Der Film erzählt die Geschichte Pfarrer Otto Neururers aus Tirol, der seine Stimme gegen die Tyrannei erhob: „Man muss alle Menschen lieben und dazu zählen auch die Juden“, predigt er auf der Leinwand von der Kanzel.
Der Film als Spurensuche angelegt
Der knapp 90-minutige Film berichtet zugleich von Tätern, die ihre dunkelste Seite an all den Tatorten nach außen kehren konnten, wie der SS-Scherge im Bunker des KZ Buchenwald, der auf der Leinwand seinen Schlagstock küsst und das Töten verherrlicht. Und er erzählt zudem von einem aus der Masse der Verführten, Heinz Fitz, der aus Gehorsam den Führer zu seinem Gott erwählte. Unter der Last, als Lebensbornkind geboren zu sein, läuft er nach Jahrzehnten – zumindest im Film - noch Gefahr zu erstarren. Krampfhaft versucht er, wieder beten zu lernen.
„Otto Neururer – Hoffnungsvolle Finsternis“ rückt aber auch die junge Generation in den Fokus, repräsentiert durch die wegen Körperverletzung zu Sozialstunden verurteilte junge Sofia (Jasmin Mairhofer). Sie muss erst noch lernen, warum die Geschichte, „das verstaubte Zeug“, nicht vergessen werden darf. Zusammen mit dem an Parkinson erkrankten Pfarrer Anton (Ottfried Fischer) begeben sie sich durch Tirol auf Spurensuche nach dem 1996 seliggesprochenen Otto Neururer. Die Reise ist zugleich die Geschichte ihrer persönlichen Entwicklung durch die Konfrontation mit einem unerschütterlich Guten, der gegen das absolut Böse aufgestanden war.
Regisseur Hermann Weiskopf und seinem Team gelingt es, auf zwei Erzählebenen die Hagiographie des modernen Märtyrers ebenso zu skizzieren wie dessen aktuelle Bedeutung herauszustellen - ohne sein Zeugnis politisch zu instrumentalisieren. Als Produzent hat er sich in den vergangenen 15 Jahren intensiv mit der Judenverfolgung durch die Nazis auseinandergesetzt. Dabei stellte er bislang jüdische Einzelschicksale vor. Otto Neururers „Beharrlichkeit und Menschlichkeit“ inspirierten ihn zu seinem neuesten Sujet.
Deutschlandpremiere in Passau
Eine Podiumsdiskussion bei der Deutschlandpremiere in Passau unter der Leitung des Künstlerseelsorgers Bernhard Kirchgessner vertiefte die Botschaft. Für Bischof Stefan Oster von Passau wurde mit dem Streifen deutlich: „Jeder Mensch hat es in sich, ein potentieller Engel und ein potentieller Teufel zu werden.“ Das hänge auch stark von der Umgebung ab, in der hineinwachse, in der verführt werden könnte. „Wir brauchen Überzeugungen, die uns halten. Haltlosigkeit ist ein Ursprung für potentielle Grausamkeit im Menschen.“ Rhetorisch fragte er, ob aufgefallen sei, wie sehr Otto Neururer die versöhnende Geschichte lebte, die als einzige keinen Sündenbock brauche, sondern immer noch im anderen, auch wenn er der „allerletzte Typ“ sei, das Gute suche. In der Hölle von Buchenwald habe er irgendwie den Weg ins Paradies gefunden. Diese Liebeskapazität strahle aus und beeinflusse alle anderen.
„Wenn man ein bisserl aufs Herz hört, versteht man schon, wo die gute Sache liegt“, sagte Regisseur Herman Weiskopf, der mit seinen Filmen, wie er bekannte, die Menschen dahin führen möchte, diese zu erkennen. Das zeige auch die Figur der Sofia, die sich im Laufe des Films läutere.
Noch mehr als eine Sendung, viel mehr sogar als Pflicht betrachtet dies der beliebte Schauspieler („Der Bulle von Tölz“) Ottfried Fischer, der auch als Co-Produzent daran mitwirkte. „Es ist jetzt ein Zeitpunkt eingetreten, an dem die Leute, wenn sie ‚Vergangenheitsbewältigung‘ hören, „nicht schon wieder“ sagen. Es ist jetzt Aufgabe der Kulturschaffenden, Wege und Mittel zu finden, aus denen das ‚nie wieder‘ folgt, aber nicht die Abstumpfung.“ Er glaube daher, sagte er unter Applaus, dass der Film ein „ganz wichtiger in dieser Zeit“ immer aberwitzigerer Verbrechen sei, um aufzuzeigen, wie „die Dinge entstehen“. Dabei verwies Fischer unter anderem auf den Anschlag in Halle, wo am 9. Oktober vorigen Jahres bei dem Versuch eines Massenmordes an Juden zwei Passanten nahe der Synagoge erschossen wurden.
Ein Zeitzeuge erinnert sich an das Verschwinden seiner Mitschüler
75 Jahre nach der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau hat der österreichische Schauspieler Karl Merkatz in der Podiumsrunde als Zeitzeuge über Verfolgung der Juden durch die Nazis gesprochen. Er erinnerte sich, wie seine Mitschüler jüdischen Glaubens verschwanden: „Wir haben uns gut verstanden, aber eines Tages waren sie weg.“ Ebenso sprach er über Details der Pogromnacht von 1938, kurz vor seinem achten Geburtstag. Seine Familie wohnte gegenüber der Synagoge. „Ich sah wie Autos herankamen mit Menschen darauf, die herunterstiegen und hineingetrieben wurden. Sie hielten Koffer, die ihnen dann aus der Hand geschlagen wurden.“ Im Film spielt er in einer Nebenrolle den Bischof von Brixen.
Der Film vermittelt Hoffnung
Fischer bekannte sich auf der Bühne zum Beten des Vaterunsers, das in „Otto Neururer – Hoffnungsvolle Finsternis“ eine herausragende Rolle spielt. Das Gebet sei eindringlich und verfüge über eine besonders verbindende Kraft. „Wenn einer noch nie etwas davon gehört hat und eine Bibel findet, wird er beim Vaterunser hängen bleiben.“
Möglicherweise erklärt dies auch die Reaktion, die Drehbuchautor Peter Mair beobachtete: „Wir waren in ungefähr 60 Kinos. Es ist kein leichter Film, aber sehr häufig haben uns die Leute gesagt, sie nehmen eine gewisse Hoffnung und Kraft mit aus diesem Film mit.“
Im Anschluss an das Ereignis verriet Ottfried Fischer im Interview mit der Verfasserin, dass es ihm seit den Dreharbeiten für den Film zunehmend besser gehe. Er hatte zuvor gerade einen viermonatigen Klinikaufenthalt hinter sich. Das Bemühen, in einer Zeit des zunehmenden Nationalismus und Antisemitismus durch sein Schaffen zu mahnen, halte ihn am Leben.
„Otto Neururer – Hoffnungsvolle Finsternis“, wurde mehrfach ausgezeichnet, unter anderem als „Bester Film“ auf dem Mirabile Dictu – International Catholic Film Festival 2019 prämiert.
Weitere Informationen zum Film und Ausleihmöglichkeiten: OttoNeururer
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