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Kath.de-Kommentar: Lobbypolitik für die Armen

(explizit.net / kath.de) Die katholische Kirche will stärker in die internationale Entwicklungspolitik eingreifen und die Armen, Kranken und Ausgegrenzten in allen Ländern in den Blick nehmen. Die Nähe zu Staat und Regierung ist dabei Hilfe und Herausforderung zugleich. Zum einen werden kirchliche Hilfsorganisationen wie Misereor mit Millionenbeträgen vom Staat unterstützt. Zum anderen trifft sich die Bundesregierung in regelmäßigen Abständen mit den Deutschen Bischöfen. Aus dieser Zusammenarbeit heraus wollen die Akteure jetzt die neuen Millenium-Ziele mitprägen.

(explizit.net / kath.de) Die katholische Kirche will stärker in die internationale Entwicklungspolitik eingreifen und die Armen, Kranken und Ausgegrenzten in allen Ländern in den Blick nehmen. Die Nähe zu Staat und Regierung ist dabei Hilfe und Herausforderung zugleich. Zum einen werden kirchliche Hilfsorganisationen wie Misereor mit Millionenbeträgen vom Staat unterstützt. Zum anderen trifft sich die Bundesregierung in regelmäßigen Abständen mit den Deutschen Bischöfen. Aus dieser Zusammenarbeit heraus wollen die Akteure jetzt die neuen Millenium-Ziele mitprägen.

Gipfeltreffen der katholischen Hilfsorganisationen in Deutschland

Das "Who is Who" der deutschen Weltkirche kam diese Woche auf der Konferenz "Weltkirche und Mission" in Würzburg zusammen. Unter dem Vorsitz von Erzbischof Ludwig Schick berieten sich hochrangige Vertreter der Hilfswerke, Ordensgemeinschaften und Diözesen gemeinsam mit Referenten aus Politik, Weltkirche und Wissenschaft zum Stand der 2015 auslaufenden

<p>. Zur Jahrtausendwende hatten sich in einem beispiellosen Akt 189 Staaten verpflichtet</p> <p><custom name="underline">,</custom>

<p> bis zum Jahr 2015 die Zahl der Menschen, die in extremer Armut leben zu halbieren, den Hunger zu besiegen, Krankheiten einzudämmen und für alle Menschen Zugänge zu Bildungseinrichtungen, Gesundheitssystemen und sanitären Einrichtungen zu schaffen. Viel ist seitdem erreicht worden, die Mindestziele sind aber fast alle verfehlt worden. Wenn 2015 die Millennium-Zielvereinbarungen auslaufen, sollen sie nach dem Wunsch der kirchlichen Akteure durch neue Ziele ersetzt werden.</p> <h2>Der Millennium-Gipfel 2000 in New York war eine Erfolgsgeschichte</h2> <p>Im Jahr 2000 hatten Staatsvertreter auf der bis dahin größten Versammlung von Staats- und Regierungschefs der Welt in New York einen Millennium-Gipfel abgehalten. Die 189 teilnehmendenNationensetzten sich dabei erstmals verbindliche Ziele für die globale Entwicklung. In einer Entwicklungscharta versprachen sie, bis zum Jahr 2015 gegen extreme Armut, fehlende Bildung, Krankheiten und die Mütter- und Kindersterblichkeitsrate anzukämpfen und legten sich auf konkrete Ziele fest.</p> <p>Die Lage war zu dieser Zeit dramatisch. Eine Milliarde Menschen lebten in extremer Armut (weniger als 1,25 US$ am Tag), 700 Millionen hungerten, 115 Millionen Kinder hatten keinen Zugang zu Schulen und über eine Milliarde Menschen hatte keinen Zugriff aus sauberes Wasser.2014 zeichnet sich ab, dass die meisten Millennium-Ziele nicht erreicht werden. Die Kampagne ist trotzdem eine Erfolgsgeschichte - welche die kirchlichen Akteure gerne fortschrieben. Aber auch wenn die unternommenen Anstrengungen nicht ausgereicht haben, hat sich die weltweite Situation in 13 Jahren stark verbessert. Daher sollen 2015 neue Zielmarken die alten Millennium-Ziele ersetzen und ein noch stärkeres Engagement der Staaten einfordern. Als Global Player will sich die katholische Kirche in die internationale Politik einmischen - und die Debatte um die zukünftige </p> <p>

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<p>entscheidend prägen. „Dem Millenniumsentwicklungsziel, die Armut in der Welt bis zum Jahr 2015 zu halbieren, müssen weiter alle Anstrengungen gelten. Es ist ein Skandal, dass Menschen hungern, obwohl genug für alle da ist“, sagte Erzbischof Schick am Montag in Würzburg. Die politische Arbeit, um diesem Skandal ein Ende zu setzen, ist mit den neuen Millennium-Zielen verbunden.</p> <h2>Der Fokus liegt auf den Armen</h2> <p>Zwei Perspektivwechsel sind bei der Formulierung der neuen Ziele, aus Sicht der Kirche, entscheidend: die Kritik am bisherigen Wirtschaftsmodell, in dem Ungleichheiten oft nicht abnehmen, sondern zunehmen, und die Erkenntnis, dass auch die Industriestaaten ein ernstzunehmendes Armutsproblem haben und daher Teil der neuen Entwicklungsagenda werden müssen.</p> <p>Papst Franziskus kritisierte mit seinem Apostolischen Schreiben "Evangelii Gaudium" eine Wirtschaft, die sich auf dem Rücken der Armen bereichert. Nicht Wirtschaftswachstum, sondern die Entwicklung des gesellschaftlichen Lebens ist das erklärte Ziel des Papstes. Dass ein Wirtschaftswachstum nicht zwingend zu gesellschaftlicher Verbesserung führt, sieht man gerade in England. In den vergangenen 30 Jahren hat sich die Wirtschaftskraft des Vereinigten Königreichs mit einem neoliberalen Wirtschaftskurs verdoppeln lassen. Ein immenser ökonomischer Erfolg! Zeitgleich ist die </p> <p>

<p> die sich nicht einmal mehr einen einfachen Lebensstandard leisten können, um 100% angestiegen. Trotz des massiven Wirtschaftswachstums konnte die landesweite Verarmung nicht gestoppt werden. Die Gleichung, Wirtschaftswachstum ist gleich positive Entwicklung, ging nicht auf.</p> <p>Mit Blick auf die Formulierung der Post-Millennium-Ziele bedeutet dies schlicht einen Paradigmen-Wechsel, bei dem es das Dogma des Wirtschaftswachstums zu überwinden gilt. Aus Sicht der Hilfswerke muss sich die Politik in Zukunft vom Credo des Wirtschaftswachstums lösen und stattdessen soziale und ökologische Indikatoren der Entwicklung ins Auge fassen. Dadurch rücken gleichzeitig alle Nationen in den Blick der Post-Millennium-Ziele. Nicht mehr nur die Entwicklungsländer, sondern alle Nationen müssen sich in Zukunft kritisch nach ihrer Entwicklung befragen lassen. Denn, so formulierte es der Apostolische Nuntiusin Deutschland, Erzbischof Dr. Nikola Eterović,: "Die Armen haben keine Zeit zu warten!"</p> <h2>Kirchliche Lobbyarbeit und Kampagnenfähigkeit muss ausgebaut werden</h2> <p>Das Engagement der Katholiken für die Armen kann sich sehen lassen. 2,9 Milliarden Euro spenden deutsche Katholiken jährlich an Hilfsorganisationen. Die kirchliche </p> <p>

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<p>die sich für eine Entschuldung von Entwicklungsländern einsetzt, unterstützen im Jahr 2000 über 20 Millionen Menschen mit ihrer Unterschrift. Diese Zahlen zeigen, wie wichtig den Menschen in Deutschland der Einsatz für eine bessere Welt ist.</p> <p>Mit Spenden und Unterschriften allein gewinnt man aber noch keine politische Debatte. Wenn die Post-Millennium-Ziele auf die Grundlage eines neuen Entwicklungs-Paradigmas gestellt werden sollen, braucht es ebenso eine starke politische Lobbyarbeit. Denn der Wechsel vom vorrangigen Ziel "Wirtschaftswachstum" hin zu "Entwicklung für die Gesellschaft" wird nicht kampflos vonstatten gehen. Zu stark ist das neoliberale Wirtschaftsmodell der Gegenwart etabliert, als das sich die Politik dessen Einfluss entziehen könnte. Großkonzerne investieren jedes Jahr in Brüssel, Berlin und New York Millionenbeträge, um auf politische Entscheidungen einzuwirken. Die kirchlichen Lobbyisten lassen sich dagegen an einer Hand abzählen. </p> <p>Die katholische Kirche wird sich diesen Wirtschaftsinteressen entgegen stellen müssen, wenn siedas aktuelle Wachstumsdenken verändern möchte. Eine "Wirtschaft, die tötet" sollte nicht nur von Papst Franziskus prominent kritisiert werden - durch professionelle PR-Kampagnen und Lobbyisten in den politischen Zentren sollte sie auch verändert werden. Hier dürfen sich die Bischöfe für die Zukunft noch stärker engagieren und investieren, damit sich mehr bewegt.</p> <p>Ein jährliches Treffen der Bischöfe mit der Bundesregierung und gute Kontakte zum BMZ sind zwar schön. Angesichts einer millionenschweren Lobbymaschinerie der internationalen Unternehmen und einem steigenden Bedeutungsverlust der Kirche in der Gesellschaft reichen sie aber nicht. Die Diözesen, Hilfsorganisationen und Verbände sollten daher ein breites, politisches Netzwerk aufbauen, das zentrale Ziele mit den nötigen finanziellen Mitteln und politischem Druck einfordern kann.</p> <p><emphasize>Dario Rafael Hülsmann</emphasize>

<p><emphasize>(kath.de-Redaktion)</emphasize>


Schlagworte: #Kath.de #Kommentar

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