Foto: Lena Herrmann

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Reportage: Zwischen Vergangenheit und Stillstand: Der Flughafen Nikosia

„Hier scheint die Zeit stehen geblieben zu sein“, dachte ich, während mein Blick über die rostigen Überreste des Terminalgebäudes wanderte. Asyia, eine leise und sehr freundliche UN-Mitarbeiterin aus Pakistan, deutete mit einer Hand auf die zerfallenen Strukturen. Wir standen am Flughafen Nikosia. Eine Reportage von einem der symbolträchtigsten Orte Zyperns, der einst das Tor Zyperns zur Welt gewesen war.

Hinter uns zogen sich Stacheldrahtzäune entlang, während sich vor uns eine düstere Szenerie eröffnete: verwitterte Fassaden, zerschlagene Fenster und eine von Gras überwucherte Startbahn. Asyia begleitete mich durch diesen verlassenen Ort, der einst das Tor Zyperns zur Welt gewesen war.

Der Flughafen als Mahnmal der Teilung

Bis 1974 war der Flughafen Nikosia ein internationales Drehkreuz und der wichtigste Flughafen der Insel. Doch nach der Teilung Zyperns, als die Türkei Truppen in den Norden der Insel entsandte und die griechisch-zypriotische Regierung gestürzt wurde, verlor der Flughafen seine Funktion. Heute liegt er in der sogenannten „Pufferzone“ zwischen Nord- und Südzypern und steht unter der Kontrolle der Vereinten Nationen. Er ist ein Symbol für die ungelöste politische Krise und die tiefen Wunden, die der Konflikt hinterlassen hat.

Als wir uns dem Checkpoint näherten, spürte ich sofort eine Veränderung in der Atmosphäre. Es war, als würde die Umgebung den Atem anhalten. Hohe Zäune, durchzogen von Stacheldraht, funkelten im Sonnenlicht. Mein Herz schlug schneller, lange war ich nicht so nervös. Die Straßen wurden leerer, je näher wir kamen. Beim Checkpoint in die Pufferzone übergab ich meinen Ausweis an die Vereinten Nationen und erhielt eine Besuchskarte mit der Aufschrift „Gate Entry Pass“ – ein Dokument, das mir Zugang zu einem der stillsten und geschichtsträchtigsten Orte der Insel gewährte.

Die zerbrochene Geschichte des Flughafens

„Das ist neutraler Boden“, dachte ich, als wir den verlassenen Flughafen erreichten. Die rostigen Zäune und die leeren, halb verfallenen Gebäude erzählten von einer Vergangenheit, die sich hier seit fast 50 Jahren nicht verändert hatte. Der Flughafen, einst ein Dreh- und Angelpunkt, belebt von Menschen auf dem Weg in alle Teile der Welt, ist heute ein stiller Zeuge der Zeit. Schon lange hat die Natur begonnen, ihn zurückzuerobern, doch die Narben des ungelösten Konflikts sind überall sichtbar.

Verfallene Wände, offene Türen und zerbrochene Fenster erzählen von einem Ort, der einfach nicht losgelassen werden konnte. Die Stille war erdrückend. Der Wind strich durch die Risse der alten Gebäude, und das Zwitschern der Vögel war der einzige Hauch von Leben. Es war schwer vorstellbar, dass dieser Ort einst voller Menschen war: hastige Passagiere, Flugzeuge, die landeten und starteten, der hektische Alltag eines internationalen Flughafens. Heute wirkt alles wie eingefroren, ein Geisterort.

„Früher landeten hier Flugzeuge aus aller Welt“, sagte Asyia, als wir auf die Start- und Landebahn blickten, die nun von Gras und Sträuchern überwuchert war. „Die Bahn ist heute viel zu kurz für moderne Flugzeuge. Es gibt keine Pläne, den Flughafen wieder aufzubauen.“ Stattdessen nutzen die Vereinten Nationen das Gelände für Fahrtrainings und andere Übungen. Riesige Poller, die die Trainingsstrecken markierten, bildeten einen merkwürdigen Kontrast zur verlassenen Kulisse.

Ein stiller Zeuge des Konflikts

Beeindruckend war der Anblick eines verlassenen Flugzeugs, das wie ein stummes Mahnmal auf dem Flugfeld stand. Ein Passagierjet der Cyprus Airways, einst ein Symbol für die Verbindung von Menschen und Orten, war von Rost zerfressen. Die einst glänzende Metallhülle blätterte ab, und die Natur begann, das Flugzeug zurückzuerobern. „Dieses Flugzeug wurde nie wieder bewegt“, erzählte Asyia mit leiser Stimme. „Es steht seit 1974 genau so hier. Niemand hat es angerührt, weil das Gebiet unter militärischer Sperre steht.“

Die Geschichte des Flughafens, eingeschlossen in den rostigen Flugzeugen und den verlassenen Gebäuden, fühlte sich fast surreal an. Ich stellte mir vor, wie Passagiere einst in den Abfertigungsbereichen warteten, ahnungslos, dass ihre Reisen nie mehr stattfinden würden. Vielleicht hasteten Mechaniker über das Rollfeld, als die ersten Schüsse fielen. Der Flughafen, der einst Verbindung und Austausch symbolisierte, wurde zu einem Ort der Trennung und des Stillstands.

Ein Mahnmal und eine Botschaft

„Dieser Ort ist nicht nur ein Mahnmal“, dachte ich, während ich weiter über das Gelände ging. „Er zeigt, wie tief die Wunden eines ungelösten Konflikts sitzen. Aber vielleicht erinnert er uns auch daran, wie wichtig es ist, Brücken zu bauen und diese Wunden zu heilen.“

Heute herrscht auf Zypern weitgehend Frieden, und das Leben auf beiden Seiten der Insel hat sich normalisiert. Doch die Präsenz der UN in der Pufferzone zeigt, dass der Konflikt nicht vollständig gelöst ist. Die Soldaten, die leeren Straßen und die stillen Mahnmale wie der Flughafen Nikosia stehen als ständige Erinnerung daran, dass der Frieden auf der Insel zerbrechlich bleibt.

Der Flughafen Nikosia bleibt ein Ort, der die tiefen politischen und sozialen Gräben zwischen Nord- und Südzypern spürbar macht. Für mich war es eine Reise in die Vergangenheit und eine schmerzhafte Konfrontation mit den Folgen des Konflikts. Trotz seiner Verlassenheit und seiner düsteren Geschichte trägt dieser Flughafen eine kraftvolle Botschaft in sich: Der Frieden ist zerbrechlich, aber nicht unmöglich. Und vielleicht, eines Tages, wird dieser Ort als Symbol der Versöhnung wiedererstehen.

Eine Reportage von Lena Herrmann, kath.de - Redaktion


Kategorie: Politik

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