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"Künstlicher Zusammenhalt der Eurozone ist unsolidarisch"

(explizit.net) Gastbeitrag von Christian Schmidt

Die Rettungsmaßnahmen und Finanzierungsmechanismen zur Aufrechterhaltung der Eurozone verschleiern, dass eine gemeinsame Währung für wirtschaftlich derart unterschiedliche Länder nicht funktionieren kann. Hätte man sich an die vereinbarten Maastrichtkriterien gehalten, wäre der Euro längst auseinandergebrochen. Aber die Einführung des Euro war seinerzeit politisch motiviert. Die Rückkehr zu nationalen Währungen oder die Aufteilung in mehrere unterschiedliche Eurozonen wäre heute „gesünder“ als die Rettungsversuche, denn unterschiedliche Länder brauchen unterschiedliche Währungen.

(explizit.net) Gastbeitrag von Christian Schmidt

Die Rettungsmaßnahmen und Finanzierungsmechanismen zur Aufrechterhaltung der Eurozone verschleiern, dass eine gemeinsame Währung für wirtschaftlich derart unterschiedliche Länder nicht funktionieren kann. Hätte man sich an die vereinbarten Maastrichtkriterien gehalten, wäre der Euro längst auseinandergebrochen. Aber die Einführung des Euro war seinerzeit politisch motiviert. Die Rückkehr zu nationalen Währungen oder die Aufteilung in mehrere unterschiedliche Eurozonen wäre heute „gesünder“ als die Rettungsversuche, denn unterschiedliche Länder brauchen unterschiedliche Währungen.

Siebzehn von 28 Staaten der Europäischen Union gehören der Eurozone an. Otto Normalverbraucher findet das gut, braucht er sich doch als Tourist nicht mehr der leidigen Umtauschprozedur zu unterziehen, wenn er durch verschiedene europäische Staaten reist. Allerdings haben Länder wie Großbritannien, die Schweiz oder andere, nicht der Eurozone angehörige Länder, keineswegs einen Touristeneinbruch zu verzeichnen gehabt, obwohl sie den Euro nicht als Währung eingeführt haben.

Die Großindustrie profitiert, aber Familienunternehmen müssen langfristig denken

Auch die deutsche Großindustrie findet das gut, denn man spart nicht nur Währungsabsicherungskosten, sondern liegt auch sonst gut im Exportgeschäft, weil deutsche Produkte relativ zu denen anderer Länder billiger sind. Das liegt an der günstigeren Kostenstruktur und anderen Wettbewerbsvorteilen bei gleicher Qualität. Deutsche Familienunternehmen aber haben eine andere Position, denn sie denken und agieren eher langfristig und sind auch noch für ihre Unternehmen verantwortlich, wenn die Eurozone auseinanderbrechen sollte. Dann sind die mit eher kürzerem Orientierungshorizont ausgestatteten angestellten Manager von Aktiengesellschaften wahrscheinlich aber nicht mehr an Bord.

Kunstgriffe wie ESM verschleiern Unmöglichkeit einer gemeinsamen Währungszone

Warum aber ist eine gemeinsame Währungszone nach einigen Jahren Laufzeit momentan nur noch durch alle möglichen Kunstgriffe, die nicht vorgesehen waren, aufrecht zu halten? Mit Kunstgriffen sind sogenannte „hair cuts“ gemeint, also Forderungsverzichte von Banken oder Gläubigerstaaten Schuldnern gegenüber, oder die Einführung des ESM (Europäischer Stabilitätsmechanismus, der eigentlich ein Kreditausleihinstrument ist) oder des ESFS, eines ähnlich gearteten Mechanismus. Diese Kunstgriffe sollen in der Summe alle die Tatsache verschleiern, dass die wirtschaftlich derart unterschiedlichen Länder letztlich nicht unter eine einzige Währungsstruktur passen und nur durch immer neue Finanzierungmechanismen künstlich am Leben gehalten werden. Ein Blick auf die angesammelte Verschuldung Griechenlands zeigt, dass das Land nie, auch nicht in 100 Jahren, selbst bei bester Konjunkturentwicklung diese Schulden wird zurückzahlen können.

Maastrichtkriterien wurden nicht eingehalten

Hätte man sich strikt an die sogenannten „Maastrichtkriterien“, die bei der Gründung der gemeinsamen Währung vereinbart worden waren, gehalten, so wäre es längst zu einem Auseinanderbrechen des Währungsverbundes gekommen: Länder, die nicht hineinpassen, wären schon längst wieder herausgegangen. Da aber das politische Denken bzw. das nicht Zugebenwollen, einen Fehler gemacht zu haben größer ist als ökonomische Vernunft, werden immer neue Maßnahmen erfunden, um den Tag der Wahrheit hinauszuschieben. Bisher sind es „nur“ Garantien, für die Bevölkerung fühlbar ist noch kein Cent tatsächlich geflossen, aber demnächst steht das erste richtige Abschreiben einer großen Forderung Griechenlands gegenüber an.

Der Euro sollte Deutschland politisch einbinden

Die Maastrichtkriterien waren der Sicherheitspuffer, weil man wohl ahnte, dass ohne kohärente Politik bezüglich der Staatsverschuldung ein Auseinanderdriften der Eurozonenländer nicht zu vermeiden sei. Sie waren sozusagen der Lackmustest. Dieser Test ist gescheitert. Er musste auch scheitern, denn die Kreation der Währungszone war der Vereinbarung zwischen Helmut Kohl und Francois Mitterand geschuldet, im Rahmen der deutschen Wiedervereinigung eine ökonomische Vorherrschaft Deutschlands in Europa zu verhindern. Man wollte Deutschland in einer gemeinsamen Währung „eingebunden“ wissen. Die Entscheidung war also politisch und nicht wirtschaftlich. Das wusste auch Helmut Kohl.

Gemeinsame Währung unmöglich ohne gemeinsamen Haushalt und Finanzminister

Leider lassen sich wirtschaftlich Fakten – wie das Gesetz von Angebot und Nachfrage – nicht durch politischen Willen oder Hoffnung außer Kraft setzen. So lässt sich auch nicht herbei hoffen, dass wettbewerbsmäßig völlig unterschiedliche Länder, in eine gemeinsame Währung gepresst, auf Dauer werden reüssieren können. In noch keinem Verbund mehrerer Staaten, die weder einen gemeinsamen Haushalt noch einen gemeinsamen Finanzminister hatten und nicht wenigstens annähernd auf einer ähnlichen Wettbewerbsfähigkeitsstufe standen, haben gemeinsame Währungen bisher überlebt. Solche Versuche gab es immer wieder, beispielsweise zwischen Kenia, Tansania und Sambia oder auch die westafrikanische CFA-Zone. Keines dieser Experimente war von Erfolg gekrönt.

Künstlich zusammenhalten, was nicht zusammengehört

Bei nicht miteinander integrierten Staaten – ein Gegenbeispiel sind die Vereinigten Staaten von Amerika mit einem Finanzminister und einem Staatshaushalt – passt eben nicht der „one size fits all“-Ansatz. Mag dieser gelegentlich für Sportsocken gelten, so brauchen unterschiedliche Länder unterschiedliche Währungen die gegeneinander auf- und abwerten können, um Unterschiede der Wettbewerbsfähigkeit ausgleichen zu können. Selbst bei der Einheitssportsocke macht sich beim Marathon nach einigen Kilometern mit kleinen Füßen ein Schlabbern im Schuh breit mit Blasenfolge. Beim großen Fuß wird wegen der Enge die Durchblutung vermindert. Da kein Ausgleich erfolgen kann, muss durch permanente Stützmaßnahmen künstlich zusammengehalten werden, was nicht zusammen gehört. Wenn die europäischen Staaten der Eurozone eine einheitliche politische Struktur hätten, wäre die gemeinsame Währung am Ende eines solchen Prozesses die logische Konsequenz. In der EU hat man den Spieß umgedreht und den Wagen vor die Pferde gespannt.

Rettungspakete sind unsolidarisch

Die sogenannten „Vorteile“, die sich bisher scheinbar durch den gemeinsamen Euro ergeben, werden durch Rettungspakete mehr als zunichte gemacht. Das ist unsolidarisch: die Großindustrie nämlich profitiert und die Summe aller Steuerzahler muss für die Rettungsmaßnahmen aufkommen Es ist daher gesünder, nicht durch künstliche Verzerrungen und Rettungsmechanismen Dinge aufrecht zu erhalten, die sich nur durch Dauersubvention aufrechterhalten lassen. Auch würde sich die strukturelle Jugendarbeitslosigkeit in den Südländern der Eurozone – in Spanien über 50 Prozent – wieder verringern, wenn diese Länder wieder wettbewerbsfähiger würden und dementsprechend mehr Arbeitskräfte einstellen könnten.

Wettbewerbsfähigkeit wiederherstellen durch Abwertung

Eine Rückkehr zu nationalen Währungen oder die Aufteilung in zwei oder mehrere unterschiedliche Eurozonen (Nordeuro und Südeuro) wäre also nicht unsolidarisch, sondern würde die Länder wieder auf eigene Füße stellen können. Sie würden nicht von den „reicheren“ ausgehalten, sondern könnten durch Abwertung – so wie auch schon früher – die eigene Wettbewerbsfähigkeit wieder herstellen. Dass dabei die deutsche Industrie zunächst einen Anpassungsprozess durchlaufen muss, wird nicht ausbleiben. Denn relativ zu den anderen Ländern werden dann deutsche Produkte wieder teurer; importierte Vorprodukte würden allerdings auch billiger.

Negative Zinsen

Wenn es wieder zu Zonen unterschiedlicher Wettbewerbsfähigkeit käme, könnte auch wieder eine angepasste Geldpolitik von der jeweiligen Notenbank gefahren werden. Die Ersparnisse der Bevölkerung würden sich auch tatsächlich positiv verzinsen. Momentan zahlen die Sparer, denn die durch Draghis „Bazuka“ ("...koste es was es wolle...") erfolgende Inflationspolitik entwertet die Ersparnisse nicht nur, sondern sorgt auch dafür dass nach Inflationsabzug von den monatlichen Zinsen in Wahrheit nichts übrigbleibt – eine „schleichende Enteignung“.

Wer bestellt, der zahlt...oder doch nicht?

Im Maastrichtvertrag ist vorgesehen, dass jedes Land dasselbe Stimmrecht erhält: Malta hat im Rat der EZB ein Stimmrecht, das genauso groß ist wie das von Deutschland und allen anderen Staaten. Dennoch haftet Deutschland mit 27% der verliehenen Gelder. Das mag solidarisch sein, entspricht aber nicht unbedingt dem Gerechtigkeitsempfinden der Bevölkerung. Daher sollte darüber auf jeden Fall in den nationalstaatlichen Parlamenten abgestimmt werden. Man spricht hier bisweilen auch von einem „moral hazard“: wenn der andere zahlt, kann ich mir unvernünftige Politik auf dessen Kosten „leisten“.

Ideale Partner

Österreich, Finnland, die Balten und einige BeNeLux Staaten, die nicht Fiskalpolitik und Geldpolitik vermischen, also eher „orthodox“ sind, – so wie es Deutschland über Jahrzehnte mit seiner vormals unabhängigen Bundesbank praktizieren konnte – kämen als ideale Partner eines „Nordeuro“ am ehesten in Frage. Nach und nach könnten sich dann weitere Länder diesem Verbund zugesellen, solange sie unter Beweis gestellt haben, dass sie eine gesunde Schuldenpolitik und auch sonst vernünftige Haushaltspolitik betreiben. Alle anderen Länder sollten zu ihren einstmals nationalen Währungen zurückkehren.

<emphasize>Der Autor, Dr. Christian A. Schmidt, hat für multilaterale Finanzinstitutionen wie die Weltbank, die Europäische Investitionsbank und die Osteuropabank gearbeitet. Er ist stellvertretender Vorsitzender des Berliner Landesverbandes der Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD). </emphasize>

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Schlagworte: #Euro #Kritik

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