Pen-Zentrum nimmt verfolgte Schriftsteller aus Syrien auf

Nicht nur in der Türkei, auch in Syrien sind der Beruf des Journalisten und Schriftstellers lebensgefährliche Tätigkeiten. Verfolgte Schriftsteller finden im PEN-Zentrum Unterstützung. Der Einsatz für verfolgte Kollegen und Kolleginnen ist eine der Daueraufgaben, denen sich die Zentren in 140 Ländern widmen müssen. Es geht aber nicht nur um Unterstützung, sondern auch um den Stellenwert dieser Berufe. „Writers in Exile“ ist ein Schwerpunkt des deutschen Zentrums, dessen Präsidiumsmitglied Heinrich Peuckmann einen Einblick gibt:

Nicht nur in der Türkei, auch in Syrien sind der Beruf des Journalisten und Schriftstellers lebensgefährliche Tätigkeiten. Verfolgte Schriftsteller finden im PEN-Zentrum Unterstützung. Der Einsatz für verfolgte Kollegen und Kolleginnen ist eine der Daueraufgaben, denen sich die Zentren in 140 Ländern widmen müssen. Es geht aber nicht nur um Unterstützung, sondern auch um den Stellenwert dieser Berufe. „Writers in Exile“ ist ein Schwerpunkt des deutschen Zentrums, dessen Präsidiumsmitglied Heinrich Peuckmann einen Einblick gibt:

Die Meinung, dass Literatur nicht politisch sein soll, weil sie das ungeeignete Medium sei, gesellschaftlich etwas zu bewirken, kann man eindrucksvoll widerlegen, wenn man sich das Handeln der Autokraten, Diktatoren und religiösen Fanatiker dieser Welt anschaut.

800 Schriftsteller, Journalisten und zunehmend Blogger werden gegenwärtig in vielen Ländern verfolgt. Sie werden eingesperrt, gefoltert, ausgepeitscht, mit dem Tode bedroht oder auch getötet. Nach Nationen aufgeschlüsselt nimmt die Türkei in dieser Horrortabelle einen Spitzenplatz ein, aber auch Syrien steht weit oben. Beispiele dafür sind zwei syrischen Autoren, denen inzwischen die Flucht nach Deutschland gelungen ist.

Abdelwahhab Azzazi,

1981 geboren, war Augenarzt in Syrien. Daneben hat er Gedichte geschrieben und die Lyriksammlung „Nota – Skies of freedom“ publiziert, die aber nicht in Syrien, sondern 2011 in Ägypten erschien. Bereits vor dem Bürgerkrieg hat er sich in vielen Artikeln mit dem Assad-Regime auseinandergesetzt, hat die Einschränkung der Freiheitsrechte beklagt und ist so in Konflikt mit der Regierung gekommen. Da seine Texte auch noch einen religionskritischen Unterton hatten, waren ihm bald neben den Geheimdiensten, in Syrien gibt es mehrere davon, auch noch die fundamentalistischen Moslemgruppen auf den Fersen. Als ihn der Sicherheitsdienst 2012 auf offener Straße attackierte, floh er mit Frau und den beiden Töchter in den Jemen und kam vom Regen unter die Traufe. Wieder wurde er verfolgt und es gelang Hilfsorganisationen, ihm eine Einladung der Uniklinik Saarland zu vermitteln. Inzwischen waren auch der internationale und der deutsche PEN involviert, die sich der Freiheit des Wortes überall in der Welt verschrieben haben und ganz besonders dem Schutz von verfolgten Autoren. So kam Azzazi aus dem Jemen heraus, fühlt sich wohl, vor allem sicher in Deutschland. Rasend schnell hat er die Sprache gelernt und kann, neben seiner medizinischen Tätigkeit, wieder schreiben. Und zwar schreiben, was er will, also vor allem über die Lage in seinem Heimatland und über die Verbrechen des Assad-Regimes. Zur Bedeutung, die Literatur in solchen Auseinandersetzungen haben kann, hat er in einem Gedicht ein schönes Bild gefunden:

„Ein hängendes Blatt/ schwankt/ fällt/ dann birst die Erde.“

Wie die Leichtigkeit des Blattes, das meint er, kann auch ein Gedicht die Erde zum Bersten bringen. Ein schönes Bild, weit weg von dem falschen, unpolitischen Literaturverständnis, wie man es gelegentlich bei uns hören kann.

Geblieben ist Azzazi aber die Sorge um seine Familie. Seine Frau darf im Jemen nicht ohne Begleitung die Straße betreten, ob er sie je wiedersehen wird, weiß er nicht.

So vergleichsweise glimpflich ist

Ahmad Al Satani

nicht aus Syrien herausgekommen. Auch er geriet durch Kritik an Assad, durch Teilnahme an Demonstrationen in Konflikt mit der Regierung. Im Gegensatz zu Azzazi kam er aber nicht mit einer Attacke davon, Al Satani wurde verhaftet und musste, fast vollständig entkleidet, zeitweise mit dreißig anderen Gefangenen, darunter sogar Kindern, in einer Zelle verbringen. Im Gefängnis 215 des Geheimdienstes ist er brutal gefoltert worden, allein schon, wenn er nicht schnell genug seine Notdurft verrichtete. Nach zwei Monaten aber kam er frei, auch für ihn überraschend. Er floh nach Ägypten und setzte von dort mit einem dieser kaum seetüchtigen Boote nach Italien über. Für 30 Personen war das Boot ausgelegt, es stiegen aber 200 ein. In den letzten drei von acht Tagen hatten die Flüchtlinge nichts mehr zu trinken, Wasser sickerte ein, aber sie haben es alle geschafft. In einem anrührenden, betroffen machenden Erzählgedicht hat er diese Überfahrt in Verbindung gesetzt zu seiner Zeit als Gefangener. Er schildert darin, wie sie an beiden Orten den Platz teilten, damit mal der eine, mal der andere sich ausstrecken und schlafen konnte. Im kalten Gefängnis gönnte ihm ein Mitgefangener den größeren Teil einer Decke, wickelte ihn sogar ein, legte sich neben ihn und flüsterte ihm refrainartig ins Ohr: „Wenn du frei bist, sage meiner Mutter, dass es mir gut geht.“

Wer das Gedicht gelesen hat, weiß, wie sich die Mittelmeerflüchtlinge fühlen und was sie durchmachen.

Al Satani hat inzwischen, genau wie Azzazi, ebenfalls Deutsch gelernt, spricht es sehr gut und er hat, neben dem langen Erzählgedicht, inzwischen ein Buch über seine Erlebnisse in Syrien und über seine Flucht geschrieben. Wo und wann es erscheint, ist noch nicht sicher.

Zwei Beispiele einer langen, bedrückenden Kette. Der deutsche PEN betreut, gefördert vom Berliner Ministerium für Kultur, ein „Writers-in-Exile-Programm“. Für acht verfolgte Autoren stehen für ein oder zwei Jahre Wohnungen in Deutschland zur Verfügung, in denen verfolgte Autoren zur Ruhe kommen können. Sie erhalten ein Stipendium, sie können schreiben, sie werden betreut, um ihre oft traumatischen Erlebnisse wenigstens ansatzweise zu überwinden. Nicht jeder, der kommt, lernt so schnell Deutsch wie die beiden Syrer, manche können sie innerlich nicht damit abfinden, aus ihrer Heimat fliehen zu müssen, sie sind krank, sie sind wie gelähmt. Trotzdem, auch ihnen tut diese einmalige Einrichtung, die kein anderes PEN-Zentrum in der Welt vorweisen kann, ebenfalls gut. Tastend, Schritt für Schritt finden sie zurück ins Leben.

Einer der gegenwärtigen Stipendiaten ist der Romancier und Lyriker Emoh Meyonesse aus Kamerun, der es gewagt hatte, 2011 bei der Präsidentenwahl gegen Paul Biya anzutreten, der das Amt und damit die Macht seit 1982 innehat. Meyomesse verlor, wurde eingesperrt, einer der bekanntesten Dichter des Landes und als er durch viel diplomatisches Geschick endlich frei kam und Stipendiat des deutschen PEN wurde, hat er erzählt, wie auch kleine Hilfen von außen große Wirkung haben können. Der deutsche PEN hatte ihm einen Laptop ins Gefängnis geschickt, damit er endlich wie gewohnt schreiben konnte. Dieser Laptop, vermittelt von einer internationalen Organisation, hatte große Wirkung. Fortan behandelte der Gefängnisdirektor ihn nämlich sehr pfleglich, wollte sich nichts zuschulden kommen lassen und merkte erst durch diese Zuwendung, welche Aufmerksamkeit Meyomesses Gefangenschaft im Ausland gefunden hatte. 2015 kam er frei, seit knapp einem Jahr lebt er sicher in einer Wohnung des PEN-Stipendienprogramms.

Acht von Achthundert, nicht viel, aber immerhin etwas.



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