüler Gottes sein.“? – Es gibt zwei Betonungen. Heute neigt man dazu, das „alle“ zu betonen. Während die Satzstellung Jesu eher den zweiten Teil betonen. Doch natürlich ist beides richtig:
Es sind nicht die Theologen, die Professoren, die Prediger oder Katecheten, die Lehrer von Gott sind. Es gibt nur einen: Jesus. Schüler Gottes wird man, indem man Jesus zuhört, nicht indem man Theologen oder anderen Gehör schenkt. Ihre Rolle dagegen ist es, Menschen zu Jesus zu bringen, damit sie ihm begegnen können. Sie selbst sind auch nur Schüler Gottes. Jeder einzelne hat die Möglichkeit, Schüler Gottes, Jünger Jesu zu werden. Mit dem Kreuz hat Jesus versprochen, dass er alle an sich ziehen wird. Er ruft jeden. Gott gibt seinen Teil dazu, wie Jesaja sagte. Jesus ist der Lehrer für alle Menschen; gestern, heute und in Ewigkeit.

Das Evangelium, auf das sich der Text bezieht: Johannes 6,41-51



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