Elkouria Rabab Amidane , Foto: M. Schmitz

Sahrauis – die unterdrückte Westsahara

Die frühere spanische Kolonie wurde nach kurzer Unabhängigkeit von Marokko annektiert. Die Widerstände der Sahrauis wurden erst 1991 erstickt. Seitdem liegt Schweigen über der Westsahara. Wer über die marokkanische Besetzung spricht, wird verfolgt. Elouria Rabab Amidane hat Maria Schmitz gebeten, die Geschichte der Sahrauis weiter zu erzählen.

Elkouria Rabab Amidane lebt heute in Göteborg. Sie kommt aus der Westsahara, einem kleinen Land im Nordwesten Afrikas, das seine Grenzen mit Marokko, Algerien und Mauretanien teilt. Es zählt gerade mal eine halbe Millionen Einwohner. Die Westsahara war bis 1976 eine Kolonie Spanien. Als diese sich zurückzogen, konnten die Sahrauis, die Einwohner der Westsahara, ihre Unabhängigkeit nicht lange genießen, da die marokkanische Regierung die Besetzung des Landes durch eine Kombination aus militärischen Einsätzen und einer strikter Siedlungspolitik durchsetzte. Bis der Waffenstillstand 1991 ausgerufen wurde, gab es gewaltsame Widerstände der Frente Polisario. Die Frente Polisario ist heute die Exilregierung der Westsahara, die sich für die Anerkennung der Republik und die damit verbundene Unabhängigkeit von Marokko einsetzt. Durch sie motiviert hat sich die Intifada gebildet, die noch gewaltlos gegen den Einfluss der marokkanischen Regierung in der Westsahara eintritt.

Proteste in der Westsahara gehen weiter

Friedliche Proteste, an denen sich Rabab beteiligte, gibt es vereinzelt bis heute. Durch die konsequente „Politik der Verschwiegenheit“ können sich viele der Sahrauis kein Bild von der vorangegangenen politischen Situation ihres Landes machen. Seine Einwohner wurden erfolgreich ihrer Stimme beraubt, indem es ihnen verboten ist, über die Besetzung überhaupt zu sprechen. Tun sie es doch, besteht die Gefahr, von den eigenen Nachbarn, Freunden, sogar von der eigenen Familie bei der Polizei angezeigt zu werden. Kommt es soweit, kann man auf die „Schwarze Liste“ gesetzt werden oder sogar ins Gefängnis kommen. Für Rahab hatte diese Form der Unterdrückung zur Folge, dass sie zu ihrer Schulzeit lediglich die Spannungen zwischen Marokko und der Westsahara erahnen konnte. Sie und die anderen Sahrauis litten unter den Folgen eines Konflikts, dessen Ursachen sie nicht kannten. Denn sie wurden in der Schule diskriminiert, geschlagen und systematisch benachteiligt. Als Rabab mit 16 Jahren den marokkanischen König auf dem Schulhof nachäffte, wurde sie für ein halbes Jahr von der Schule suspendiert. Nachdem sie diese Überreaktion kaum verstehen konnte, fand sie nach und nach die Geschichte ihres Landes heraus. Sie schloss sich der friedlichen Intifada Bewegung an. 2007 ging sie zum Studium nach Marrakech. Auch in der großen Stadt blieb sie als Sahrauis der Benachteiligung weiter ausgesetzt. Sahrauis wird das Studium bestimmter Fächer verweht, u.a. Jura und Medizin. Prüfungen und Tests waren prinzipiell schwieriger als die der marokkanischen Mitstudenten. Dieser Umstände wegen beteiligte sich Rabab an einer friedlichen Demonstration auf dem Campus. In der Dämmerung rückte die Polizei mit Schlagstöcken und Tränengas an und zerschlug die demonstrierende Menge. Rababs Freundin Sultana wurde so schwer am Auge verletzt, dass die beiden Frauen sich auf die Suche nach ärztlicher Hilfe machten. Im Vertrauen auf Hilfe folgten sie einem Mann in einen abgeschotteten Raum. Als Rabab von dieser Episode ihres Lebens erzählte, steigen ihr Tränen in die Augen. „Er hat uns missbraucht.“ Sultana verlor einige Tage später ihre Sehkraft auf dem verletzten Auge.


Politische Flüchtlinge

Durch Hilfe der Intifada fand Rabab die Möglichkeit, ihre Geschichte zu erzählen. Mit der Annahme des „Student Peace Prizes“ nahm Elkouria Rabab Amidane in Kauf, dass sie das Recht, jemals wieder in ihr Heimatland einreisen zu dürfen, verwirkt hatte. Auch steht ihre gesamte Familie nun auf der Schwarzen Liste, sie werden keine Arbeit mehr finden. Sie wird ihre In Afrika verbliebene Familie wohl nicht mehr wiedersehen. Doch wenigstens ein kleiner Teil ihrer Familie lebt bei ihr in Göteborg, ihr Bruder, El Wali, mit Frau und Sohn. El Wali hat sich ebenfalls der Intifada Bewegung angeschlossen. Die Geschwister wussten lange nicht um die Mitgliedschaft des anderen, da auch sie es als zu gefährlich empfanden, ihre Verwandten einzuweihen. El Wali wurde bei einer Demonstration festgenommen und verbrachte daraufhin mehr 5 Jahre im sogenannten „Black Jail“, dem Gefängnis mit dem schlimmsten Ruf in der Westsahara. Rababs Bruder war ebenfalls bei dem Interviewtermin in Göteborg anwesend. Als wir auf das Gefängnis zu sprechen kamen, holte er sein Telefon heraus und zeigte heimlich aufgenommene Fotos des Gefängnisses. Indem Moment Verschlug es mir tatsächlich für einen Moment die Sprache. Räume, vollgestopft mit Männern, die übereinander gestapelt daliegen und vor sich hin vegetieren. Kurz nach seiner ersten Freilassung wurde El Wali abermals festgenommen. Ihm wurde klar, dass er nicht in seiner Heimat bleiben konnte und ist ihr auf beschwerlichen Wegen entkommen. Eine weitere Schwester Rababs, die sich ebenfalls dem friedlichen Widerstand verschrieben hat, lebt heute in Barcelona.

In der eigenen Kultur leben können

Die in ihrer Heimat lebenden Familiengehörigen haben unter den Aktivitäten ihrer Kinder zu leiden. Sie werden regelmäßig von der Polizei bedrängt, geschlagen, gedemütigt. Auch sie wünschen sich die Autonomie der Westsahara. Sie wünschen sich Freiheit. Als ich Rabab danach fragte, was Freiheit für sie bedeute, war sie sich mit ihrem Bruder einig. Beide sehnen sich danach, dass die Unterdrückung ihres Volkes aufhört, eine neue und stolze Generation heranwachsen kann, die im Einklang mit ihrer Tradition leben darf. Sie wünschen sich vieles, was in unserer Welt selbstverständlich zu sein scheint. Doch vor allem wünschen sie sich Frieden, aber nicht um jeden Preis. Rabab spricht von ihrer Angst, dass der friedliche Widerstand in der Westsahara in Gewalt umschlagen könnte, wenn sich nicht bald etwas ändere. Denn die Menschen der Westsahara sind frustriert, ihre friedlichen Versuche bleiben bis heute erfolglos. Die Vorstellung, dass Krieg ausbrechen könnte, ist für Rabab unerträglich.

Unterstützung in Skandinavien

Sie erhielt in Norwegen für ihr Engagement 2009 den „Students Peace Price“ und zwei Jahre später den „Ordfront Democracy Prize“, der vom schwedischen Parlament verliehen wird. Ich habe eine lebensfrohe Frau kennenglernt, die ihr Leben dem Ideal von Freiheit gewidmet hat. Sie hat mehr dafür ertragen und aufgegeben, als ich mir vorstellen kann. Ich fragte sie, welche Aufgabe diejenigen haben, die um den Konflikt wissen.

„Erzählt unsere Geschichte weiter, damit die Sahrauis nicht in Vergessenheit geraten“.

Link: Westsahara-Uno


Kategorie: Politik

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