(explizit.net/ Kath.de) Das hätte sich Rüdiger Sagel, der Sprecher der Linkspartei in NRW, sicher nicht träumen lassen: Da sollte ihn der Heilige Martin einmal fast seinen Posten kosten. Mit seinen Äußerungen hat der ansonsten eher unscheinbare Linke seine Partei ganz schön in die Bredouille gebracht. Vor einigen Tagen forderte er, die traditionellen Feiern zu Sankt Martin in „Sonne-Mond-und-Sterne-Fest“ umzubenennen. Es sei angeblich nicht für Muslime hinnehmbar, bei Umzügen, die an einen katholischen Heiligen erinnern, teilzunehmen. Politisch korrekt sowieso nicht. Für diese wahrscheinlich unbedachten Worte erntete Sagel viel Kritik und Spott. Nicht nur von christlicher Seite, sondern bemerkenswerter Weise auch von Muslimen, Politikern anderer Parteien und sogar von linken Parteifreunden. Alle setzten sich für Sankt Martin ein, getreu dem Titel eines bekannten Martinsliedes: „Sankt Martin war ein guter Mann“. Die Bemühungen der Linkspartei, sich für eine möglichst große Trennung von Kirche und Staat einzusetzen, scheinen durch die Forderung nach einer Umbenennung der Martinsfeiern in Kindergärten derart der Lächerlichkeit preisgegeben zu sein, dass die Parteispitze der Linken sogar überlegen soll, Sagel als Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Das könnte ihm dann letztlich seinen Job auf NRW-Ebene kosten.
Christliche Prägung der Kultur
Der deutschlandweite Einsatz für den Heiligen aus Tours und die Kritik an seiner Abschaffung waren groß. Beeindruckend sogar für ein Land in dem das Christentum eine immer weniger bedeutsame Rolle spielt. Der Münsteraner Religionssoziologe Detlef Pollack hatte erst Anfang der Woche die beiden großen Kirchen gewarnt, dass der Verlust von Gläubigen durch nichts, auch nicht durch Reformen, aufzuhalten sei. Die couragierte Verteidigung Martins mag da verwundern. Und gleichzeitig auch nicht. Denn obwohl die Relevanz der kirchlichen Dogmen, Moralauffassungen und Glaubensinhalte schwindet, behält doch die christliche Prägung volkstümlicher Kultur einen hohen Stellenwert. Sie wird als Grundlage unserer Bräuche und Kultur schlechthin angesehen. Deshalb forderten Kritiker Sagels auch, dass die Feste doch bitte die Namen behalten sollten, die sie immer gehabt hätten. Dies mag richtig sein, doch wenn der Name auch derselbe sein mag, der Gegenstand des Festes ist es nicht. Wäre es da nicht sogar besser, den Namen der Martinsfeiern zu ändern, so wie es Sagel vorgeschlagen hatte.
Was macht einen Heiligen heilig?
Was zahlreiche Kindergartenkinder und deren Eltern am Martinsfest begehen, hat mit der eigentlichen Botschaft des Heiligen nicht zwingend etwa gemein. Christliche Heiligenfeste wollen durch die Feier und das Gedenken des Verehrten den Blick zu Gott hin frei machen. Das Leben des oder natürlich auch der Heiligen wird als Wirkungsfeld Gottes in unserer Welt verstanden. Oder um es mit dem bekannten Bild der bunten Glasfenster auszudrücken: Heilige sind wie die Scheibe eines großen Glasfensters. Bei Nacht sind sie dunkel, undurchsichtig und wirken fast dreckig. Aber wenn das Tageslicht hindurch scheint, erscheinen sie in zahlreichen Farben und lassen Formen erkennen. Somit sind Heilige Beispiele dafür, was mit Menschen geschieht, die sich auf Gott einlassen: Sie beginnen zu leuchten und werden verwandelt. Dies gilt auch für den Heiligen des 11. Novembers. Bei Martinsfeiern mit Reiterumzug und Laternen kommt dieser christliche Hintergrund jedoch viel zu kurz. Dass der Heilige Martin seinen Mantel mit einem Bettler am Stadttor von Amiens teilte, wird zu Recht gefeiert. Aber es besteht die Gefahr, dass unter dieser Geste das Wesentliche verschütt geht. Denn Martin ist sicherlich ein Heiliger, der exemplarisch für Nächstenliebe und Solidarität stehen kann und muss. Es sollte aber unter keinen Umständen vergessen werden, dass er kein Heiliger ist, weil er vielen Menschen geholfen hat, sondern weil er sich ganz auf Gott eingelassen hat. Das eine ist die Folge des anderen. Der christliche Hintergrund jedoch ist das Fundament. Dies ließe sich an vielen anderen ursprünglich christlichen Festen durchdeklinieren: Advent, Nikolaus, Weihnachten, Ostern etc. Sie alle sind in der populären Kultur fest verankert. Die Anlässe dieser Feste sind oft unbekannt.
Konsequenzen aus der Entfremdung
Was bedeutet dies nun für die christlichen Kirchen? Wie sollen Sie mit dieser Entfremdung vom Christlichen umgehen? Wenn Christen die Frohe Botschaft vermitteln wollen, müssen sie nach Anknüpfungspunkten in der jeweiligen Kultur suchen. Das haben die ersten Christen getan und werden auch noch die letzten machen. Da die Kultur in Deutschland zu einem großen Teil vom Christentum geprägt wurde, stehen die Kirchen damit vor der kuriosen Aufgabe, an die Reste der eigenen Traditionen anzuknüpfen. Das ist ein riesiger Vorteil. Wenn es wirklich gelingt, die verschüttete Bedeutung hinter einem christlichen Fest auf anschauliche und positive Weise deutlich zu machen, kann dies der Beginn für einen neuen Glaubensweg sein. In den meisten Fällen dürfte es funktionieren, denn die christliche Tradition versteht es, die Menschen anzusprechen und Sehnsüchte und Ängste auszudrücken. Wo dies aber nicht möglich sein sollte, müssen andere Schnittstellen gesucht werden. Dabei sollte die Möglichkeit durchaus erwogen werden, sich von einem ehemals christlichen Fest zu distanzieren und um klar zu machen, dass das, was heute gefeiert wird, nichts mehr mit der eigentlichen Aussage zu tun hat. Oft dürfte dies jedoch nicht passieren. Und auf Sankt Martin trifft es selbstverständlich nicht zu.
<emphasize>Roland Müller</emphasize>
Kommentare (0)
Keine Kommentare gefunden!