Kathedrale von Amiens, Foto: hinsehen.net

Müssen Diskussionen in Streit ausarten?

Jeder von uns kennt Auseinandersetzungen in der Partnerschaft, in der Ehe, unter Freunden oder im beruflichen Umfeld. Es geht in solchen Gesprächen um Sichtweisen, um Argumente für oder gegen etwas. Warum schlagen solche Auseinandersetzungen um Sachverhalte in Streit um? Auch eine Anleitung für die Einkehrtage der SPD.

Im Eingangsbereich der Kathedrale von Amiens, bevor man durch das Portal geht, werden menschlichen Verhaltensweisen dargestellt, Anleitung zur Gewissenserforschung 

 

Man überlegt z.B. im Familienkreis ein Familienauto anzuschaffen, in dem alle bequem sitzen können. Da spielen dann die verschiedenen Bedürfnisse der Familienmitglieder sowie der Geldbeutel eine Rolle. Es kommen unterschiedliche Argumente für oder gegen das eine oder andere Modell auf den Tisch. Das hilft, um sich später für das Auto zu entscheiden, dem alle zustimmen können und das Budget nicht überschreitet.
Oder es steht eine Entscheidung im Freundeskreis an - wo und wie man gemeinsam ein Wochenende verbringen will. Damit auch alle das Ergebnis der Entscheidung akzeptieren, sollten sie in die Diskussion einbezogen werden. Wenn nur einige das Ziel auswählen, kann es sein, dass nicht alle mitfahren, weil sie sich nicht einbezogen fühlen.
Im beruflichen Feld kann es um die Frage gehen, ob eine neue Produktlinie an den Markt gebracht werden soll. Da braucht es viele Argumente, nicht nur von der Leitung und den Mitarbeitern, sondern auch von Sachverständigen.

Ein Sachverhalt wird durchleuchtet

Diskussionen sind notwendig. Sie kommen täglich vor, auch wenn wir sie manchmal nicht als solche registrieren. In Diskussionen versammeln sich unterschiedliche Standpunkte. Wenn man sich einig ist, braucht man nicht zu diskutieren. Diskussionen haben deshalb ihren Wert, weil unterschiedliche Argumente auf den Tisch kommen. Erst wenn es mehrere Aspekte gibt, kann eine Sachfrage oder ein Sachproblem diskutiert werden. Wenn es nur eine Antwort auf die Frage, eine Lösung für das Problem gibt, braucht es keine Diskussion. Dieser Austausch von Argumenten hilft, den eigenen Standpunkt genauer zu überprüfen. Gute Diskussionen sind eine Voraussetzung für tragfähige Entscheidungen. Ob sie in der Familie, in der Freizeitgruppe oder im Beruf getroffen werden. Sie dienen dazu, sich in der eigenen Meinung nicht vorschnell festzubeißen, Argumente zum eigenen Standpunkt zu überlegen und sie dann auch argumentativ zu formulieren, um sie in die gemeinsame Waagschale zu legen. In Diskussionen kann ich verschiedene Sichtweisen hören, diese verstehen und damit ein größeres Meinungsspektrum herstellen.
Solange die Auseinandersetzungen auf der sachlichen, argumentativen Ebene stattfinden bleiben die Gespräche auch gut händelbar.

Angriffe auf die Person führen zu Spannungen

Nicht immer werden Diskussionen aber so fair geführt, wie sie es verdienen. Da wird manchmal der eine oder die andere persönlich angegriffen, es werden verletzende abfällige Bemerkungen gemacht, es wird getuschelt, gestichelt, gegrinst oder Bewertungen der Person ausgesprochen. „Was Du schon wieder von dir gibst?“ oder „ das kann doch nur von Dir kommen, wir wissen ja wie kompliziert du bist“. Das verursacht augenblicklich eine angespannte Atmosphäre. Das Gespräch wird aggressiver, es verlässt mit diesen Angriffen auch die sachliche Ebene. Der Angegriffene muss sich verteidigen oder er steigt aus. Die persönlichen Angriffe treffen das Gegenüber. Es geht nicht mehr um das eigentliche Thema z.B. der gemeinsamen Reise, sondern um den Unmut über die Person.
Werden Verletzungen, gegenseitige Bewertungen, Beleidigungen ausgesprochen, dann sprechen wir nicht mehr nur von Auseinandersetzungen, sondern von Konflikten. Diese haben immer etwas mit Gefühlen zu tun. Wenn ich den anderen klein oder lächerlich mache, ihn durch Missachtung verletze, ihn unfair angreife, dann verlasse ich die sachliche Ebene. Der andere fühlt sich nicht geachtet, klein gemacht, von oben herunter behandelt, zurechtgewiesen, ignoriert, missachtet, angegriffen, bewertet. Subtiler noch, wenn ich ihn mit einem abschätzenden Lächeln als inkompetent hinstelle, lächerlich mache, über ihn hintenherum rede und ihn so ausgrenze.

Diese Angriffe verlassen die Sachebene und zielen auf die Person

Was passiert denn da? Welche Motive führen dazu, den anderen in seiner Person anzugreifen? Wie bedrohlich muss er für mich sein, dass ich ihn klein machen muss. Wie unsicher bin ich selbst, wenn ich zum Mittel der Verletzung greife. Wie unzufrieden muss ich sein, dass ich den anderen kränken muss. Welcher Groll sitzt noch in mir ist, den ich nie ausgesprochen habe? Es sind viele Motive, die zu Konflikten führen. Eines ist immer zu beobachten: Je mehr nicht bearbeiteter, unversöhnter Ärger in uns ist, je mehr müssen wir damit rechnen, dass er sich bei Gelegenheit Luft macht. 



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