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Saudi-Arabiens Frauenrevolte und Obamasorgen

(explizit.net) Rebellinnen, die gar keine seine wollten, machten Samstag zum Autotag für Frauen auf der Arabischen Halbinsel. Aus der anderen Bevölkerungshälfte erhielten 16 Geldbußen. Sie ringen um die Erlaubnis, ebenso mobil wie modern zu werden. Zwar wirbelten sie viel Sand auf. Jedoch bereitet Amerikas Präsident dem saudischen Königshaus noch mehr Kopfschmerzen. Jetzt gilt dort das Weiße Haus unter Barack H. Obama als fehlgeleitet. In König Abdullahs Augen erweist sich dessen Mittelostpolitik als völlig unzuverlässig.

(explizit.net) Rebellinnen, die gar keine seine wollten, machten Samstag zum Autotag für Frauen auf der Arabischen Halbinsel. Aus der anderen Bevölkerungshälfte erhielten 16 Geldbußen. Sie ringen um die Erlaubnis, ebenso mobil wie modern zu werden. Zwar wirbelten sie viel Sand auf. Jedoch bereitet Amerikas Präsident dem saudischen Königshaus noch mehr Kopfschmerzen. Jetzt gilt dort das Weiße Haus unter Barack H. Obama als fehlgeleitet. In König Abdullahs Augen erweist sich dessen Mittelostpolitik als völlig unzuverlässig.

Sicher fehlte es nicht an Konspirationfans, die jene Autofahrtskampagne von Frauen mit den jüngsten saudisch-amerikanischen Zwisten verknüpfen. Zum einen folge das aus dem verderblichen Einfluss, dem junge Saudis unterliegen, die in Amerika studieren oder auch, wie bei mitreisenden Ehefrauen, die sich sorglos vor Religionspolizei des Innenministers Muhammad Bin Nayif bewegten. Dessen „Freiwillige“, Mutawwaiyun, setzen die Sharia durch. In der Behörde für Tugend gegen Laster warnten sie Damen vorab, nicht diesen Frauenfahrtstag zu befolgen. Da man in Amerika viel von reproduktiven Rechten spricht, warnte Scheich Salih al-Hidan in Yahala-TV: Autofahrerinnen schädigen ihre Eierstöcke.

In Jidda trat Scheich Nasir al-Umar auf. Er leitete 100 Kleriker gegen die „Konspiration des Frauenfahrens.“ Muhammad an-Nujaimi wähnt in der Kampgange eine Riesengefahr. Sie führe zu ruinierten Ehen, verminderten Geburtsraten samt steigendem Fremdgehen, mehr Autounfällen und wachsenden Unsummen für Schönheitsprodukte. Der Leser mag sich fragen, was das für Männer sind, die ihre Frauen wohl als Eigentum betrachten, das sie möglichst vor ihren Rivalen tief verschleiern und stets immobil wegschließen wollen.

Autofahrerinnen

Zum anderen sei diese Welle gerade am 26. Oktober gestartet worden, weil es sich um den 66. Geburtstag Hillary R. Clintons handele, einer ebenso in Arabien bekannten Advokatin für Frauenrechte. Aber diese Anspielung auf eine „lange Hand aus dem Ausland“ würden saudische Frauen sicher zurückweisen. Sie gehen ihre eigenen Wege, auch über Youtube.

Dort, in der Arabischabteilung, stellte Mai as-Sawyan ihr Video ein, in dem sie Samstag unter dem schwarzen Kopfschleier mit Sonnenbrille zum Markt fuhr und Milch für ihre Kinder kaufte: „Ich bin so stolz auf mich.“ Ebenso Madiha al-Ajrush. Diese Mutter und Psychotherapeutin wandte sich fahrend „gegen die unterdrückerische Gesellschaft“. Vor zwei Jahren saß sie dafür neun Tage ein. Laut New York Times sei die Mutige seit 1990 eine Autofahraktivistin. Sie erklärte, keine Gesetze brechen zu wollen: „Dies ist keine Revolution, und es soll auch keine werden.” Das wird die Regierenden kaum beruhigen.

An ihrer Seite erscheint auf beiden zweieinhalb minütigen Videos Tamadur al-Yami. In Jidda kurvend, erklärte sie, es sei Zeit für eine Änderung. Saudi-Arabien verbietet als einziges Land Frauen Autofahren. Eigentlich will es der 89-jährige König fortan erlauben. Jedoch ist er stets ein sehr vorsichtiger Reformer. Angesichts der Revolten in Mittelost, der jüngsten Kriege und Unruhen, stellte er diesen Wandel erst für 2015 in Aussicht. Am Samstag jedenfalls erzielte die Kampagne „@oct26driving“ einen Achtungserfolg, der die Debatte um überfällige Schritte beflügeln wird. Sozialmedien quellen davon über.

Amerikasorgen

Viel mehr bewegt zeigte sich der Monarch über Obamas Mittelostpolitik. Tief verärgert ließ er am 18. Oktober verkünden, den Saudi-Arabien zugeteilten Sitz im Sicherheitsrat nicht zu besetzen. Prinz Turki al-Faisal bestätigte Abdullahs Enttäuschungen. Ihn stören vier Punkte des US-Kurses: Ägypten, Iran, Irak und Syrien (hinzu kommt die Spitzelei).

Saudis verzeihen Obama nicht, wie er ihren Altalliierten Husni Mubarak nach 18 Tagen abserviert hat, bis ihn die Lotusrevolte hinwegfegte. Abgesehen davon, dass so etwas dem Schah von Iran 1977 passierte und seither jeder Regent kooperative Vorsicht erprobt, sei erwähnt, dass Mubarak der Rede Obamas vor der Kairo Universität beiwohnen wollte. Als Obama darauf bestand, Muslimbrüder unter Zuhörern zu erlauben, sagte Mubarak ab. Ein Anfangsstreit, in dem Obama Islamisten legitimierte. Dies, so die Saudis, blieb auch sein Kurs gegenüber der Tamarrudrevolte, wo er Kairo jüngst durch Hilfsentzug bestraft hat.

Laut Mittelostexperten Fuad Ajami ist Obama vom naiven Schmusekurs befallen. Motto: „Lasst uns alles vereint beraten“. Zwar irrte sich Ajami im Wallstreet Journal, es gäbe gar keine Atomfatwa (Ali al-Khaminais, 2004), die Obama nach dem Telefonat mit Präsident Ruhani Ende September hochspielte, als wäre sie eben ergangen. Aber es gibt Konflikte, die sich kaum wegberaten lassen. Bislang brachte Obamas Kurs Teheran den Nukes nahe, was auch Irans Nachbar König Abdullah nervt. Nicht bloß ihn. Israels Premier Benjamin Netanjahu bat Mittwoch den Außernminister John Kerry in Rom, alle Sanktionen gegen Iran zu bewahren, keine Halbheiten einzugehen, zumal die Urananreicherung weitergehe.

5+1

Denn Mitte November kamen alarmierende Zeichen nach dem Genfer Treffen der fünf Sicherheitsratsmitglieder samt Deutschland mit Iran. Präsident Hasan Ruhani brauchte vor diesen „5+1“ nur zu schwadronieren und den Holocaust als „Fakt zu akzeptieren“, schon umgarnte er die Obama-Administration. Obwohl wenig herauskam, zeigte sich das Weiße Haus geneigt, Sanktionen zu lockern, Teile von Irans Guthaben freizugeben. Das müsste der Kongress absegnen, wo freilich noch ein gegenteiliger Kurs gefahren wird.

Angesichts der erklärtern Strategie Ruhanis, die Weltmächte auseinander zu dividieren, wo er seit 2003 „E3+3“ benutzte (Europas Frankreich, Großbritannien und Deutschland plus Amerika, China und Russland), ist es um so verwunderlicher, dass die Gesandte für Europas Außenpolitik, Catherine M. Ashton mit Muhammad J. Zarif, Außenminister, in Genf am 16. Oktober einen Text unterschrieb, der dreimal die Formel „E3+3“ enthielt. All dies entging König Abdullah kaum. Geht dies am 7. November in Genf so weiter?

Aus saudischer Sicht sieht es im US-Kurs in Irak und Syrien dunkel aus, zumal Obama nach dem Militärabzug einen Sicherheitspakt mit Bagdad verfehlte. Irak unterliegt Iran. Tausende Tote, tiefe Zwiste Schiiten-Sunniten, in al-Qaida auch 800 Saudis und Moskaus Auftrumpfen. König Abdullah sollte das Autofahren freigeben. Was gibt ohne Amerikas Leitrolle Sinn? Sicherheitsberaterin Susan E. Rice schrieb Samstag, man könne nicht „24 /7 durch Mittelost konsumiert werden“. Aber das war dort immer so. Ist sie so lustlos, zu kämpfen? Anders als George W. Bushs Freiheitsagenda bleibe dreierlei: Nuklearvertrag mit Iran, palästinensisch-israelischer Konflikt und Syrien. Wieder Obamas Defensivrolle?

<emphasize>Wolfgang G. Schwanitz</emphasize>



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