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(explizit.net) Ein halbes Jahr nach Gesprächen über die israelisch-palästinensische Friedenssuche in der Zeitmitte angelangt, will Präsident Obama den israelischen Premier Netanjahu auf einen finalen Regelungsrahmen festlegen. Daher treffen sie sich heute im Weißen Haus. Gleiches möchte der Amerikaner mit dem Chef der Autonomiebehörde Mahmud Abbas tun, wenn er ihn am 17. März am Potomac empfängt. Beide Mittelostler sperren etwas: einige Kernfragen seien offen. Vielleicht treffen sie sich alle, wenn Obama zu Gast beim saudischen König Abdullah ist. Israelis verweisen auf Teherans Griff nach Nukes. Woran ihnen liegt, zeigte sich bei Kanzlerin Merkels Treff mit Netanjahu. Hinzu kommen Teile des Kalten Kriegs: Obama halbierte Kairos Hilfen, also kaufte Verteidigungsminister Abd al-Fatah as-Sisi im Kreml Waffen, indes Wladimir W. Putin noch in der Ukraine einfällt.
Obama
Der Präsident möchte seinen Friedensplan für den israelisch-palästinensischen Konflikt verkünden, den Außenminister John Kerry nach über einem Dutzend seiner Reisen zu beiden Seiten entworfen hat. Dabei gibt es Streitpunkte: Übergangsregelungen auf dem Weg zum Staat Palästina in 90 Prozent der Westbank, Hauptstadt, Austausch von Land, Kompensationen, die Sicherheit an den Grenzen, Rückkehrer und Aufsicht dritter Seiten. Gazas Hamas und der Islamische Jihad sitzen nicht mit im Verhandlungsboot. Sondern sie verkünden Schiffbruch. Mehr noch. Sie rufen seit September zur Dritten Intifada auf.
Null Prozent
Aber das Räderwerk ist größer. Gegenüber Angela Merkel brachte Benjamin Netanjahu am 25. Februar in Jerusalem diese „einfache Formel“ auf: Zwei Staaten für zwei Völker – einen entmilitarisierten palästinensischen Staat, der den jüdischen Staat anerkennt. Dieser Konflikt könne nur beendet werden, sofern die Palästinenser alle nationalen Ansprüche auf den jüdischen Staat aufgeben. Dies sei die Idee, die hinter der Zwei-Staaten-Lösung stehe: Wir haben einen palästinensischen Staat für die Palästinenser und wir haben einen jüdischen Staat für die Juden, für Israel, und dann gibt es keinen weiteren Anspruch. Das werde unterstützt durch klare und harte Regelungen und Arrangements für die Sicherheit.
Mit Blick auf Iran und Präsident Ruhani meinte Netanjahu, das Gefühl zu haben, dass er und seine Leute ihr Verhalten gar nicht änderten. Auch weiterhin werde die Bevölkerung unterdrückt. Nach wie vor gebe es Hinrichtungen von Hunderten von Unschuldigen auf öffentlichen Plätzen. Vor Ort in Syrien unterstützte Teheran al-Asads Regime durch die Finanzen, Waffen sowie Kämpfer und Kommandoführer. Dies passiere jeden Tag. Iran fördere Stellvertreterkriege mit terroristischen Elementen der Hizballah, siehe Libanon.
Teheran strebe nach Nuklearwaffen und entwickle Trägermittel. Interkontinentalraketen richteten sich nicht nur gegen Israel – Raketen zeigten schon dahin – , sondern auch gegen Europäer wie Deutsche, und eines Tages auch gegen Amerikaner. Teheran rufe weiterhin auf, den jüdischen Staat zu vernichten. Ziel der P5+1-Gespräche möge es sein, Teherans Griff nach Nukes und deren Einsatz zu stoppen: null Fähigkeit Plutonium anzureichern und Trägerraketen zu entwickeln. Andernfalls würden „Wellen der Proliferation“ folgen.
As-Sisi
Unter Kanzlerin Merkel und Premier Netanjahu hat sich Bilaterales sehr verbessert. In der Tat ist es, wie der Israeli sagte, ein Hoffnungszeichen dafür, aus der Geschichte zu lernen, ihren Kurs zu ändern, die Welt zum besseren Ort zu machen. Diese Gespräche Jerusalem-Berlin eröffnen für beide Seiten neue Räume: für die jeweilige Europa- und Mittelostpolitik. Dies in einer Zeit, in der Boykotte gegen Israel drohen, eine Sache, die Angela Merkel in Europa eindeutig nicht unterstützt. In Amerika gibt es Boykottansätze, die nicht zur Haupttendenz wurden und eher auf ihre Urheber zurückgeschlagen haben.
Allerdings reagierten Washington und Jerusalem entgegengesetzt auf Kairos Wege nach dem Sturz von Muhammad Mursi. Dessen Fall überraschte Präsident Obama, der zuvor bereits Islamisten favorisierte. Dann dauerte es, bis er sich an die Interimsmacht am Nil gewöhnte und erklärte, für keine Seite Partei ergreifen zu wollen. Doch ließ er die Hilfe halbieren, worauf ihm as-Sisi eine gelbe Karte zeigte und die nötigen Waffen in Moskau besorgte. Freilich hätte er die zwei Milliarden Dollar wegen der tiefen Wirtschaftskrise besser einsetzen können. Sein Schritt zum Kreml folgt aus Obamas Fehlanalyse, der nach dem syrischen Debakel – ungewollt – Putins Autorität als Faktor in Mittelost bestärkt hat.
Das Weiße Haus hat sich verrechnet. Kairos Regierung hat die Lage etwas stabilisiert, obzwar Fragezeichen in der Machtausübung und im Umgang mit den Oppositionellen erwachsen. Der Premier und sein Kabinett haben gewechselt von Hasim al-Bablawi auf Ibrahim Mahlab, zuvor im Bauimperium der Privatfirma Uthman Ahmad Uthman, zuletzt Bauminister. Er muss mit Streiks, steigenden Brennstoff- und Nahrungspreisen und den militanten Anschlägen umgehen, darunter auf Sinai. Dort haben Jihadis diverse Basen. Bisher schafften sie es, durch ihre Aktionen das Maß der Repression zu steigern. Kairo sah in ihnen am 16. Februar Bombenleger gegen Touristen in Taba nahe Israels Grenze.
Ijtihad
Die demokratische Verfassung muss mit Leben erfüllt werden. Präsidialwahlen stehen an, wobei as-Sisi kandidiert. Anfang Januar sorgte er in einer Rede für Wirbel, da er erklärte, der religiöse Diskurs wäre die größte Herausforderung für die Ägypter. Man brauche eine neue Vision und ein modernes Verständnis vom Islam und könne sich nicht mehr auf den Diskurs berufen, der seit 800 Jahren unverändert blieb. Alle Befolger des wahren Islam sollten dessen Image in der Welt verbessern, nachdem der Glauben Jahrzehnte zu Gewalt und Zerstörung benutzt worden war. Verbrechen seien falsch in dessen Namen begangen worden. As-Sisi erwähnte, anstelle des Jihad auf das Konzept des Ijtihad zu setzen. Hier ringen Menschen um eine höhere Qualität durch geistige Selbstverbesserung und um unabhängige Arten, den Islam auszulegen, was bei Sunniten im 13. Jahrhundert aufhörte.
Letzteres ist fraglich. Zumindest gab es Denker wider den Strom. Ein jüngster Fall ist im Web das Video „The Square“ von Anfang 2013. Gemeint ist der Kairiner Befreiungsplatz „Midan at-Tahrir“, wo die Lotusrevolte begann. Erzählt werden Geschichten von jungen Trägern dieser Wende, von Revolte und Gegenrevolte, Liberalen und Muslimbrüdern und anderen Islamisten. Erstmals wurde mit diesem Dokumentarstreifen der Direktorin Jihan Nujaim ein ägyptischer Film für einen Oscar nominiert. Wer muss da nicht an den Midan-Platz in Kiew mit den orangenen Revolten denken, die bislang so ähnlich verlaufen sind?
<emphasize>Wolfgang G. Schwanitz</emphasize>
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