Der 6. Dezember war der Geschenktag für die Kinder. Luther wollte die Heiligenverehrung zurückdrängen. Auf ihn geht zurück, dass das Christkind die Geschenke bringt. Inzwischen haben die Geschenke das Fest der Menschwerdung fast überdeckt. Pfarrer Jeffrey Myers von der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau fragt: Wäre es an der Zeit, 500 Jahre nach der Reformation der Bescherung eine neue Ausrichtung zu „bescheren“?
Allem voran: Keiner schätzt den deutschen Advent mit seiner Nikolaustradition mehr alsder nicht-deutsche Pfarrer im Projektbüro Reformationsdekade. Die Aufteilung – Nikolaus kommt als Vorbote am 6. Dezember, der Heiligabend gehört dem Kind in der Krippe allein – scheint sinnvoll und ist theologisch vertretbar. Dadurch vermeidet man die Schizophrenieder Neuen Welt am 25. Dezember, an dem der Heiland der Welt mit dem Weihnachtsmann konkurrieren und Ochs und Esel mit Rentieren ins Rennen gehen müssen.
Geschenkbringer – heute die Paketdienste
Mittlerweile bin ich mir aber nicht so sicher, ob die Christkind-Tradition der frohen Weihnachtsbotschaft besser dient. Denn auch das "Christkind" wird zunehmend als Paket-Dienst-Mitarbeiter erwartet. Theologisch gesehen ist diese Figur auch nicht unproblematisch: Das Christkind bringtnicht gerade die Menschwerdung Gottes zum Ausdruck, sondernzeigt sich als eine Art ätherisches Wesen, in nicht wenigen Darstellungen gar von einem elfenhaft durchsichtigen Blätter- und Sternennebel umgeben. Also entwickelt das "Christkind" wirklich mehr Sinnals Santa Claus? Mit dem Weihnachtsmann weiß ich wenigstens, wen ich vor mir habe.
Luther als Gestalter des Weihnachtsbrauchtums
Umso ironischer scheint es, dass das Christkind in seiner Funktion als Gabenbringer auf eine ErfindungMartin Luthers zurückzuführen sein soll. Der Reformator, der zuvor Nikolaus-Schiffe als Gabenteller basteln und die auch in seinem Hause übliche Bescherung am Nikolaustag stattfinden ließ, Belege dafür finden sich in einer Haushaltsrechnung im Jahre 1535, verlegte nämlich die Bescherung kurzerhand auf den 24. Dezember.
Einerseits wollte Luther die katholischen Heiligen, wie etwa Nikolaus,ein Stück aus der Mitte wegrücken, andererseits sah er sich mit demBrauchdes Schenkens am Nikolaustag konfrontiert, ein „kyndisch ding“, von dem auch die Protestanten nicht abrücken wollten. Die Lösung aus reformatorischer Sicht war es, den Nikolaus durch das Christkind zu ersetzen bzw. das Christkind an der Seite des Nikolaus erscheinen zu lassen. Der "Heilige Christ", der sich mit der Zeit zum engelsgleichen Christkind verwandelte, sollte also nach Luther den Part des Gabenbringers übernehmen.
Christkind: Empfänger von Wunschlisten
Leiderist diese Figur mit der Zeit mehr oder weniger zum märchenhaften Empfänger von Wunschzetteln geworden – eine Art himmlische Weihnachtsfrau.So wie der Bischof Nikolaus, einst Helfer der Schwachen und Kämpfer für Gerechtigkeit, zum "Weihnachtsmann" verschmolzen wurde, so wurde auchim Laufe der Zeit der "Heilige Christ" zum konsumfördernden "Christkind" gemacht. Heute wird man kaum unterscheiden können zwischen dem Christkind, einem rauschgoldenen Engelein, das zunehmend zu Werbezwecken eingesetzt wird, und dem Nordpol-Weihnachtsmann. Ob eine inhaltliche Verbindung zwischen dem verschleierten, blondgelockten Christkind und dem neugeborenen Christuskind, arm und nackt ineiner Krippe liegend, überhaupt noch herstellbar ist?
Vielleicht heißt es deshalb, die Tradition des Gabenbringens und Schenkens zu überdenken, mehr in Richtung Bethlehem – oder gar eine neue Tradition zu entwickeln, gerade in unserer globalisierten Zeit, in der sich Traditionen aufs Neue mischen. Schön wäre es. Zum Glück aber hängt die Ankunft Christi nicht davon ab, was wir Menschen manchmal aus Traditionen machen. Auch zu Weihnachten 2016 gilt: "Christ, der Retter, ist da."
Pfarrer Dr. Jeffrey Myers
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