(explizit.net) Sonntag verstarb Peter O’Toole in London, Hauptakteur in „Lawrence von Arabien“. Der Hollywoodfilm, der ein Jahr nach dem Bau der Berliner Mauer aufkam, hat ihn berühmt gemacht. Angelehnt an sein Buch „Die sieben Säulen der Weisheit“, erhielt dieses Drama in der Wüste im Folgejahr sieben Oscars. Noch heute können sich viele Zuschauer dem Charm der Hauptdarsteller O’Toole und Omar Scharif kaum entziehen. Der Ire mit den lichtblauen Augen und der vom Christentum zum Islam konvertierte Ägypter mit seinem Traumblick bleiben attraktiv, wobei Scharif als „Doktor Schiwago“ noch mehr einschlug.
Im ersten Film geht es darum, wie das über fünfhundert Jahre währende Osmanenreich in den Jahren des Ersten Weltkriegs barst: der junge Nationalismus von Arabern und ihren Stämmen, den Thomas E. Lawrence als Agent des Britischen Empires mit seiner Revolte in der Wüste förderte, erwies sich stärker als die Reformen des multinationalen Großreichs. Der zweite Streifen zeigt in Familien der Intelligenz und Mittelschichten, wie die Sowjets das Zarenimperium übernahmen. In beiden Fällen gingen Herrscherdynastien unter, die Osmanen, Romanows und Hohenzollern. Und neue Machtkreise übernahmen die Zepter.
Sonnenplatz
So ein Ende wäre nach dem Willen der jungen Siegeralliierten Amerika, Großbritannien, Frankreich und Russland dem türkischen Kernland beschieden, hätten es nicht Mustafa Kemal und seine Gruppe gerettet. Indes verdrängte er die Geschichte des armenischen Genozids, der in vielerlei Hinsicht Blaupausen für die Genozide im Zweiten Weltkrieg geliefert hat, als die alte Achse der Deutschen und Osmanen in einen Pakt der Nazis und Islamisten verwandelt worden war. Und es waren oft sogar dieselben Personen beteiligt. Nur beim Start des zweiten Waffengangs waren sie 25 Jahre älter, diesmal von Soldaten zu „leitenden Herren“ aufgerückt. Am stärksten betraf dies die Jahrgänge 1880 bis 1890.
Vor der weltkriegerischen Urkatastrophe, die manche vorhersagten, sah Berlin seine Felle davon schwimmen. Es war im großen Streit um die Aufteilung der Erde sehr spät hinzu gekommen. Drei Dutzend Kleinstaaten bildeten das Deutsche Reich. Ehe es aus seiner Gründerzeit kam, da galt die Welt durch die direkten Nachbarn im Prinzip als abgesteckt. Die erbauten Imperien. Berlin wollte und konnte dies nicht. Denn es gab viel Theater mit den Regierten in Kolonien. In Mittelost kam der Islamismus auf, der Paris in Algerien, London im Sudan und Sankt Petersburg im Kaukasus herausforderte. Wer im deutschen Zentrum wollte ob ferner Länder einen Krieg mit den europäischen Nachbarn riskieren? Es blieb ihm allein der friedliche Weg über die Bagdadbahn an den Platz in der Sonne.
Nach dem vorsichtigeren Otto von Bismarck übernahm Kaiser Wilhelm das Staatsruder. Wie viele Preußen hegte er eine Schwäche für Mittelost, jenen Raum der Propheten und ihrer Schriften. Zwei Dekaden vor Weltkriegsbeginn kam dem Kaiser die Idee, den Islam als mögliche Globalwaffe über lokale Islamführer zu lenken. Denn Briten, Franzosen und Russen hatten so viele Muslime als Untertanen. Diese erschienen zwar ohne Parteien und Parlamente. Aber deren Bruderschaften könnten all die Plattformen bilden, um den Islam zu jihadisieren und zum Hebel der kaiserlichen Weltpolitik zu entwickeln. Dies erkundete Max von Oppenheim auf seinen Reisen von Kairo aus, wo er ab 1896 dem Kaiser in zwei Dekaden an die 500 Berichte geliefert hat. Er ging mit Kalifen, Muftis und Mullahs um.
Revolutionierungen
Am Weltkriegsbeginn benannte der Diplomat in seinem großen Jihadplan Wilhelm II. acht Bruderschaften, die das koloniale Hinterland Berliner Kriegsgegner überzogen (als deren Kriegskind wurde die Muslimbruderschaft Hasan al-Bannas zur Nummer neun). Diese wiederum bewunderten die Deutschen ohne Kolonien in Mittelost, deren Einheit, die Eisenbahnen, Waffen und Industriewaren mit der Glanzmarke „Made in Germany“. Die beiden Seiten propagierten ein „natürliches Bündnis“ von Muslimen und Deutschen.
Im Krieg tanzte Russland aus der Reihe. Alles der alten Ordnung geriet ins Wanken. Kein Privateigentum, keine Religionen mehr, dafür dieser linke Kollektivismus. Und zwischen den Fronten lebte der Arzt Schiwago. Mal operierte er die Bolschewisten, dann dokterte er an Menschewisten. Alle trampelten auf diesem müden Volk herum, das sich in die Ära massenhafter Erschießungen von Kulaken und Kritikern, der Großbauten und Stahlwerke verirrt hat. Darauf entfaltete Berlin zweierlei Pläne der Revolutionierungen nah und fern.
Rot-grün
Der „jüdische“ Plan Rot hieß, Lenins Linksextreme im russischen Reichszentrum durch eine Revolte an die Macht zu verhelfen. Das klappte, der Bolschwewik, der doch immer in einer Minderheit war und unter normalen demokratischen Umständen nicht den Kreml erobern konnte, beendete den Krieg und entledigte Berlin seiner Ostfront. Der islamische Plan Grün hingegen bedeutete, in der Peripherie von europäischen Imperien den Islam zu jihadisieren und Islamisten vorzuschieben. Obwohl genau dies 1898 bis 1945 die Berliner Islampolitik verfolgte, mit Weimarer Pause, kamen Revolten erst nach den Weltkriegen.
Sie führten schließlich zum Doppelsieg der nationalen Militärs; sowie der National- und Globalislamisten: 1952 in Ägypten unter Abd an-Nasir und was dem an gleichartigen Militärcoups in vielen Ländern folgte, sowie im Iran 1979, das dann selbst die Ausfuhr von islamistischen Revolten als seine Staatspolitik unter Ayatullah al-Khumaini betrieb; und Mittelost 2012, als sich die Islamisten durchsetzten. Aber in Kairo nur für ein Jahr.
Hingegen barg der Plan Rot ein zweifaches Manko. Damit zog die totalitäre Macht der Linksextremen unter Lenin, Stalin und ihren Epigonen auf, die gleichwohl die totalitäre Macht der mitteleuropäischen Rechtsextremen unter Hitler beflügelt hat. Die Sowjets kolonisierten „nach innen“ weitere islamische Räume Mittelasiens und im Kaukasus.
Das lieferte nicht nur deutschen Jihadeiferern neue Ansatzpunkte. Sondern die Herren des Kremls hegten mit dem Ersten Weltkrieg ihre eigene Taktik der rot-grünen Jihadisierung des Islam und der Ausgestaltung des Islamismus wiederum in den europäischen Kolonien und Mandatsgebieten. All dies lief im Lichte einer „Weltrevolution“. Der Kreml arbeitete sich in Mittelost speziell seit dem Zweiten Weltkrieg vor. Gottloser Feind von Islamisten, fand er kaum Probleme, diese gegen die euro-amerikanischen Demokratien zu lenken.
In Umrissen lief so die Geschichte, die noch gar nicht erzählt worden ist. Denn alles hielt sich an den Helden des Britischen Empires, Lawrence von Arabien. Aber es gab auf der deutschen Verliererseite Antihelden, auch Max von Oppenheim, der in den Weltkriegen das Auswärtige Amt beriet, wie man die Muslime und Islamisten ausnutzen möge. Berlin dirigierte die Experten, schickte Waffen und Geld, die anderen Seiten stellten die Jihadis. In „Lawrence versus Oppenheim“ nutzte nur Berlin das Jihaddogma - als Religionskrieg.
<emphasize>Wolfgang G. Schwanitz</emphasize>
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